Neue Empfehlungen zur Pneumokokken-Impfung

Pneumokokken-Erkrankungen lassen sich in nichtinvasive Formen, insbesondere die Pneumonie, und invasive Erkrankungen wie Meningitis oder Sepsis einteilen.
Die beiden Enden des Altersspektrums – Kleinkinder und ältere Menschen – sind bevorzugt betroffen. Bei alten Menschen sind es überwiegend Pneumonien, die auch ohne Bakteriämie oder Sepsis schwere Krankheitsverläufe mit hoher Mortalität verursachen.
Die bekapselten grampositiven Erreger unterteilen sich in verschiedene Serotypen, von denen an die 100 humanpathogen sind. Dies stellt auch eine der Herausforderungen für Impfstoffe dar, da Antikörper, die gegen einen bestimmten Serotypen gerichtet sind, kaum oder gar nicht kreuzprotektiv für andere Serotypen wirken.

Vom Polysaccharid- zum konjugierten Impfstoff

Seit Jahrzehnten steht ein Polysaccharid­impfstoff zur Verfügung, der gegen 23 der häufigsten Serotypen gerichtet ist (PPV23). Obwohl lange in Verwendung, sind die Daten zur klinischen Wirksamkeit recht dürftig. Da Polysaccharidimpfstoffe zudem bei Kindern nicht wirksam sind, wurden in der ­Folge Konjugatimpfstoffe entwickelt (PCN), die zuerst als Kinderimpfstoffe, dann auch mit Erwachsenenzulassung verwendet wurden. Anfänglich gegen 7 Serotypen gerichtet, werden ­diese konjugierten Impfstoffe nun laufend „erweitert“. Zuerst auf 11, dann auf 13 Serotypen – in diesem Stadium erfolgte auch die Zulassung für Erwachsene. 2022 ­kamen 2 neue Impfstoffe auf den Markt, der 15-valente Vaxneuvance® sowie der 20-valente Apexxnar®. Diesen Neuerungen wurde im Impfplan Österreich bereits Rechnung getragen.

Wirksamer bei Kindern als bei Erwachsenen

Während die Pneumokokken-Impfung im Kindesalter eine beeindruckende Wirksamkeit zeigt – die Erkrankungszahlen nahmen in allen Ländern nach Einführung der Kinder­impfung rapide ab –, ist die Effektivität bei Erwachsenen bescheiden.
Da die Schleimhautbesiedelung mit Pneumokokken und die Infektionen im Kleinkindesalter das wesentliche Infektionsreservoir und die Ansteckungsquelle für alte Menschen darstellt, ist es nicht verwunderlich, dass sich die Reduktion der Infektionen und Kolonisation durch die Kinderimpfungen auch auf die Erkrankungszahlen der Erwachsenen auswirkt – ohne zusätzliche Impfung der Erwachsenen. Manche Expert:innen sind durchaus der Meinung, dass dieser „Herdeneffekt“ so ausgeprägt ist, dass eine zusätzliche Impfung der älteren Menschen nicht nötig oder sinnvoll ist.
Der Impfplan Österreich hat sich für eine Impfung auch der älteren Menschen entschieden und schlägt eine sequenzielle Impfung mit einem Konjugatimpfstoff vor, gefolgt von einer Dosis des Polysaccharidimpfstoffes. Diese Empfehlung wurde auch nach Einführung der neuen Impfstoffe beibehalten. Allerdings wird der bisher verwendete 13-valente Konjugatimpfstoff durch einen der beiden breiteren Impfstoffe ersetzt (15- bzw. 20-valent). Die Wahl des Impfstoffs bleibt der impfenden Ärztin/dem impfenden Arzt überlassen. Nun mag man ein Anhänger des „the more the better“ sein, die größere Anzahl an im Impfstoff enthaltenen Serotypen übersetzt sich aber natürlich nicht zwangsläufig in eine größere klinische Wirksamkeit. Große klinische Studien, die den tatsächlichen Effekt der beiden neuen Impfstoffe auf die Verhinderung von Pneumonie und Sepsis zeigen, stehen naturgemäß noch aus.
Wie wichtig, aber auch wie schwierig solche klinischen Daten zu generieren sind, zeigte sich an der bisher einzigen großen randomisierten Wirksamkeitsstudie CAPiTA, die 2015 publiziert wurde. 42.237 Patient:innen in der P13-Gruppe und 42.255 in der Placebogruppe wurden über einen Zeitraum von 4 Jahren beobachtet. Ein klinischer Endpunkt waren invasive Pneumokokken-Erkrankungen, hier lag die Impfstoffwirksamkeit bei 75 %. Nicht­invasive Pneumokokken-Pneumonien hingegen wurden nur zu 45 % verhindert. Da die überwiegende Mehrzahl der Pneumokokken-Infektionen der älteren Menschen nichtinvasive Pneumonien sind, war das ein eher ernüchterndes Ergebnis. Und auch ein eher unerwartetes, da die Wirksamkeit desselben Impfstoffes bei den Infektionen der Klein­kinder so überragend ist.
Aufgrund des Schweregrades und der Häufigkeit von Pneumokokken-Infektionen beim alten Menschen werden aber dennoch in den meisten Ländern Impfungen für den älteren Menschen, zusätzlich zu den Kinderimpfungen, empfohlen.

Praxismemo

  1. Pneumokokken verursachen vor allem Pneumonien, können aber auch invasive Erkrankungen wie Meningitis oder Sepsis auslösen.
  2. Es existieren etwa 100 humanpathogene Serotypen. Impfstoffe gegen einen bestimmten Serotyp wirken nicht protektiv gegenüber anderen.
  3. Die Pneumokokken-Impfung ist bei Kleinkindern hoch ­effektiv und schützt mit ­indirekten „Herdeneffekten“ auch ältere Menschen.
  4. Aufgrund des Schweregrades und der Häufigkeit von Infektionen ist die Impfung auch für Ältere trotz verringerter Wirksamkeit empfohlen.
  5. Die sequenzielle Impfung sollte unbedingt mit einem Konjugatimpfstoff (und nicht mit dem Polysaccharid­impfstoff) begonnen werden.