Ärzte-Netzwerke kontra Zentren

„Ambulante Versorgungszentren“ (AVZ) mit angestellten Ärzten, diplomierten Krankenschwestern, Ordinationsassistenten etc. oder freiberufliche Arztpraxen im Verbund mit anderen, abgestimmt bei den Ordinationszeiten, koordiniertes Zusammenarbeiten der Allgemeinmediziner in dem Netzwerk mit den niedergelassenen Fachärzten – das scheinen die Alternativen für die Zukunft zu sein. Wie sich die Gruppenpraxen – fachlich ein- oder mehrdimensional – hier bemerkbar machen werden, ist noch unklar.
Doch Eile tut not. Wer jetzt seine Claims für die Zukunft absteckt, wird bei der Verteilung der Kassenverträge und im Konkurrenzkampf insgesamt die Nase vorn haben – zumal ja auch die zukünftigen Gesellschaftsformen (finanziert von außen, selbstfinanziert, GmbH) noch unbestimmt sind.

Das Burgenland am Sprung

„Unser Ziel ist ein flächendeckendes Ärzte-Netzwerk für das Burgenland. Wenn es nach meinen Zielvorstellungen geht, sollten wir Ende des Jahres die Strukturen haben. Wir wollen das sprichwörtliche Rad nicht neu erfinden, sondern nehmen uns die Steiermark als Vorbild“, sagteDr. Michael Schriefl, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte im Burgenland, im Gespräch mit der Ärzte Krone.
Eisenstadt/Mattersburg, Oberwart im Süden und Neusiedl/See – das sind die angepeilten Regionen, in denen Allgemeinmediziner, Fachärzte und Krankenanstalten in Zukunft enger als bisher im Verbund zusammenarbeiten sollen. „Die Internet Domain haben wir uns bereits gesichert. Es geht um die Koordination der Urlaube und Praxis-Öffnungszeiten, um die strukturierte Vergabe von Facharztterminen nach Dringlichkeit und um einen interaktiven Dialog“, sagte Schriefl.
Die Ärzte-Netzwerk-Idee wurde in Österreich speziell in der Steiermark geboren. Dr. Christoph Schweighofer, zuständiger Referent für „Styriamed.net“ und2. Kurienmobmann-Stellvertreter der niedergelassenen Ärzte in der steirischen Ärztekammer: „Wir haben im Jahr 2009 begonnen. Styriamed.net wird sehr gut aufgenommen. Wir verstehen uns als virtuelle Gemeinschaftspraxis. Im Zentrum steht der Hausarzt, wo alle Fäden zusammenlaufen.“ Es sind mittlerweile in der Steiermark etwa 180 Ärzte, die in solchen Netzwerken mitmachen.
Mittlerweile gibt es solche Netzwerke in der Steiermark um Hartberg, Leibnitz, Leoben, Weiz und Bruck/Mur. Im Bezirk Hartberg sind das LKH Hartberg und das Marienkrankenhaus Vorau mit dabei, in Leibnitz das LKH Wagna, in Leoben das LKH Leoben, in Weiz das LKH Weiz und für Bruck/Mur ebenfalls das gleichnamige Landeskrankenhaus. Schweighofer: „In den Bezirken Deutschlandsberg und Graz/Umgebung Süd sollen ebenfalls solche Netzwerke entstehen.“
Das ÖQMed-Evaluierungszertifikat, die Bereitschaft, an Patientenbefragungen mitzuwirken, das ÖÄK-Fortbildungsdiplom, elektronische Befundübermittlung, E-Mail-Adresse und die Bereitschaft, die Öffnungszeiten der Ordination zu koordinieren, sind die primären Voraussetzungen für die Aufnahme in die Netzwerke. Die Realisierbarkeit stellt sich für die Beteiligten vor allem in der Praxis dar.

Gute Erfahrungen

Gute Erfahrungen mit Arbeiten im Netzwerk hat beispielsweise Dr. Reinhold Glehr, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Familien- und Allgemeinmedizin, in seinem Heimatbezirk in Hartberg gemacht. „Wichtig ist natürlich die Koordination von Praxis-Öffnungszeiten und Angabe von Dringlichkeiten bei den Überweisungen – möglichst sofort, innerhalb von drei Wochen oder längerfristig. Jeder Arzt gibt auch eine Telefonnummer bekannt, unter der ihn ein Kollege ohne Umweg über die Ordinationshilfe erreichen kann. Etwa alle drei Monate gibt es Treffen, an denen auch die beteiligten Krankenhäuser teilnehmen. Da geht es zumeist darum, die speziellen Leistungen der einzelnen Abteilungen kennenzulernen.“
Noch ein wichtiger Punkt: Zwischen beteiligten Allgemeinmedizinern und den Fachärzten wird auch festgelegt, wer der „therapieführende Arzt“ ist. Das kommt jeweils auf den – abzusprechenden – Einzelfall an.

Ärzte-Netzwerke sind sinnvoll

Diskutiert werden aber auch Probleme bei den Überweisungen. Man spricht darüber, wie man die Qualität der Spitalszuweisungen am besten erhöhen kann. „Ich denke, dass die Ärzte-Netzwerke Sinn machen“, zog Glehr sein Fazit. Größere Zusammenarbeit, eventuell sogar ein Quäntchen mehr Selbstdisziplin in der täglichen Routine – das tue allen gut, auch den Patienten. Rund um Hartberg sind jedenfalls fast alle niedergelassenen Ärzte dabei.
„Wir haben auch eine elektronische Befundübermittlung – die ‚kleine ELGA‘, aber billiger. Ebenfalls bewährt hat sich, dass Fachärzte bei den Patienten aktiv den Hausarzt nachfragen und den Befund – so der Patient es will – übermitteln“, fügte Schweighofer hinzu. Am ehesten gebe es bei der Einrichtung solcher Netzwerke noch Probleme bei der Neuabstimmung von Ordinationszeiten und Urlaubsregelungen im Facharztbereich.
„Die bestmögliche Vernetzung der Anbieter von Gesundheitsleistungen ist natürlich prinzipiell sehr sinnvoll und grundsätzlich im Interesse der Patienten. Die zentrale Frage ist allerdings, wie man das macht, wer die zentrale Rolle im Netz spielt und was das alles für die Patienten bedeutet, aber auch für die Netzwerkpartner“, sagte Dr. Johannes Steinhart, Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte und Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), zu dem Thema.

Kein Zwang – gleiche Spielregeln

Ob nun Netzwerke oder Zentren – für Steinhart hängt es an der Praktikabilität: „Wichtig ist vor allem die Möglichkeit der Vielfalt und Individualität: kein Zwang und gleiche Spielregeln für alle.“ Lange Öffnungszeiten zum Beispiel nur dort, wo auch Bedarf dafür gegeben ist.
Ganz so neu sei das alles gar nicht, so der ÖÄK-Vizepräsident: In Wien gibt es in Penzing seit Jahren ein etabliertes Netzwerk. An Verkehrsknotenpunkten könnten wiederum Ärztezentren sinnvoll sein. Auch die gäbe es schon „ohne Zutun der Politik“. Wichtig: „Der Arztberuf als freier Beruf sollte erhalten bleiben.“ Wer aber als Arzt im Angestelltenverhältnis arbeiten wolle, solle das auch können. Und: „Um die Spitäler sinnvoll zu entlasten, wie es in zahllosen Regierungserklärungen als Ziel definiert ist, brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Praxen. In Österreich 1.300 Kassenpraxen mehr.“

Kein Allheilmittel

Was sich wirklich durchsetzen wird, ist noch nicht klar. Dr. Gert Wiegele, Kärntner Allgemeinmediziner und Bundeskurienobmann-Stellvervetreter der niedergelassenen Ärzte in der ÖÄK: „Wir haben in Kärnten noch keine solchen Netzwerke.“ Die Versorgung der Bevölkerung durch die niedergelassenen Ärzte in Österreich funktioniere gerade deshalb so gut, weil eben eigenverantwortliche Ärzte als Freiberufler tätig seien. „In den nordischen Staaten geht man schon wieder weg von den angestellten Ärzten.“
Ein Allheilmittel für die Defizienzen der österreichischen Gesundheitspolitik sind Ärztenetzwerke allerdings auch nicht. „Solange man die Patientenströme nicht in irgendeiner Form steuert, wird das nicht funktionieren. Da können die Kollegen die Ordinationen so lange offen halten, wie sie wollen.“ Im Spital gebe es Röntgen, Labor etc. – für jeden Selbstzuweiser und für jede Lappalie.