Strategien für Akutsituationen

Psychiatrische Notfälle können in Zusammenhang mit einer psychischen und/oder somatischen Störung entstehen und manifestieren sich zumeist mit Erregung, Aggression oder Suizidalität. Das erste Ziel ist immer, dieses Zustandsbild zu deeskalieren und die Person rasch zu beruhigen.

Ursachen psychiatrischer Notfälle

Notfallsituationen können sowohl Folge einer organischen Erkrankung (z.B. Stoffwechselentgleisungen, postoperatives Delir) oder Symptome einer psychiatrischen Grunderkrankung (z.B. Schizophrenie, Depression, Angststörung) sein. Häufig entstehen psychiatrische Notfälle auch im Rahmen von Intoxikationen z.B. mit Alkohol, Kokain oder Amphetaminen. Sie können auch durch psychosoziale Faktoren wie z.B. extreme psychosoziale Belastungen ausgelöst werden.

Fremdgefährdung als besondere Herausforderung

Eine Besonderheit bei psychiatrischen Notfällen ist, dass das Verhalten der betroffenen Person auch bedrohlich für andere sein kann – insbesondere für das medizinische Personal. Das erfordert mitunter die Unterstützung der Exekutive. Das Unterbringungsgesetz (UbG) regelt sehr genau, zu welchen Maßnahmen Ärzt:innen zur Abwendung von Gefahren berechtigt bzw. verpflichtet sind. Gleich wie andere medizinische Notfälle erfordern auch die psychiatrischen sofortige Interventionen und benötigen häufig den Einsatz gut geschulter multiprofessioneller Teams. Interventionen sind zu Beginn primär symptomatischer Natur, eine genaue Differenzialdiagnostik und eine kausale Therapie sind nicht selten erst im Verlauf oder nach der Akutintervention möglich.

Strategien zur Deeskalation

In einem ersten Schritt ist es wichtig, das Behandlungssetting festzulegen, mit einer klaren Verteilung von Aufgaben. So aus medizinischer Sicht vertretbar, sollten zuerst Deeskalationsstrategien versucht werden. Diese erfordern eine klare und eindeutige Kommunikationsebene (z.B. klare, deutliche Sprache, störende Lärmquellen ausschalten). Es kann dabei auch helfen, Patient:innen abzulenken, von der Gesprächsebene auf die Handlungsebene (z.B. Getränk anbieten) zu wechseln. Wichtig ist, auf genügend Abstand zu achten, Patient:innen können sich bedroht fühlen, wenn ihnen zu nahegetreten wird, das dient auch dem Selbstschutz – eine Armlänge Entfernung ist hier eine Faustregel. Im Sinne der eigenen Sicherheit sollte man auch für sich selbst Fluchtwege offenlassen. Hilfreich ist zudem, eine personelle Übermacht im Untersuchungsbereich herzustellen. Patient:innen mit Empathie und Respekt zu begegnen sowie Verständnis und Sorge zu signalisieren ist eine Conditio sine qua non. Dennoch ist es angebracht, klare Grenzen zu setzen und mögliche Konsequenzen für selbst- oder fremdschädigendes Verhalten aufzuzeigen.

Wenn Deeskalation nicht ausreicht

Sollten diese Maßnahmen keinen Erfolg zeigen, stehen pharmakologische Interventionen und/oder Freiheitsbeschränkungen unter strenger Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlagen (UbG) zur Verfügung. Patient:innen sollten über die zur Verfügung stehenden Maßnahmen informiert werden, um ihnen die Wahl zwischen gelinderen (z.B. orale Medikation) und intensiveren (z.B. parenterale Medikation oder Fixierung) zu ermöglichen. Pharmakologisch empfehlen sich in erster Linie Benzodiazepine (z.B. Lorazepam). Sollte dies für eine Beruhigung nicht ausreichend sein, kann auch eine Kombination mit Antipsychotika (z.B. Olanzapin, Risperidon) verabreicht werden. Bei akut psychotischer Symptomatik ist ein sofortiger Therapiebeginn mit einem Antipsychotikum indiziert. Idealerweise sollten Substanzen gewählt werden, die auch parenteral zur Verfügung stehen.