Bedeutung der NSAR in der Schmerztherapie

Die nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) wirken peripher und zentral, wobei ein wesentlicher Anteil der therapeutisch genutzten Effekte und der unerwünschten Wirkungen auf die Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase (COX), und die daraus resultierende Hemmung der endogenen Prostaglandinsynthese, zurückzuführen ist. Prostaglandine sind Gewebshormone, die Schmerz, Entzündung und Fieber auslösen, aber auch normale Organfunktionen steuern. Die COX-1-Produkte sind bedeutsam für die initiale Phase der akuten Entzündung; die COX-2 muss erst innerhalb von Stunden aufreguliert werden. Nichtselektive NSAR hemmen beide COX-Isoformen, die sogenannten COXibe selektiv nur die COX-2 (Abb. 1–2).

 

 

Pharmakokinetik

Die Kinetik der NSAR zeichnet sich durch gute enterale Resorption, hohe Plasmaeiweißbindung, gute Verteilung in entzündetes Gewebe und unterschiedliche hepatische Abbauwege aus. Die Diffusion der Substanzen in das leicht saure Milieu von Entzündungsherden und Synovialflüssigkeit ist durch den Säurecharakter der meisten NSAR gewährleistet.
Die NSAR akkumulieren und persistieren im entzündeten Gewebe und in der Synovialflüssigkeit entzündeter Gelenke – dies gewährleistet eine längere analgetische Wirkung als es der Plasmahalbwertszeit entspricht. Die Elimination unveränderter Substanzen und inaktiver Metaboliten erfolgt renal und biliär. Die Halbwertszeiten der einzelnen Substanzen sind hierbei bestimmend für ihre Wirkungsdauer (Abb. 3–4).

 

 

Therapeutische Anwendung der NSAR

Ein rascher Wirkeintritt ist bei akuten Schmerzen wichtig; ein verzögerter Wirkeintritt verleitet nur zur Überdosierung mit letztendlich mehr Nebenwirkungen. Aufgrund ihrer starken antiphlogistischen Wirkkomponente eignen sie sich besonders gut zur Therapie von Schmerzen, die auf eine Entzündung zurückzuführen sind. NSAR haben bei Einzeldosis-Studien in akuten Schmerzsyndromen eine sehr gute „number needed to treat“ – NNT = 2–3 für 50 %Schmerzreduktion über 4–6 Stunden.

Typische Indikationen sind

  • Entzündungen assoziiert mit muskuloskelettalen Störungen wie Osteoarthritis, rheumatoide Arthritis, Gicht, Tendinitis, Verstauchung, Überbelastung; ferner spondylogene Schmerzsyndrome und extraartikulärer Rheumatismus. Schmerzen und Schwellung werden reduziert, die eingeschränkte Mobilität wird verbessert.
  • Schmerzen im Sport – hier sind NSAR die wichtigste medikamentöse Unterstützung. NSAR bei akuter Knöchelverstauchung – die Benefits überwiegen die Risiken bei Weitem. Aber cave: Schmerzmittelgebrauch im Sport kann schon bei Jugendlichen zu Missbrauch führen!
  • Spannungskopfschmerz und Kopfschmerzen vom Migränetyp. Bei chronischen Formen ist der Gebrauch von NSAR auf 8–10 Tage monatlich zu beschränken.
  • postoperative Schmerzen, insbesondere wenn sie von Entzündungs- und Schwellungszuständen begleitet sind (zum Beispiel nach zahnärztlichen Eingriffen), und wenn schon vor der Operation Schmerzen vorhanden waren. Aber cave: NSAR postoperativ dürfen nur dann verabreicht werden, wenn kein Nachblutungsrisiko besteht!
  • schmerzhafte entzündliche Zustände in der Gynäkologie. NSAR hemmen die uterine Prostaglandinsynthese, die zu Krämpfen und verstärkter Blutung während der Menstruation führt. Acetylsalicylsäure, Naproxen, Ibuprofen und Mefenaminsäure sind zur Linderung von Menstruationsschmerzen sehr wirksam.
  • schmerzhafte entzündliche Zustände in der Hals-, Nasen-, Ohren-Heilkunde.

Umfangreiche klinische Studien zum Vergleich der Wirkstärke der gängigen NSAR Diclofenac, Naproxen und selektiven COX-2-Hemmer (COXibe) bei rheumatoider Arthritis und Osteoarthritis liegen vor. Insgesamt scheinen Naproxen 1.000 mg/d, Diclofenac 100 oder 150 mg/d, Ibuprofen 1.800–2.400 mg/d beziehungsweise Dexibuprofen 800–1.200 mg/d, Celecoxib 200 oder 400 mg/d und Etoricoxib 90 mg/d in Bezug auf die Wirksamkeit vergleichbar zu sein.
Zu beachten ist, dass bei kurz dauernden oder nur intermittierend auftretenden Schmerzen NSAR mit kurzer Halbwertszeit indiziert sind.

Nebenwirkungen der NSAR:

  • gastrointestinale Störungen
  • Nierenfunktionsstörungen
  • Blutdrucksteigerung
  • Thrombozytenaggregationshemmung
  • kardiovaskuläre Effekte
  • allergische Reaktionen

Für die gastrointestinalen Nebenwirkungen ist in erster Linie die Hemmung der COX-1 verantwortlich. Dadurch wird die Bildung von protektiven Faktoren der gastrointestinalen Mukosa, insbesondere im Säuremilieu des Magens, beeinträchtigt. Hohe lokale Substanzkonzentrationen der NSAR können auch direkt nach Bindung an Zellbestandteile oder Anreicherung in Mukosazellen zu einer Schädigung der gastrointestinalen Mukosa führen. Gastrointestinale Störungen treten häufiger bei den konventionellen NSAR, welche unselektiv die COX-1 und COX-2 hemmen, auf. COX-2-Inhibitoren führen demgemäß zu weniger gastrointestinalen Nebenwirkungen.
Der Mechanismus der kardiovaskulären Nebenwirkungen wird im Überwiegen der COX-2-Hemmung durch die nichtselektiven NSAR und im Besonderen in den selektiven COX-2-Inhibitoren gesehen. Während das in erster Linie über COX-1 gebildete Thromboxan-A2 (TXA2) die Plättchenaggregation fördert und vasokonstriktorisch wirkt, ist das von der COX-2 abhängige Prostazyklin (PGI2) für ein intaktes Gefäßendothel, für Vasodilatation und für die Hemmung der Plättchenaggregation verantwortlich. Diese Balance kann durch NSAR gestört werden: Alle hemmen die COX-2, viele aber nur unvollständig oder intermittierend die COX-1. Dadurch können Thromboxan-A2-Effekte überwiegen, es kann leichter zur Atherosklerose und Thrombozytenaggregation kommen.
Die Prostaglandine PGE2 und PGI2 sind für die Nierendurchblutung und Ausscheidungsfunktion mitverantwortlich. Deshalb sind Flüssigkeitsretention, eine geringe Blutdrucksteigerung und reversible Nierenfunktionseinschränkungen typische Nebenwirkungen, sowohl der konventionellen NSAR als auch der COXibe.

Einschätzung des gastrointestinalen und kardiovaskulären Risikos vor Beginn der NSAR-Therapie

Die Auswahl eines bestimmten NSAR, die Auswahl einer gastroprotektiven Begleitmedikation, beziehungsweise die Auswahl alternativer Therapien sollte schon aufgrund eines vorbestehenden Risikos erfolgen. In die gastrointestinalen Risiko- Scores, die bereits in großer Zahl publiziert sind, fließen Patientenfaktoren und Medikationsfaktoren mit ein: Alter > 70 Jahre, Magenulkusgeschichte, Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz, gleichzeitig Steroide, gleichzeitig Antikoagulanzien.
Bei der kardiovaskulären Risikoeinschätzung kann man sich an kardiovaskulären Ereignissen im abgelaufenen Jahr orientieren, beispielsweise ob Hospitalisierungen aufgrund von Koronarerkrankung oder Herzinsuffizienz vorliegen beziehungsweise ob eine zerebrovaskuläre oder periphere arterielle Erkrankung oder eine Hypertonie bestehen.
Zur Risikoreduktion gibt es eine Reihe von Maßnahmen. Sie beinhalten je nach Höhe des gastrointestinalen Risikos den Zusatz eines Magenschutzes zu traditionellen beziehungsweise unselektiven NSAR oder die Auswahl eines selektiven COX-2-Inhibitors. Der PPI schützt nur gegen Ulzera und Blutungen im oberen Gastrointestinaltrakt, NSAR können aber Perforationen, Obstruktionen und Blutungen auch im unteren Gastrointestinaltrakt auslösen. In dieser Hinsicht erweisen sich COXibe als überlegen. Bei hohem kardiovaskulären Risiko bietet sich Naproxen an. Sind sowohl gastrointestinales als auch kardiovaskuläres Risiko sehr hoch, ist auf eine alternative Schmerzmedikation auszuweichen (Paracetamol oder Opioide für die Langzeitgabe, Metamizol für kurzfristige Therapie).

Wechselwirkungen mit NSAR

Da in der Schmerztherapie nicht selten NSAR mit Antidepressiva kombiniert werden, ist bei Serotonin-Reuptake-Hemmern (SSRI und SNRI) in Kombination mit NSAR auf die verstärkte Blutungsneigung aufgrund der Thrombozytenfunktionshemmung der SSRI hinzuweisen. Auf verstärkte Blutungsneigung ist natürlich auch bei jeder Kombination von NSAR mit Antikoagulanzien, Heparinen oder weiteren Thrombozytenaggregationshemmern zu achten. Sollte eine niedrigdosierte Acetylsalicylsäure-Therapie aus kardiovaskulärer Indikation notwendig sein, so sollte dessen Einnahme immer 3–4 Stunden vor dem NSAR erfolgen. Weiters zu beachten sind eventuelle Abschwächungen der antihypertensiven Wirkung von ACE-Hemmern und Diuretika durch NSAR. Insbesondere bei älteren Patienten mit Multimorbidität und Polypharmazie sind die Wechselwirkungen mit NSAR zu beachten.

Wissenswertes für die Praxis
  • Bei Entzündungsschmerzen assoziiert mit muskuloskelettalen Störungen, bei Spannungskopfschmerz und Kopfschmerzen vom Migränetyp, bei postoperativen Schmerzen nach zahnärztlichen Eingriffen und bei Menstruationsbeschwerden sind die NSAR unverzichtbar.
  • Eine rasche Schmerzhemmung ist wichtig.
  • Die Risiken der NSAR-Analgetika sind bei kurzfristiger Einnahme gering, bei hoher Dosierung und Langzeitgabe zunehmend.
  • Risikofaktoren und Interaktionen sind zu beachten.