„Eiskalte Dusche“ oder „solidarischer Beitrag“?

Contra: ÖÄK-Präsident OMR Dr. Johannes Steinhart:

Der Vorschlag des ÖGK-Chefs für einen „Solidarbeitrag“ ist reiner Populismus und soll nur vom eigenen Versagen des Managements in der ÖGK ablenken. Ärzt:innen leisten genügend „Solidarbeiträge“, indem sie nämlich unter höchstem persönlichem Einsatz für ihre Patient:innen eine Gesundheitsversorgung aufrechterhalten, die seit Jahren immer mehr ausgedünnt wird. Unser System ist darauf ausgelegt, eine Bevölkerung von acht Millionen Menschen zu versorgen. Heute zählt Österreich zwar über neun Millionen Einwohner:innen, aber das System ist damit nicht mitgewachsen – ganz im Gegenteil: Es wurde durch die Kostendämpfungspfade jährlich zurückgestutzt. Das kann natürlich nicht auf Dauer funktionieren. Die Konsequenzen dieses aus der Hüfte geschossenen Vorschlags sind desaströs. Es ist weder für junge Ärzt:innen motivierend, ins Kassensystem einzusteigen, wenn der Vertragspartner öffentlich so agiert, noch für jene Ärzt:innen, die nur noch wenige Jahre eine Kassenpraxis hätten, oder für jene, die schon länger überlegen, aus dem Kassensystem auszusteigen – immerhin sind ziemlich genau 10 % der Kassenärzt:innen bereits 65 Jahre alt oder älter.

Mit einem einzigen Satz hat der ÖGK-Obmann also der Motivation eines erheblichen Teils seiner Vertragspartner:innen oder seiner potenziellen Vertragspartner:innen eine eiskalte Dusche verpasst. Das zeugt nicht gerade von gehobener Management-Klasse – und das in einer Situation, in der wir sowieso schon um alle Ärzt:innen froh sein müssen, die noch in diesem System arbeiten möchten. Unabhängig von ihrem Einkommen sollten alle Patient:innen die bestmögliche Versorgung bekommen. Bei der medizinischen Behandlung statt beim Management sparen zu wollen ist jedenfalls der falsche Weg. Das Kerngeschäft der ÖGK sollte sein, die Versicherten durch die niedergelassenen Ärzt:innen medizinisch zu betreuen, denn dafür werden auch die monatlichen Beiträge bezahlt.

Es können jetzt nicht die Patient:innen und Ärzt:innen zur Kasse gebeten werden, indem man ihnen sagt, sie gehen zu oft zum/zur Ärzt:in und fordern Leistungen, die ihnen der/die Ärzt:in aber aus Spargründen verwehren muss, weil die ÖGK offensichtlich nicht fähig ist, ihre Kernaufgabe zu erfüllen, zumal die ärztlichen Leistungen nur einen Bruchteil des Budgets ausmachen. Sie machen im Jahr 2023 laut eigener Einnahmen-Ausgaben-Rechnung nur knapp 15 % der Gesamtausgaben von 18,9 Mrd. Euro aus. In diesen 15 % sind aber auch noch COVID-Leistungen enthalten, die vom Bund refundiert wurden, beziehungsweise auch Mutter-Kind-Pass-Leistungen, die auch durch das Gesundheitsministerium und Finanzministerium mitfinanziert werden.

Wir Ärzt:innen werden gerne daran mitarbeiten, unseren Patient:innen die bestmögliche Gesundheitsversorgung zu bieten. Aber wir werden nicht die Zeche für die Misswirtschaft in der Gesundheitskasse bezahlen. Gegen ein Weiterwurschteln zum weiteren Schaden der Versicherten und der Leistungserbringer:innen werden wir Widerstand leisten.

Pro: ÖGK-Obmann Mag. Peter McDonald:

Das österreichische Gesundheitswesen steht vor großen Herausforderungen. Es gibt einige Faktoren, die wir nicht beeinflussen können, die aber dazu führen werden, dass die Ausgaben für Gesundheit auch künftig steigen. Die bekanntlich geburtenstarken Jahrgänge schieben sich in der Bevölkerungspyramide weiter nach oben ins Alter. Damit steigt auch deren medizinische Inanspruchnahme. Der bereits erlebte und zu erwartende medizinische Fortschritt lässt Hoffnung auf raschere Heilung aufkommen. Gleichzeitig weiß man von den steigenden Kosten aufgrund innovativer Behandlungen. Der Trend zur Ambulantisierung entlastet zwar die Spitäler – systemisch wunschgemäß –, die notwendige Anpassung der Finanzströme lässt aber leider auf sich warten und übt damit gleichermaßen zusätzlichen Druck auf Ordinationen und fehlende Finanzierung durch die Krankenversicherung aus.

Was in den 2010er-Jahren und davor noch durch das Wachstum der Wirtschaft und die damit verbundenen Mehreinnahmen für die soziale Krankenversicherung kompensiert werden konnte, scheint nun im dritten Jahr einer Rezession undenkbar. Österreichs Betriebe brauchen dringend Entlastung, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Beim Blick auf die zu erwartende wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes heuer und im kommenden Jahr werden alle Beteiligten einen Beitrag leisten müssen. Nachdem ein Drittel der Beitragseinnahmen fix für die Finanzierung der Spitäler gebunden ist und die Ausgaben für die Verwaltung mit rund 2 % sehr gering sind, braucht es den vereinten Einsatz aller Partner:innen, denn nur aus der Weiterentwicklung aller einzelnen Teile kann ein funktionierendes Ganzes werden. Die Partnerschaft mit den niedergelassenen Ärzt:innen ist einer dieser fundamentalen Bausteine, ohne den eine zuverlässige und hochwertige Versorgung der 7,6 Millionen Versicherten nicht möglich wäre. Trotz teils unterschiedlicher Sichtweisen war und ist dieses Miteinander stets von Gegenseitigkeit, Verlässlichkeit und der Bereitschaft zur gemeinsamen Bewältigung von Herausforderungen geprägt.

In diesem Sinne ist auch der Vorschlag eines solidarischen Beitrags für die kommenden zwei Jahre zu verstehen. Keine zusätzliche Steuer oder Abgabe. Vielmehr ist es eine Aufforderung, gemeinsame Vorschläge zu finden, das Geld der Versicherten besser einzusetzen und nachzudenken, was für diese zwei Jahre der Beitrag der Ärztekammer sein kann, um das System zu stabilisieren und effizienter zu gestalten.

Es geht um die Zukunft unseres solidarisch finanzierten Gesundheitssystems – Spitzenmedizin auf e-card, etwas wofür uns beinahe alle Länder dieser Erde beneiden. Auch die Österreichische Gesundheitskasse ist dabei gefordert, konkrete Schritte bei der Weiterentwicklung der Angebote, der Kostenoptimierung und der Sicherung unseres hohen Standards zu erfüllen. Unsere Bereitschaft und Motivation dazu ist hoch, das Bekenntnis zu Dialog und Kooperation unverändert die zentrale Voraussetzung für unseren gemeinsamen Erfolg. In diesem Sinne kann der gemeinsame Schulterschluss und ein noch engeres Zusammenrücken genau jetzt für die richtigen Entscheidungen sorgen.