Pharmakonzern nimmt riesige Biotech-Anlage in Wien in Betrieb

Der deutsche Pharmakonzern Boehringer Ingelheim hat in Wien nach vier Jahren Bauzeit seine neue Biotech-Anlage eröffnet. Man will dadurch auch helfen, Lieferengpässe zu beheben.

„Heute ist ein großer Tag für uns“, sagte der Österreich-Chef von Boehringer Ingelheim, Philipp von Lattorff, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz anlässlich der offiziellen Inbetriebnahme. Der Konzern hat 700 Millionen Euro in Wien investiert und damit 500 neue Arbeitsplätze geschaffen. Lattorff betonte die Bedeutung der Medikamentenproduktion „im Herzen Europas“. Die Anfälligkeit internationaler Lieferketten habe sich nicht zuletzt in der Coronakrise gezeigt. Die Pharmabranche kämpfte darüber hinaus auch mit einem Engpass bei Rohstoffen. Bei bestimmten Materialen habe die Behandlung von Corona-Patienten ebenso wie die Impfstoffproduktion für eine erhöhte Nachfrage gesorgt. Bei Boehringer-Ingelheim sei es aber in der Pandemie zu keinen Produktionsausfällen gekommen, sagte Uwe Bücheler, Chef der Biotech-Sparte von Boehringer-Ingelheim.

Auch beim Bau der neuen Anlage gingen die Lieferschwierigkeiten nicht spurlos vorüber. Teilweise seien Baumaterialien nur unter erschwerten Bedingungen lieferbar gewesen, weil beispielsweise Grenzen geschlossen waren, hieß es. Auf die Bauzeit hatte die Pandemie aber keinen großen Einfluss – das Ziel, schon früher als 2021 fertig zu werden, ging sich jedoch nicht aus. Die Anlage in Wien umfasst 48 Bioreaktoren mit insgesamt 185.000 Litern sowie weitere neun Bioreaktoren mit je 15.000 Litern. Der für die Biologika-Fertigung in Wien zuständige Manager Christian Eckermann sprach von einer Produktionsanlage für die Zukunft, die extrem schnelle Produktwechsel und die simultane Fertigung unterschiedlicher Produkte ermögliche. Es gebe weltweit nicht viele Anlagen dieser Art.

Biopharmazeutika sind im Vergleich zu herkömmlichen Arzneimitteln deutlich aufwendiger herzustellen. Boehringer-Ingelheim produziert Biologika gegen Krebs, Herzinfarkte, Rheuma und Multiple Sklerose für andere Pharmafirmen wie Pfizer oder GlaxoSmithKline. Der Biotech-Markt ist stark wachsend und dürfte sich in den nächsten fünf Jahren verdoppeln. Wien ist für die Deutschen eine wichtige Regionalzentrale. Durch die neue Anlage stieg der Mitarbeiterstand in der Bundeshauptstadt auf 2.400. Wien war 1948 die erste Auslandsniederlassung, 1963 startete die Forschung an Hühnerinterferon, 1985 begann die biopharmazeutische Produktion. Boehringer-Ingelheim forscht in Wien unter anderem an neuen Arzneimitteln gegen Krebs und gehört mit 220 Millionen Euro jährlich zu den Top-3-Forschungsunternehmen in Österreich. (red)