Die unangemessene Verordnung von Antibiotika fördert die Resistenzbildung, beeinträchtigt das Mikrobiom und kann gegebenenfalls sogar die Heilung verzögern. Dennoch werden laut WHO bei Erkältungen immer noch oft Antibiotika verordnet1, oft aus falsch verstandener Vorsicht oder auf Drängen der Patient:innen. Moderne Phytopharmaka bieten evidenzbasierteantivirale Alternativen für den Einsatz bei unkomplizierten Infektionen der oberen Atemwege.
Senföle aus Kapuzinerkressekraut (Tropaeolum majus) und Meerrettichwurzel (Armoracia rusticana) weisen antimikrobielle, entzündungshemmende und immunmodulierende Eigenschaften auf. Die 3 mehrheitlich vorkommenden Senföle (Isothiocyanate) sind Allylisothiocyanat, Benzylisothiocyanat und Phenylethylisothiocyanat, wobei alle antiinfektiöse Effekte zeigen.2 In einer randomisierten, zweiarmigen, placebokontrollierten und doppelblinden Studie wurde eine Kombination der 2 Arzneipflanzen an 384 Patient:innen verabreicht. Der primäre Endpunkt war die „bronchitis severity scale“ (BSS), die 5 Symptome umfasst. Dabei werden Husten, Auswurf, Rasselgeräusche beim Abhören, Brustschmerz beim Husten und Kurzatmigkeit von Ärzt:innen und Patient:innen eingestuft. Nach dreitägiger Behandlung zeigte sich eine signifikante Heilungsbeschleunigung bei den 195 Proband:innen der Behandlungsgruppe im Vergleich zu den mit Placebo behandelten Personen. Insgesamt wurde der BSS nach 10 Tagen von über 8 mit Präparat auf unter 2 gesenkt, während er ohne Präparat auf unter 3 fiel. Husten, Schleimproduktion und Brustschmerzen konnten mit dem Kombinationspräparat am effektivsten verringert werden.3
Cineol (Eucalyptol) wirkt antiinflammatorisch, antioxidativ, antimikrobiell, bronchienerweiternd, schmerzlindernd und proapoptotisch. Unter anderem hemmt es die Produktion proinflammatorischer Zytokine wie Interleukin-1b und Tumornekrosefaktor-a, wodurch die Entzündungsreaktion abgeschwächt wird. Der Wirkstoff gehört zu den ätherischen Ölen und kommt in Eukalyptus (Eucalyptus glo-bulus) mit Konzentrationen von bis zu 90 % vor, ist aber auch in Thymian, Rosmarin, Salbei und Teebaum zu finden.4 Das Eukalyptusöl wurde vom HMPC als traditionelles Arzneimittel zur Linderung von Erkältungsbeschwerden bewertet.5
Die Kapland-Pelargonie (Pelargonium sidoides) stellt eine weitere Behandlungsoption dar. In einer randomisierten, multizentrischen, doppelblinden Studie erhielten 105 Erwachsene mit Erkältungssymptomen 10 Tage lang entweder ein Präparat mit Pelargoniumextrakt oder ein Placebo. Der primäre Endpunkt war die „Sum of Symptom Intensity Differences“ (SSID) von Tag 1 bis Tag 5, zu den sekundären Endpunkten zählten Behandlungserfolg, Zufriedenheit mit der Behandlung und Sicherheitsparameter. Am 5. Tag war die mittlere SSID in der Probegruppe signifikant höher als in der Placebogruppe mit durchschnittlich 12,5 vs. 8,8 Punkten. Die Behandlung mit Pelargoniumextrakt zeigte neben der schnelleren Reduktion der Symptomintensität auch eine Zufriedenheit bei 75 % der Behandelten sowie eine gute Sicherheit und Verträglichkeit.6
Die Früchte des Schwarzen Holunders (Sambucus nigra) wirken antiviral, immunmodulierend und antioxidativ. Studien zeigen, dass Holunderbeerenextrakt in höheren Dosierungen (40–80 µg/ml) die Vermehrung von Influenzaviren hemmt, indem er den Viruseintritt in die Zelle und die Freisetzung neuer Viruspartikel beeinflusst.7 Die Wirkung erfolgt sowohl direkt durch Blockierung viraler Glykoproteine als auch indirekt durch Modulation proinflammatorischer Zytokine wie Interleukin-6, Interleukin-8 und Tumornekrosefaktor. Während der Hauptwirkstoff Cyanidin-3-Glucosid primär antiviral wirkt, entfaltet der Gesamtextrakt durch die Kombination aus Virushemmung und Immunmodulation eine umfassendere therapeutische Wirkung.8