Die Ökonomin, Forscherin und Managerin arbeitet seit vielen Jahren an der Schnittstelle von Wissenschaft, Verwaltung, Wirtschaft und Politik, um die Querschnittsmaterien Gesundheit und Klima auf einen guten Weg zu bringen. Das ist auch dringend erforderlich, denn aktuell wird der Klimawandel als eine der größten Bedrohungen für die Gesundheit gesehen und das Gesundheitswesen ist sowohl Verursacher als auch Betroffener der Umweltauswirkungen. Welchen Beitrag die Medizinprodukte-Betriebe hier leisten können und warum es sich auch lohnt, in nachhaltige Produkte und Lösungen zu investieren, beschreibt sie im Gespräch.
Sie sprechen von der doppelten Rolle des Gesundheitswesens als „Verursacher und Betroffener“ der Klimakrise. Warum hat gerade der Gesundheitssektor eine so große Hebelwirkung?
Einerseits hat der Klimawandel direkte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Der Klimawandel bedeutet höhere Temperaturen, Extremwetterereignisse, steigende Meeresspiegel und extreme Niederschläge. Das führt zu neuen Lebensbedingungen, auf die wir uns einstellen müssen, wie etwa Hitzewellen, Luftverschmutzung, Wasserverunreinigungen, neue Gefahren durch Tropenkrankheiten in unseren Breiten oder Ernährungskrisen bis hin zu psychosozialen Folgen. Das hat eine verstärkte Inanspruchnahme des Gesundheitswesens, der -einrichtungen und der -dienstleistungen zur Folge.
Gleichzeitig ist aber das Gesundheitswesen auch ein Verursacher von CO2-Emissionen. In Österreich macht es rund sieben Prozent des gesamten nationalen CO2-Fußabdrucks aus und das bedeutet natürlich Handlungsbedarf, um den Klimawandel und seine Folgen in Grenzen zu halten. Und hier stellen wir immer wieder fest, dass es an Expertise und Informationen in Gesundheitseinrichtungen zum Thema „Klimaneutralität und Nachhaltigkeit“ einfach fehlt.
Bei diesem CO2-Fußabdruck des Gesundheitswesens spielen die Medizinprodukte eine gewichtige Rolle. Wo konkret sind sie einzuordnen?
Klima- und Umweltschutz hat viele Facetten und alle betreffen auch die Medizinprodukte. Es geht um den Energie- und Ressourcenverbrauch und die damit verbundenen Kosten, die Gesundheitsförderung für Mitarbeitende, die konkrete Reduktion von CO2-Emissionen als Beitrag zur Abmilderung der Klimakrise und die Folgewirkungen auf die Gesundheit und insgesamt um die Reduktion von volkswirtschaftlichen Folgekosten und stärkt die Versorgungssicherheit. Ob Spital oder Medizinprodukteunternehmen – wer dazu beiträgt, ein klimafreundliches und gesundheitsförderliches Umfeld zu schaffen, positioniert sich auch als verantwortungsbewusst Arbeitgeber und erhöht damit die eigene Attraktivität.
Die Medizinprodukte-Branche hängt direkt mit den Herausforderungen der Lieferkettenthematik zusammen. Hier zahlt es sich aus zu überlegen, wie von der Erzeugung über die zur Verwendung bis zur Entsorgung Medizinprodukte eingesetzt werden.
Wo sind aus Ihrer Sicht die größten Hebel für die Medizinprodukte-Branche?
Das gibt es viele Ansatzpunkte. Ein ganz zentraler Hebel ist der Energieverbrauch, also einerseits Energie möglichst effizient einzusetzen und den Verbrauch aus erneuerbaren Energieträgern zu decken, wie Photovoltaik, Windkraft, Geothermie und Wasser. Bei den eingesetzten Materialien ist auf den Ressourcenverbrauch zu achten, das heißt, den Verbrauch zu reduzieren, Lebenszyklen von Produkten zu verlängern und möglichst auch Recyclingprodukte zu nutzen. Bei Transport und Logistik können umweltfreundliche Alternativen gewählt und die Wege kurz gehalten werden. Lokale oder regionale Produktion bedeutet bei der Medizinprodukte-Branche, vor allem in Europa zu produzieren, ein Thema, das auch untrennbar mit der Stärkung der Versorgungssicherheit verknüpft ist.
Kreislaufwirtschaft ist auf europäischer Ebene ein zentraler Eckpunkt des Green Deal. Wo stehen wir in Österreich?
Wir haben eine im aktuellen Regierungsprogramm gut verankerte Kreislaufwirtschaftstrategie. Wer darauf setzt, senkt Kosten durch effiziente Ressourcennutzung, schont die Umwelt und erhöht gleichzeitig die Versorgungssicherheit. Das ist zusammen betrachtet ein wichtiger Beitrag zu einer sicheren und nachhaltigen Gesundheitsversorgung.
Das klingt verlockend und einfach, aber wie lassen sich hohe Hygiene- und Sicherheitsstandards der Branche mit der Kreislaufwirtschaft vereinbaren?
Das ist zum Teil abhängig von den Produkten. Die Aufbereitung ist möglich, wie viele Spitäler ja bereits beweisen. Natürlich geht die Patientensicherheit vor, aber wenn man sich nie über Alternativen Gedanken macht, wird es auch nicht zu Veränderungen kommen. Bei Textilien haben wir beispielsweise schon einen hohen Mehrweganteil, und hier gibt es durchaus Schnittmengen von Kostenersparnis und Umweltverantwortung.
Die Medizinprodukte-Branche muss ohnehin schon viele Regularien umsetzen, jetzt kommt auch noch die Kreislaufwirtschaft dazu. Gibt es vielleicht Synergien, mit anderen Regelungen?
Ich halte es für sehr wichtig, dass alle Akteure miteinander kommunizieren, die Spitäler als nachfragende Organisationen und die Industrie als Anbieter aber auch die Verwaltung und die Politik als Rahmengebende. Auch Forschung und Wissenschaft darf nicht übersehen werden, denn Innovationsimpulse kommen von dieser Seite. Wir wollen kein neues Thema einführen, sondern vorhandene verknüpfen und gut nutzen.
Je klarer und längerfristiger die Vorgaben sind, etwa Kriterien für eine nachhaltige Beschaffung, desto besser können sich Medizinprodukte-Betriebe daran orientieren und können Perspektiven für passende Geschäftsmodelle oder Produkte entwickeln. Auf internationaler Ebene gibt es dazu zum Beispiel die Ökodesign-Richtlinie. Klar ist, dass es Rechts- und Planungssicherheit braucht, dann wird sich das Thema auch durchsetzen und Innovationen auslösen.
Sie haben den Klima-Manager:innen-Lehrgang initiiert und setzen ihn laufend um. Wie wichtig ist Ihnen diese Bewusstseinsbildung?
Sie ist zentral. Es geht darum, Awareness zu schaffen und zugleich Kompetenzen zu stärken. Unser Lehrgang liefert dafür konkrete Instrumente und stärkt die Handlungssicherheit. Wichtig ist mir zudem ein gemeinsames Verständnis, vor allem, dass Ressourcenschonung und Patientensicherheit kein Widerspruch sind.
Welche drei Prioritäten braucht es in den nächsten drei bis fünf Jahren, damit die Medizinprodukte-Branche beim Klimaschutz spürbar vorankommt?