„Nur wirtschaftlich gesunde Apotheken können Versorgung sicherstellen“  

Ulrike Mursch-Edlmayr© Apothekerkammer

Die Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer, Ulrike Mursch-Edlmayr, fordert im RELATUS-Sommergespräch Reformen, um den wirtschaftlichen Druck von Apotheken zu nehmen.

Zuletzt gab es in Österreich einige Insolvenzen von Apotheken – droht in Österreich ein Apothekensterben wie in Deutschland? Der Trend betreffend real sinkender Geschäftsergebnisse bei Apothekenbetrieben hält an. Dies spüren vor allem Betriebe, die bisher bereits schwer wirtschaftlich geführt werden konnten, aber ein Apothekensterben wie in Deutschland wird es in Österreich in absehbarer Zeit nicht geben, solange die Rahmenbedingungen so bleiben wie sie aktuell sind und wie sie auch im Regierungsprogramm verankert wurden, also Konzessionssystem, Rx-Versand-Handelsverbot etc. Die Insolvenzen sind aber Einzelfälle, die zeigen, dass sich die Situation verschärft hat, doch das nicht systemisch gesehen werden kann.

Wie können die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Apotheken verbessert werden? Apotheken stellen einen wesentlichen Teil der Gesundheitsinfrastruktur dar und müssen endlich als ein solcher von Bund, Land und Sozialversicherung wahrgenommen, anerkannt werden. Das Kerngeschäft der Apotheke, die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung, muss endlich leistungsgerecht vergütet werden. Die Arzneitaxe, die die Aufschläge regelt, wurde zuletzt 2004 angepasst, wobei die Inflation im gleichen Zeitraum fast 70 Prozent betragen hat. Nacht- und Bereitschaftsdienste werden nach wie vor nicht vergütet. Die Kostenbelastung aller öffentlichen Apotheken durch den Nacht- und Bereitschaftsdienst (= Notdienst) liegt für heuer bei rund 42 Millionen Euro. Nur wirtschaftlich gesunde Apotheken können das hohe Niveau der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherstellen. Im Unterschied zu anderen Unternehmen können Apotheken die von ihnen getragenen, steigenden Kosten nicht an die Endverbraucher:innen weitergeben. Verhandlungen im Bereich Spannenanpassungen und Infrastruktur laufen deshalb permanent.

Die Pharmaindustrie verabschiedet sich zunehmend aus den Massenmärkten, die meist schon von Generika dominiert sind. Welche Folgen hat das auf die Arzneimittelversorgung? Die Niedrigpreispolitik und Regularien, die die Preise im Generikasegment beständig nach unten drücken, wirkt sich sowohl auf die Arzneimittelvielfalt als auch auf die Arzneimittelverfügbarkeit aus. So verlassen beispielsweise an die 20 Medikamente pro Monat den Erstattungskodex, unter anderem auch deshalb, weil sich ihre Vermarktung aufgrund niedriger Preise für die entsprechenden Unternehmen nicht mehr lohnt. Damit dünnt sich der Arzneimittelmarkt fortwährend aus und es kommt zu einer noch größeren Konzentration auf einige wenige Anbieter, was wiederum die Versorgungssicherheit weiter gefährdet.

Wie kann man hier gegensteuern? Wesentlich ist, dass die Politik die Rahmenbedingungen so gestaltet, dass zumindest das, was wir in Österreich und in Europa an produzierender Industrie betreffend Arzneimittel und auch Rohstoffe haben, auch hier gehalten wird. Das stärkt den Standort, schafft Wertschöpfung und trägt auch zu einem gewissen Maß zur Versorgungssicherheit bei. Gleichzeitig sehen wir gerade jetzt, dass es wichtig ist, dass Europa auch als Forschungsstandort gestärkt wird. Es ist ein Fakt, dass die USA als wesentlicher Innovationsleader gelten. Die meisten klinischen Prüfungen im Zuge der Arzneimittelforschung finden in Amerika statt. Dort ist auch der Zugang zu innovativen Arzneimitteln leichter als in den Ländern der EU, was alleine schon daran liegt, dass die Unternehmen nicht mit zig Behörden die Preise ausverhandeln müssen. Österreich hat eine großartige Infrastruktur, viele tolle, kluge Köpfe und als Land der Medizin auch eine gewisse Tradition. Daher sollte man sich auf diese Stärken konzentrieren und diese weiter ausbauen, sodass Österreich im weltweiten Konkurrenzkampf um die besten Forschungsstätten eine führende Position behält. Nicht umsonst hat sich die EU-Kommission mit einer eigenen, europäischen Life Science Strategie das Ziel gesetzt, „to make Europe a global leader in life sciences by 2030“. (Das Interview führte Martin Rümmele)