Gesundheitsreform: Die Weichen werden jetzt gestellt

Die Gesundheitsreform lässt bereits auf eine lange Geschichte als mehrlateralen Diskussions- und Streitpunkt zurückblicken. Einen der Grunde dafür sieht Dr. Lothar Fiedler, Obmann der Fachgruppe Innere Medizin in der Osterreichischen Ärztekammer, in den aktuellen Finanzierungsstrukturen. Demnach sind die Krankenkassen für die Finanzierung der niedergelassenen Ärzte zuständig, die Länder und private Krankenhausbetreiber für den stationären Bereich. Die Krankenkassen leisten darüber hinaus 35 % ihrer Einnahmen zur Finanzierung der ambulanten und stationären Spitalskosten, was aktuell 4,6 Mrd. Euro entspricht. Die 15a-Vereinbarung zur Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens sieht vor, den Großteil der dadurch nicht abgedeckten stationären Kosten von Bund aus Steuermitteln sowie von den Ländern zur Verfügung gestellt wird. „Dass dieses Finanzierungssystem keinerlei Kostenwahrheit über die tatsachlich erbrachten Leistungen ermöglicht, liegt auf der Hand“, kritisiert Fiedler. Die Zusammenführung der Kosten sei in diesem Sinne ein berechtigtes Bestreben.
Ein weiterer Aspekt ist die Verpflichtung Osterreichs, sich am EU-Rettungsschirm zu beteiligen und die daraus entstehende Notwendigkeit, entsprechend Mittel einzusparen. „Diese Einsparung soll überwiegend zu Lasten des Gesundheitssystems erfolgen und zu 40 % auf die Sozialversicherungen und zu 60 % auf die Länder umgewälzt werden“, stellt Fiedler die Situation dar. Zudem übersteigt die Steigerung der Ausgaben des Gesundheitssystems derzeit die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts, weshalb Restriktionen im Gesundheitswesen gefordert werden.

Eingeschlagener Weg „nicht richtig“

Fiedler macht auf eine Reihe von Entwicklungen im Zusammenhang mit der Finanzierung des Gesundheitswesens aufmerksam, die von Seiten der Ärzteschaft als „nicht richtig“ gesehen werden. So liege etwa nach Auskunft von Dr. Hans Jorg Schelling, Vorsitzender des Verbandsvorstandes im Hauptverband, die Zahl der Akutbetten in den Spitalern mit 6,1/1.000 Einwohner deutlich über dem europäischen Schnitt von 3,4/1.000 Einwohner, weshalb von einer stationären Überversorgung auszugehen sei. Allerdings sei der in den letzten Jahren erfolgte Bettenabbau marginal, so Fiedler. Im Gegenteil sei die österreichische Spitalslandschaft massiv ausgebaut worden; den Grund dafür sieht Fiedler in der starken Position der Länder im Zuge des „politischen Kräftemessens mit dem Hauptverband und der Ärztekammer“. Besonders kritisiert Fiedler das Bestreben der Länder, die fachärztliche Versorgung in die Spitalsambulanzen zu verlagern. „Wenn man die Entwicklungen der letzten Jahre beobachtet, muss man der Politik Missbrauch an den Leistungen der Steuerzahler vorwerfen“, zeigt sich Fiedler verbittert. „Nach dem Tod des freien Berufsstandes der niedergelassenen Facharzte werden – in Abhängigkeit von der Entfernung zum nächsten Krankenhaus unterschiedlich schnell – auch die Allgemeinmediziner von der Absorption durch die Ambulanzen betroffen sein, aber gegen diese Entwicklung wollen wir uns massiv zur Wehr setzen“, so Fiedler.

ELGA ist nicht die Lösung

Auch ELGA und e-Medikation wurden oft als Instrumente für die Losung der finanziellen Probleme präsentiert, etwa um Doppelbefundungen an Schnittstellen und Doppelverschreibungen von Medikamenten zu vermeiden. Fiedler kann auch diesem Zugang nicht viel abgewinnen: „Das System ELGA ist technisch nicht ausgereift; bei der Fülle der Krankenakten und Arztbriefe ist die Einbindung dieser Daten in den Praxisalltag nicht machbar. Zudem können die Vorkehrungen zur Datensicherheit leicht umgangen werden.“ Sowohl das zeitliche als auch das finanzielle Einsparungspotenzial durch die ELGA sieht Fiedler marginal. Eine sinnvolle Alternative ist für Fiedler die Möglichkeit, dass Arzte, Spitaler und Rettungsdienste einander gegenseitig Daten übermitteln, was zu Erleichterungen bei Patientenzuweisungen oder Spitalsaufnahmen führen. Für den Akutfall notwendige Daten „gehören auf die e-card“.
Zusammenfassend bleibt Fiedler bei seiner Forderung, in den ambulanten Bereich zu investieren und auf eine gute Kooperation zwischen den lokalen Gesundheitseinrichtungen zu setzen.