In der Österreichischen Gesundheitsbefragung 2019 gaben rund 1,4 Millionen Personen an, von chronischen Nackenschmerzen und anderen Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule betroffen zu sein. Die am häufigsten genannte chronische Erkrankung war der chronische Kreuzschmerz oder ein anderes chronisches Rückenleiden. Davon berichteten rund 1,9 Millionen Österreicher:innen. Somit stellen die Schmerzen nicht nur individuell, sondern auch gesellschaftlich eine Herausforderung dar.1
Die Punktprävalenz der Nackenschmerzen liegt zwischen 10 % und 15 %. Diese Zahl droht in näherer Zukunft anzusteigen, da durch die verbreitete Nutzung mobiler digitaler Geräte und der damit zusammenhängenden Fehlhaltung immer mehr Personen vom sogenannten Handynacken betroffen sein werden.2
Vor Beginn der Schmerzbehandlung sollte eine Einstufung erfolgen. Bei 0–3 Wochen handelt es sich um akute, zwischen 4 und 12 Wochen um subakute und ab einer Dauer von über 12 Wochen um chronische Beschwerden. Ist der Zeitraum eingegrenzt, kann eine dementsprechende Therapie festgelegt werden. Oft sind die Schmerzen im Nackenbereich funktioneller Natur sowie unspezifisch und haben eine hohe spontane Besserungstendenz. Trotzdem suchen Patient:innen mit Nackenschmerzen häufig die Apotheke auf – die pharmazeutische Beratung spielt bei der Auswahl geeigneter Analgetika eine zentrale Rolle. Bei Verdacht auf spezifische Nackenschmerzen mit möglichen eindeutigen Ursachen und bei Warnzeichen, wie etwa Taubheitsgefühl, Lähmung und/oder Fieber, sind Fachärzt:innen aufzusuchen. Sollte kein riskanter Verlauf erwartet werden, dann ist kein bildgebendes Verfahren notwendig, und die Selbstmedikation kann erwogen werden. Vorsicht ist geboten, da sich aufgrund der anatomischen Lage nicht immer eindeutig abgrenzen lässt, ob es sich um Nacken- oder Schulterschmerzen handelt.3
Als mögliche Ursache wird häufig eine muskuläre Verspannung vermutet, was die Überlegung nahelegt, Muskelrelaxanzien einzusetzen. Die Verwendung zentral wirksamer Muskelrelaxanzien sowie Injektionstherapien mit Lokalanästhetika werden jedoch in der sich aktuell in Überarbeitung befindlichen S1-Leitlinie für Nackenschmerzen ausdrücklich nicht empfohlen.3
Aufgrund der Schmerzen neigen viele Betroffene zu Schonhaltungen und eingeschränkter Bewegung – dies sollte jedoch vermieden werden. Stattdessen wird eine frühzeitige Mobilisation empfohlen. Bewegungstherapie gilt als zentrale Maßnahme zur Linderung funktioneller Nackenschmerzen, wobei Dehnübungen als alleinige Therapieform keinen gesicherten Effekt zeigen. Bei subakuten und chronischen Verläufen kann die Verordnung von Krankengymnastik sinnvoll sein. Zur kurzfristigen Symptomlinderung bei akuten und subakuten Beschwerden kommen NSAR – systemisch oder topisch – zumEinsatz. Auch lokale Wärmeanwendungen können muskuläre Verspannungen lösen und zur Schmerzlinderung beitragen. Bei chronischen Verlaufsformen zeigen Verfahren wie Akupunktur oder verhaltenstherapeutische Ansätze eine moderate Evidenzlage hinsichtlich ihrer Wirksamkeit. In jedem Fall sollten ein ergonomischer Arbeitsplatz, regelmäßige Bewegung und die richtigen Entspannungstechniken priorisiert werden, um Rückfälle zu vermeiden.3
Bei akuten Nackenschmerzen kann das Auftragen NSAR-haltiger Topika die Bewältigung des Alltags erleichtern. Die Wirkstoffkonzentration, die beim äußerlichen Auftragen in den Blutkreislauf übergeht, erreicht kein physiologisch aktives Niveau. Durch diese signifikant niedrigere Konzentration ist das Risiko für systemische Nebenwirkungen reduziert – es liegt bei etwa 3 %. Ebenso wird die Schleimhaut des Gastrointestinaltraktes nicht gereizt, und NSAR-haltige Topika können somit auch eingesetzt werden, wenn die orale Applikation kontraindiziert ist. Durch die oberflächliche Wirkung kommen Topika vor allem bei Verstauchungen, Zerrungen und Muskel- oder Sehnenschmerzen zum Einsatz. Die Anwendung von topischem Diclofenac-Gel ist bislang am besten erforscht. Die evidenzbasierte Schmerzlinderung setzt laut Cochrane Review mit einer Wahrscheinlichkeit von fast 80 % ein.4
Corp et al. haben 17 Leitlinien aus 8 europäischen Ländern zur Behandlung von Nacken- und Kreuzschmerzen verglichen. Davon befassten sich 11 mit dem unteren Rückenbereich, 5 mit dem Nackenbereich und 1 mit beiden. 7 der 17 untersuchten Leitlinien waren qualitativ hochwertig. Zu den wesentlichen Unterschieden zählen:
Die Behandlung von Rückenschmerzen basiert in allen untersuchten Leitlinien auf nichtpharmakologischen Therapien. Stattdessen sollen Patient:innen allgemein beraten und aufgeklärt und in speziellen Fällen operativ behandelt werden.5 Ein 2021 veröffentlichtes Cochrane Review fand Belege mit moderater Evidenz, dass körperliche Bewegung bessere Therapieerfolge erzielt als keine Behandlung, übliche Pflege oder Placebo. Bei funktionellen Einschränkungen war der Effekt jedoch nicht signifikant. Mit niedriger Evidenz kam die Studie zum Schluss, dass Bewegung im Vergleich zu konservativen Therapieformen eine Verbesserung der Schmerzen erzielte. Letztendlich zeigen Übungsbehandlungen wahrscheinlich eine bessere Wirksamkeit als die alleinige Beratung oder Aufklärung, jedoch zeigt sich kein Unterschied zur manuellen Therapie. Zukünftige Forschung wird notwendig sein, um präzisere Empfehlungen formulieren zu können.6