© Noweda Deutschland legt eine Strategie gegen Arzneimittelengpässe und für eine Stärkung der Versorgung vor. In Österreich wird die Forderung laut, dem Beispiel zu folgen. Aus Apotheken kommt aber Kritik.
Die deutsche Regierung berät mit der Pharma- und Medizintechnikbranche über eine bessere Arzneiversorgung und attraktivere Standortbedingungen sowie eine Pharma- und Medizintechnikstrategie. Die Pharmaindustrie wächst als eine der wenigen Branchen in Deutschland, doch immer wieder kommt es zu Engpässen beim Nachschub – etwa bei Fiebersäften, Schmerz- und Diabetesmitteln oder Antibiotika. Bei vielen Mitteln ist Deutschland – wie Österreich – stark von China und Indien abhängig. Die Pharmabranche macht Kostendruck auch der Politik dafür verantwortlich, dass sich Hersteller aus der Produktion zurückgezogen haben. Unternehmen könnten wegen der geltenden Preisregulierung für viele Arzneien in Deutschland steigende Kosten nicht einfach an Kunden weitergeben, indem sie Preise erhöhen.
Konkret will die Regierung Maßnahmen für Verbesserungen bei der Versorgung und den Marktbedingungen für die Pharmaindustrie und die Medizintechnik in Deutschland erarbeiten, wie ein Sprecher mitteilte. An den Auftakt soll sich ein ressortübergreifender Dialogprozess unter Federführung des Gesundheitsministeriums anschließen. Ziel ist es, die bestehenden Formate – die Pharmastrategie und den Pharmadialog – zusammenzuführen.
Bei den Rahmenbedingungen steht allerdings mit im Blick, dass höhere Arzneimittelpreise auf die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherungen durchschlagen. Beitragserhöhungen will die Koalition aus Christ- und Sozialdemokraten aber auch vermeiden. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) warnten im Voraus davor, „dass die blendend verdienende Pharmabranche von allen Effizienzanstrengungen im deutschen Gesundheitswesen per se ausgenommen wird“. Die gesetzliche Krankenversicherung mit ihren 75 Millionen Versicherten habe ein großes Interesse an einer starken Pharma- und Medizintechnikindustrie, sagte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Stefanie Stoff-Ahnis. „Was gut für die Versorgung ist, hat aber seinen Preis.“ Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung seien allein im ersten Halbjahr um sechs Prozent gestiegen.
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ABDA sieht indes eine parallel vom Gesundheitsministerium geplante Apothekenreform in weiten Teilen kritisch. „Wir fordern mit Nachdruck die dringend notwendige wirtschaftliche Stärkung der Apotheken. Ohne sie werden weitere Apotheken aufgeben müssen. Die Leidtragenden sind die Patientinnen und Patienten: Mit jeder geschlossenen Apotheke wird der Weg zum Arzneimittel für die Menschen weiter und schwieriger. Ein zweiter, für uns zentraler Punkt: Die Pläne des Ministeriums, den Apothekerinnen und Apothekern die Apothekenleitung teilweise aus den Händen zu nehmen, lehnen wir strikt ab. Apothekerinnen und Apotheker müssen zu jeder Zeit in der Apotheke anwesend sein – ohne sie können viele Leistungen gar nicht angeboten werden und die Versorgung der Menschen in Deutschland dünnt aus“, sagt ABDA-Präsident Thomas Preis. Es sei hingegen begrüßenswert, dass die Bundesregierung die Apotheken noch stärker in die Primärversorgung einbinden will. „Die Apotheken sind bereit dafür, den Menschen noch mehr Gesundheitsleistungen anzubieten. Dazu zählen Dienstleistungen im Bereich von Prävention, Impfungen und Früherkennungstests in Apotheken.“ Seit 13 Jahren sei aber das Apothekenhonorar nicht an die Kostenentwicklung angepasst worden.
Erst im September startete die Apothekergenossenschaft Noweda eine Kampagne „Apotheken stärken. Jetzt.“ in reichweitenstarken Print-Medien, direkt in teilnehmenden Vor-Ort-Apotheken, auf Social Media sowie mit Live-Marketing im politischen Herzen Berlins aus. „Angesichts der Formulierungen im Koalitionsvertrag ist unsere Erwartungshaltung an das neue Regierungsbündnis hoch. Die Ergebnisse sind bisher jedoch ernüchternd“, sagt Noweda-Chef Michael Kuck. „Die Lippenbekenntnisse, die nach wie vor seitens der Gesundheitspolitik zu hören sind, stehen in deutlichem Kontrast zur Realität in den Apotheken.“
Eine eigene Pharmastrategie für die Stärkung des Standorts und der Versorgung wünscht sich für Österreich auch Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog: „Die wirtschaftliche Lage in Österreich ist angespannt und unsere Wettbewerbsfähigkeit steht auf dem Spiel. Hier könnte im besonderen Maße eine Wachstumsbranche, wie es die Life Sciences darstellen, gegensteuern und wichtige Impulse setzen. Dafür ist es allerdings notwendig, ihr den Rücken zu stärken, und zwar idealerweise mit einer entsprechend umfassenden und mit konkreten Maßnahmen ausgestatteten Strategie. Gerade als Forschungs- und Produktionsstandort konkurriert Österreich mit vielen anderen, starken Ländern. Da gilt es, Stärken und Potenziale auf- und auszubauen, und zwar jetzt.“ (rüm)