Antibiotika bei Kindern: Welche Substanz hilft wann?

Pneumonie: „nicht typisch“ ≠ „atypisch“

Der häufigste bakterielle Erreger der Pneumonie ist Streptococcus pneumoniae („Pneumokokken“). Seltener (typisch aber bei der Aspirationspneumonie) ist die bakterielle Pneumonie (Staphylokokken). Neben anderen grampositiven Erregern (z. B. Staphylococcus pyogenes) kommt auch Haemophilus influenzae als Erreger in Betracht.
Die Unterscheidung zwischen viraler, bakterieller und „atypischer“ Genese allein durch Klinik ist ohne Erregerdiagnostik schwierig. Bei Verdacht auf eine bakterielle Pneumonie ist eine antibiotische Therapie indiziert, die in erster Linie auf Pneumokokken als häufigste bakterielle Erreger abzielen sollte. Bedenkt man die hohe Rate an Makrolidresistenz (ca. 20 %) bei Pneumokokken und die Seltenheit „atypischer“ Erreger, sollte für die ambulante orale Behandlung primär Amoxicillin gewählt werden, wobei entsprechend der niedrigen Rate an intermediär sensiblen Stämmen eine Dosierung von 50 mg/kg/d in 3 Einzeldosen (ED) ausreichend ist. Orale Cephalosporine sind in dieser Indikation entweder nicht ausreichend wirksam (Cefaclor, Cefuroxim-Axetil) oder unnötig breit (orale Cephalosporine der 3. Generation: Cefpodoxim-Proxetil, Cefixim).
Die Kombination von Amoxicillin mit einem Beta-Laktamase-Inhibitor (Clavulansäure) ist nur bei Verdacht auf Staphylokokken-Pneumonie notwendig (stationär).
Sollte das klinische Bild nicht der typischen bakteriellen Pneumonie entsprechen (milderer Verlauf, bronchopneumonisches Röntgenbild, fehlendes Therapieansprechen etc.), können in seltenen Fällen (< 5 %) auch atypische Erreger (Mykoplasmen häufiger als Chlamydien) ursächlich sein und eine Therapie mit Makroliden (oder bei älteren Kindern mit Chinolonen oder Tetrazyklinen) sinnvoll erscheinen lassen. Jedoch: Nicht alles, was „nicht typisch“ ausschaut, ist „atypisch“. Viel wahrscheinlicher ist eine virale Genese. Daher sollte gegebenenfalls die Diagnostik mittels PCR aus respiratorischen Sekreten durchgeführt werden. Die Therapiedauer einer Mykoplasmen- oder Chlamydien-Pneumonie beträgt 10–14 Tage.

„Angina“?

Bei einer Tonsillitis mit Exsudat sind Viren die häufigste Erreger-Gruppe. Gruppe-A-Streptokokken (GAS), die einer antibiotischen Therapie bedürfen, sind nur in 15–30 % der Fälle das auslösende Pathogen! Eine eindeutige ätiologische Diagnose ist ohne Erregerdiagnostik (Abstrich, Streptokokken-Schnelltest) nicht möglich. Für eine virale exsudative Tonsillitis sprechen: Alter < 3 Jahre, langsamer Krankheitsbeginn, zusätzliche Symptome eines viralen Infektes wie Durchfall, Rhinitis und/oder Husten, Konjunktivitis. Eine Lymphadenopathie anderer (nichtzervikaler) Lymphknoten-Stationen bzw. Hepatosplenomegalie sprechen für eine (virale) Mononukleose. Bei klinischem Verdacht auf virale Genese kann ohne Abstrich auf eine antibiotische Behandlung verzichtet werden.
Fehlen typische virale Symptome und besteht der klinische Verdacht auf eine bakterielle GAS-Angina, sollte dieser Verdacht vor einer antibiotischen Therapie mittels Tonsillen-Abstrichs (Streptokokken-Schnelltest) bestätigt werden.
Die etablierte Therapie der Angina besteht aus Penicillin V 100.000 IE/kg/d in 2(–3) ED (max. 4,5 Mio. IE/d) über 7 Tage. Zahlreiche Studien zeigen auch eine gute Wirksamkeit einer 5-tägigen Therapie mit Cephalosporinen, wobei aus mikrobiologischer Sicht Cephalosporine mit schmalem Spektrum sinnvoller erscheinen (z. B. Cefaclor 40 mg/kg/d in 2–3 ED).

Akute Otitis media – wait and see?

Die akute Otitis media (AOM) entsteht auf Basis einer Virusinfektion der oberen Atemwege und kann durch eine bakterielle Superinfektion (Pneumokokken, Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis) verkompliziert werden. Wichtig ist, das leicht hyperämisch oder lediglich randständig gefäßinjizierte Trommelfell – wie es bei der isolierten Myringitis und der viralen Begleitotitis, aber auch durch Fieber oder Schreien des Kindes bei der Untersuchung beobachtet werden kann – von einer echten akuten Entzündung der Paukenhöhle (Mittelohrentzündung) mit systemischen Krankheitssymptomen (Fieber etc.) und deutlichen lokalen Entzündungszeichen zu unterscheiden. Bei einer akuten Entzündung der Paukenhöhle ist eine antibiotische Therapie v. a. bei Kindern < 2 Jahre oder massivem Lokalbefund (z. B. eitrig vorgewölbtes Trommelfell: „Donut-Sign“) indiziert. Bei älteren Kindern und milderem Befund kann diese vorerst zugunsten einer antiphlogistischen Therapie (Ibuprofen) aufgeschoben und das Kind kurzfristig (innerhalb von 24–48 Stunden) kontrolliert werden.
Die antibiotische Therapie sollte in erster Linie aus Amoxicillin 50 mg/kg/d in 3 ED bestehen. Nur bei Nichtansprechen, häufigen Rezidiven oder schweren Verläufen kann eine Kombination mit Clavulansäure erwogen werden (z. B. gegen Beta-Laktamase-bildende H. influenzae). Makrolide sollten aufgrund der hohen Resistenzrate nur bei Beta-Laktam-Allergie eingesetzt werden (bei Penicillin-Allergie ohne Kreuz-Allergie wäre auch Cefuroxim-Axetil eine [bessere] Alternative). Cephalosporine der 3. Generation (Cefpodoxim-Proxetil, Cefixim) sind unnötig breit wirksam.
Eine Therapiedauer von 5 Tagen bei Kindern > 2 Jahre ist ausreichend. Kinder < 2 Jahre sollten 7(–10) Tage behandelt werden.

HWI: breites Spektrum an Bakterien

Nicht nur bei typischer Klinik (Pollakisurie, Flankenschmerz etc.), sondern auch bei unklarer Fieber-Ursache sollte v. a. bei Säuglingen und Kleinkindern immer auch eine Harnuntersuchung bzgl. Harnwegsinfektion (HWI) durchgeführt werden. Das Erregerspektrum umfasst zahlreiche Keime: E. coli, Klebsiella spp., Proteus mirabilis, Enterokokken, Staphylococcus saprophyticus und aureus oder auch Pseudomonas aeruginosa. Aufgrund dieses breiten Erregerspektrums muss auch die Therapie initial breit sein. Die Wahl der Substanz sowie die Therapiedauer hängen von der Schwere der HWI ab. Ein unkomplizierter HWI kann mit Cefalexin 50 mg/kg/d in 3 ED für 5 Tage behandelt werden. Die gramnegativen Enterobakterien (E. coli, Klebsiellen, Proteus mirabilis u. a.), aber auch (grampositive) Enterokokken („Enterokokkenlücke“ aller Cephalosporine) gelten als resistent gegenüber dem häufig verschriebenen Cefaclor, das daher nicht eingesetzt werden sollte. Bei Jugendlichen mit unkomplizierter Zystitis kommen auch Therapien mit Pivmecillinam (3-mal 200 mg), Trimethoprim (2-mal 200 mg), Ciprofloxacin (2-mal 500 mg) oder Fosfomycin (einmalig 3 g) in Frage.
Bei kompliziertem HWI (Pyelonephritis) beträgt die Therapiedauer 10 Tage. Dabei kommen Substanzen zum Einsatz, die eine starke Wirksamkeit gegen ein breites Spektrum an Erregern haben: eine Kombination aus Amoxicillin und Clavulansäure (z. B. 7 : 1; 70/10 mg/kg/d in 2–3 ED) oder orale Cephalosporine der 3. Generation (Cefixim oder Cefpodoxim-Proxetil, jeweils 8–10 mg/kg/d in 2 ED). Nach Eintreffen des Antibiogrammes sollte die antibiotische Therapie ggf. auf eine möglichst schmal wirksame Substanz umgestellt werden.

Adhärenz

Ein häufiger Grund für die Nichteinnahme bzw. den verfrühten Abbruch einer Therapie mit antibiotisch wirksamen Substanzen ist die Antibiotika-assoziierte Diarrhö (AAD). Eine Cochrane-Metaanalyse zeigte, dass die Gabe von Probiotika das Auftreten einer AAD bei Kindern verhindern kann. Die Teilnehmenden erhielten Probiotika (Lactobacilli spp., Bifidobacterium spp., Streptococcus spp. oder Saccharomyces boulardii), allein oder in Kombination. Davon scheinen Lactobacillus rhamnosus oder Saccharomyces boulardii bei 5 bis 40 Milliarden KBEs/Tag am besten geeignet zu sein, AAD bei Kindern während einer Antibiotikabehandlung zu verhindern.