Wie reagiert Österreich auf die Mutation?

Pressekonferenz, 8.1.2021Foto: S. Hinger


Die neue Virus-Variante ist auch bei uns angekommen.
Österreich hat gegenüber Großbritannien ein Zeitfenster von 3 Monaten: Das gilt es zu nutzen!

Die neue aus Großbritannien kommende Virus-Mutante B1.1.7, wurde in Österreich bereits in vier Fällen nachgewiesen. Alle detektierten Fälle traten bis jetzt reiseassoziiert auf.

Höhere Infektiosität
Zwar sind Mutationen bei RNA-Viren per se nichts Überraschendes, die neue in Großbritannien erstmals im September aufgetretene Virus-Variante weist jedoch eine Vielzahl von Mutationen auf, darunter auch Mutationen, die das Oberflächenprotein im Bereich der Rezeptorbindungsstelle betreffen. Das erleichtert der neuen Virus-Variante das Andocken an die Wirtszelle und macht sie damit auch infektiöser. Wie die Virologin Priv.-Doz. Dr. Monika Redlberger-Fritz erläutert, ist die neue Variante um 56% infektiöser als die gängige Variante. Zwar kann derzeitigen Daten zufolge davon ausgegangen werden, dass B1.1.7 nicht pathogener ist als die gängige Variante, das heißt, dass die Schwere der Krankheitsverläufe vergleichbar ist. Die große Gefahr liegt jedoch in der höheren Infektiosität, was wiederum zu einer massiven Zunahme an Erkrankungsfällen führen kann.

Zeitfenster nutzen!
Die Chance, die Österreich und andere europäische Länder im Umgang mit der neuen Variante derzeit haben, liegt ausschließlich im Zeitfenster gegenüber der Situation in Großbritannien. Und dieses Zeitfenster von etwa 3 Monaten gilt es zu nutzen: zum einen, für eine strikte Einhaltung der Hygiene- und Distanzierungsmaßnahmen, um eine Ausbreitung zu verzögern und möglichst viel zu impfen,  zum anderen für den Ausbau des Sequenzierungsprogramms, um einen zeitnahen Überblick über die Mutationen der zirkulierenden Viren erhalten zu können.
Denn Mutationen erkenne man nicht durch PCR-Tests und nicht durch Antigentests, auch nicht im Krankheitsverlauf, wie Dr. Andreas Bergthaler vom CEMM erläutert. „Um Mutationen detektieren zu können, miss das Genom molekulartechnisch sequenziert werden.“ – Ein aufwändiger Prozess, der viel Expertise und auch Infrastruktur benötigt. In Österreich wurden bereits 1.300 SARS-CoV-2 Genome sequenziert, so Bergthaler. In großen internationalen Datenbanken sind weltweit mehrere 100.000 Genome von SARS-CoV-2-Viren, die seit Beginn der Pandemie sequenziert wurden, erfasst, darunter auch die Daten der 1.300 Genome von in Österreich zirkulierenden Viren.

Bis jetzt wurde die neue britische Variante in vier Fällen, die südafrikanische Mutante in einem Fall in Österreich detektiert. Ob die neuen Varianten aber tatsächlich nur für diese wenigen Fälle in Österreich verantwortlich zeichnen, kann damit nicht behauptet werden: Denn man sieht nur dort etwas, wo man hinschaut.
Für Bergthaler muss daher das Auftreten der mutierten Virus-Varianten ein Weckruf sein: einerseits ein Weckruf, die Hygienemaßnahmen konsequent durchzuführen, und andererseits insgesamt zu berücksichtigen, dass das Virus die Eigenschaft hat, sich zu verändern. Die Situation sei dynamisch und es werden neue Mutanten auftauchen. Um einen Überblick über zirkulierende Viren zu haben, muss daher so viel wie möglich sequenziert werden. Eine Botschaft, die auch auf politischer Ebene Unterstützung findet: Die Kapazitäten sollen ausgebaut werden.

Wie wird Österreich nun mit der neuen Situation umgehen?
Dem Zusatzrisiko durch die Ausbreitung von Mutationen, speziell durch B1.1.7. will man in Österreich, wie Bundesminister Rudi Anschober zusammenfasst, mit folgenden drei Antworten Rechnung tragen:

  • Kontrolle der Ausbreitung, das heißt: die Kapazitäten für Sequenzierungen sollen massiv ausgebaut werden
  • Fortsetzung der sehr rigorosen Einreisebeschränkungen für den Flugverkehr aus Großbritannien und Südafrika
  • Das Zeitfenster mit einem Vorsprung zu Großbritannien von etwa 3 Monaten soll genutzt werden, um durch konsequente Schutzmaßnahmen die Ausbreitung möglichst lang hinauszuzögern und möglichst viele Menschen zu impfen. Eine konsequente Realisierung der Grundregeln wie Mund-Nasen-Schutz, Mindestabstand und Hygienemaßnahmen sei auch die beste Antwort auf B.1.1.7, um hier Ausbreitungen möglichst zu verhindern oder zu verzögern.

Impfen und B1.1.7
Anfängliche Befürchtungen, dass die neue Virus-Variante von Antikörpern, die mit der Impfung aufgebaut werden, nicht erreicht werde (siehe Beitrag mit Doz. Dr. Monika Redlberger-Fritz), haben sich nicht bewahrheitet. Die derzeit zur Anwendung kommenden Impfstoffe bieten auch Schutz vor B.1.1.7.
Sorgen bereitet diesbezüglich jedoch die südafrikanische Mutation. Ob diese Variante von der Impfung erreicht wird, wird untersucht.

(Pressekonferenz: „Corona in Europa und Österreich – wie verändert sich die Lage durch die aktuelle Virus-Mutation“ – mit Gesundheitsminister Rudi Anschober, Priv. Doz.in Dr.in Monika Redlberger-Fritz, (Leiterin des Referenzlabors Influenza an der Meduni Wien), Dr. Andreas Bergthaler, (CEMM), und -a.o. Univ.-Prof. Dr. Herwig Ostermann (Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH), 8. Jänner 2021.)

Text: Susanne Hinger

 

Link
Wie gefährlich ist die neue Virus-Mutation?, 8.1.2021
https://www.medmedia.at/im-fokus/corona/wie-gefaehrlich-ist-die-neue-virus-mutation/