Welche Rolle sehen Sie für Hausärzt:innen in der Betreuung ihrer onkologischen Patient:innen – sowohl während als auch nach der Therapie?
Das Management von Komorbiditäten und das Verschreiben von nichtonkologischen Medikamenten sind Aufgaben, die Hausärzt:innen auch während einer onkologischen Therapie weiterhin übernehmen sollten. Auch wäre es gut, wenn Hausärzt:innen eine Basisberatung anbieten und als erste Anlaufstelle hinsichtlich Nebenwirkungen (z. B. Übelkeit) und Symptomkontrolle (z. B. Schmerztherapie) fungieren könnten. Eine sehr wesentliche Aufgabe ist auch das Sicherstellen des „ärztlichen Kontinuums“, also die Betreuung durch eine Person, welche die Patient:innen vor, während und nach onkologischen Therapiephasen kennt.
Welche Informationen sollten Hausärzt:innen regelmäßig von Ihnen erhalten, damit sie Patient:innen adäquat weiterbetreuen können?
Die Mindestinformation, die Hausärzt:innen vom Spital bekommen sollten, sind Diagnose, Stadium und aktuelle Therapiephase sowie gegebenenfalls die jeweilige onkologische orale Medikation. Auch über geplante operative Eingriffe, Strahlen- und Chemotherapien sowie wesentliche Änderungen im Therapieziel (z. B. kurativ – palliativ) sollten Hausärzt:innen unbedingt informiert werden. Sie sollten daher ihre Patient:innen motivieren, die hausärztlichen Kontaktdaten im Spital weiterzugeben und um Informationsübermittlung zu bitten, denn ein Arztbrief darf an Hausärzt:innen nur mit Zustimmung der Patient:innen versendet werden.
Welche standardisierten Nachsorgeschemata oder Empfehlungen sollte die Hausarztpraxis umsetzen?
Derzeit existieren keine österreichweit standardisierten Nachsorgeschemata für Tumorerkrankungen, auch weil diese sehr diagnose- und stadienabhängig sind. Wesentlich ist als Hausärzt:in, mit den Patient:innen zu besprechen, ob die Nachsorge im Spital erfolgt und/oder ob es einen Nachsorgepass/-plan gibt. Falls die Nachsorge – wie das oft der Fall ist – im Spital erfolgt, sollten Hausärzt:innen bei der Compliance unterstützen, also z.B. sicherstellen, dass Termine und Untersuchungen wahrgenommen werden. Falls keine Nachsorge im Spital angeboten wird, dann sollten die Patient:innen einen Nachsorgepass/ -plan bekommen, der dann anhand dieser Vorgaben umgesetzt werden sollte. Bei unklaren Befunden oder neuen Problemen, die während der Nachsorgephase auftreten, sollten die Patient:innen in das behandelnde Spital rücküberwiesen werden.
Welche Kommunikationswege für Rückfragen zu neu aufgetretenen Symptomen bei Ihren onkologischen Patient:innen sind aus Ihrer Sicht sinnvoll und praktikabel?
Sehr gerne können den Patient:innen schriftliche Dokumente für den nächsten Termin mitgegeben werden, die dann beantwortet werden. Falls es dringender ist, sollte man zum Telefon greifen: In vielen Abteilungen gibt es bereits Cancer Nurses, die zu normalen Ambulanzzeiten telefonisch gut erreichbar sind. In onkologischen Zentren ist aber üblicherweise auch immer ein:e diensthabende:r Onkolog:in für dringende Fragen erreichbar. Bei onkologischen Notfällen wie z.B. neutropenem Fieber sollten Patient:innen mit der Rettung in das nächstgelegene Spital geschickt werden.
Worauf sollten Hausärzt:innen bei der Beratung der Patient:innen zu komplementärmedizinischen Verfahren besonders achten?
Hilfreich ist hier – für Ärzt:innen und Patient:innen – die Broschüre „Das ABC der komplementären Maßnahmen“ der Österreichischen Krebshilfe, welche die häufigsten komplementärmedizinischen Methoden zusammenfasst und ihren Empfehlungsgrad gemäß der deutschen S3-Leitlinie darstellt. Die Broschüre kann kostenlos angefordert werden. Komplementärmedizinische Verfahren, zum Beispiel Entspannungstechniken, können hilfreich für die Krankheitsbewältigung und Lebensqualität sein. Wesentlich ist, Patient:innen vor schädlichen Verfahren, insbesondere aus dem alternativmedizinischen Bereich (wo es also darum geht, schulmedizinischen Behandlungen nicht zu ergänzen, sondern zu ersetzen), zu warnen.
Welche Impfungen sind aus onkologischer Sicht besonders wichtig oder kritisch für (ehemalige) Krebspatient:innen?
Krebspatient:innen ohne schwerwiegende Immunschwäche dürfen und sollen so wie gesunde Menschen geimpft werden. Es ist sinnvoll, vor Beginn einer Chemotherapie fehlende oder unvollständige Impfungen aufzufrischen und ggf. saisonale Impfungen (COVID-19, Influenza) zu verabreichen, weil die Wirksamkeit von Impfstoffen während einer Therapie eingeschränkt sein kann. Kurz vor, während und kurz nach einer Krebsbehandlung sollten Patient:innen in der Regel keine Lebendimpfstoffe erhalten. Angehörige und Freund:innen von Krebspatient:innen sollten bei sich selbst auf einen ausreichenden Impfschutz achten, um Ansteckungen zu vermeiden. Patient:innen in besonderen Situationen wie Stammzelltransplantation oder nach Zelltherapien erhalten von ihren Ärzt:innen üblicherweise ein Impfschema vor bzw. nach der Therapie, das befolgt werden soll. Den Hausärzt:innen kommt hier eine wichtige unterstützende Rolle zu.
Wie schätzen Sie den Informationsstand der Patient:innen nach Aufklärung in der Onkologie ein, sollten Hausärzt:innen bestimmte Themen gezielt noch einmal ansprechen?
Oft ist es für Patient:innen sehr verunsichernd, von unterschiedlichen Ärzt:innen unterschiedliche Informationen zu erhalten. Daher sollten am besten immer nur diejenigen aufklären, welche die Patient:innen und die Erkrankung genau kennen, also z. B. die Spezialist:innen am onkologischen Zentrum. Wenn nach dem Gespräch noch Fragen offen bleiben, sollten die Hausärzt:innen die Patient:innen motivieren, bei ihren Spezialist:innen nochmals nachzufragen und am besten eine Fragenliste für das nächste Arztgespräch vorzubereiten.
Welche Rolle können und sollten Hausärzt:innen bei der psychosozialen Betreuung und der Palliativversorgung aus Ihrer Sicht spielen?
Hausärzte haben den Vorteil, dass sie meist das Umfeld der Patient:innen, deren familiäre und soziale Situation gut kennen. Daher werden sie möglicherweise früher auf Defizite im psychosozialen und/oder palliativen Bereich aufmerksam. Hier gibt es im ambulanten Bereich gute Angebote, z. B. über die Österreichische Krebshilfe oder mobile Palliativteams, die über den hausärztlichen Bereich aktiviert werden können.
Wie kann die hausärztliche Versorgung helfen, Nebenwirkungen und Spätfolgen onkologischer Therapien frühzeitig zu erkennen und zu behandeln?
Hilfreich ist es, mit den Patient:innen in Kontakt zu bleiben und z. B. eine Visite zwischen den Therapiezyklen zu vereinbaren. So kann rasch auf Nebenwirkungen reagiert werden, und bei sich anbahnenden größeren Problemen können die Patient:innen an das behandelnde Spital verwiesen werden.
Welche strukturellen Verbesserungen wünschen Sie sich in der Zusammenarbeit mit Hausarztpraxen?
Hilfreich wäre sicherlich eine einfache Möglichkeit der digitalen Kommunikation, um Informationen niederschwellig austauschen zu können. Telefonische Kontakte haben den Nachteil, dass beide zuständigen Ärzt:innen zur gleichen Zeit verfügbar sein müssen. Das Verfassen von Briefen und Dokumenten zur Kommunikation ist oft eine administrative Hürde, die im Alltag schwer unterzubringen ist. Ideal wäre ein sehr niederschwelliger Kommunikationsweg, der im Spital im KIS und in der Ordination in der jeweiligen Ordinationssoftware direkt integriert ist.