Breites Netz gegen Regierungspläne

Während die Regierung ihre genauen Pläne für die Zusammenlegung der Krankenversicherungen noch nicht im Detail vorgelegt hat, ist es nun zu einem überraschenden Schulterschluss aller Gebietskrankenkassen und aller Ärztekammern in den Bundesländern gekommen. Mit einer „Salzburger Deklaration“ melden sie sich lautstark zur geplanten Kassenfusion zu Wort. Sie fordern den Erhalt der regionalen Krankenversicherungen und der Selbstverwaltung sowie der autonomen Finanzierung. Und das ist erst der Anfang: Bis Anfang Juni sollen zahlreiche weitere Partner ins Boot geholt werden. Der Regierung könnte damit eine breite Allianz gegenüberstehen.

Chance in Regionalität

Die Gesundheitsversorgung sei regional und müsse sich an den Menschen orientieren und daher möglichst wohnortnahe sein, heißt es in der Deklaration. „Gleiches gilt für die Strukturen der Gesundheitsverwaltung. Eine optimale Organisation der Versorgung setzt voraus, dass Probleme im Detail bekannt sind, um flexible, den regionalen Gegebenheiten angepasste Lösungen zu finden. Regionale Entscheidungen sind nah bei denjenigen, die von ihnen betroffen sind. Dies ist der Kerngedanke des Subsidiaritätsprinzips.“
Wie berichtet, plant die Regierung eine Zusammenlegung aller Gebietskrankenkassen zu einer Österreichischen Krankenkasse (ÖKK), die Fusion der SVA der Bauern mit der SVA der gewerblichen Wirtschaft und möglicherweise die Auflösung der Unfallversicherung, sollte diese nicht bis Jahresende 500 Millionen Euro einsparen. Gleichzeitig soll die Beitragseinhebung zentralisiert und dem Finanzministerium übertragen werden. Für diese Zentralisierung brauchen ÖVP und FPÖ allerdings eine der Oppositionsparteien. Ohne Verfassungsänderung wird es nämlich nicht gehen, sind die Sozialversicherungen doch selbstverwaltet und damit unabhängig.
Die Organisation der ambulanten Versorgung durch Selbstverwaltungsorganisationen von Dienstnehmern, Dienstgebern und Ärzten habe sich bewährt, immer wieder Modernisierungsschritte gesetzt und auch Leistungen ausgebaut, schreiben Ärzte und Kassen gemeinsam. Durch die regionale Präsenz von Gebietskrankenkassen und der Ärztevertretung habe sich ein gut organisiertes und effizientes Netzwerk etabliert, das die Patienten in den Fokus rücke. Nur eine Gesundheitsversorgung, die nahe am Menschen ist, garantiert rasche und effektive Hilfe.
Bei der Pressekonferenz bezeichnete der Salzburger-GKK-Obmann Andreas Huss die Pläne der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ als „De-facto-Verstümmelung der Selbstverwaltung“, der Salzburger-Ärztekammer-Präsident Dr. Karl Forstner warnte vor „reinen Vasallen-Kassen“. Bei diesem „zentralen Versicherungsmoloch“ würden im Westen die Beiträge bezahlt und im Osten – sprich: Wien – Posten geschaffen, kritisierte Huss. Man bekenne sich zu einer konstruktiven und gemeinsamen Weiterentwicklung des Gesundheitssystems. „Eine Zerschlagung der sicheren und leistungsstarken Netzwerke auf Landesebene zugunsten einer zentralistischen Struktur auf Bundesebene lehnen wir ab.“
Die Politik müsse sich entscheiden, was sie wolle, kritisiert auch der Vizepräsident der österreichischen Ärztekammer und Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte, MR Dr. Johannes Steinhart. „Man wünscht sich mehr Zuwendungsmedizin, will es aber nicht bezahlen. Hier gibt es Vorstellungen und eine Produktionslogik, die nicht zusammenpassen. Der erste Patient und der 73. Patient wollen gleich und mit gleichem Aufwand behandelt werden. In Zuwendung gibt es kein Wenn und Aber – ich kann nicht schneller zuhören.“ Es brauche gerade deshalb eine drastische Aufwertung der Allgemeinmedizin und gleichzeitig mehr Wertschätzung.

Widerstand aus den Bundesländern

Auch Vertreter der Bundesländer wehren sich bereits gegen die Pläne der Regierung. Selbst wenn also eine Zweidrittelmehrheit gelingt, könnte die Reform in der Länderkammer des Bundesrates scheitern. Aus Salzburg sagte Landeshauptmann-Stellvertreter und Gesundheitsreferent Christian Stöckl (ÖVP) bereits Unterstützung für die Salzburger Deklaration „insofern zu, dass auch weiterhin die regionalen Bedürfnisse berücksichtigt und die Entscheidungsbefugnisse vor Ort und das bewährte System der Selbstverwaltung aufrechterhalten werden müssen“. Ähnliche Töne kamen auch aus Vorarlberg, Tirol und Oberösterreich. Dort hatten Gebietskrankenkasse und Ärztekammer zuletzt mehr als 70.000 Unterschriften gegen eine Zusammenlegung der Kassen gesammelt.
Doch nicht nur die Kassenreform sorgt derzeit für Debatten im Gesundheitswesen. Auch in anderen Bereichen soll es Änderungen geben. Bei einem Symposium der Ärztekammer in Wien kündigte Gesundheitsministerin Mag. Beate Hartinger-Klein an, den Obersten Sanitätsrat komplett umbauen zu wollen. „Medizinische Fachgesellschaften und die Wissenschaft sollen die Themen vorgeben. Die Kämmerer sollen raus“, erklärte Hartinger-Klein in Richtung Ärztekammer. Neuer Vorsitzender des wichtigsten Beratungsgremiums in gesundheitspolitischen und medizinischen Fragen soll Univ.-Prof. Dr. Markus Müller, Rektor der Medizinischen Universität Wien, werden. Er habe ihr bereits zugesagt, dafür zur Verfügung zu stehen, sagte Hartinger-Klein.

 

 

EMA: Deshalb kam Österreich zu kurz
Über ein Jahr bereitete sich Österreich darauf vor, die nach dem Brexit aus London absiedelnde Europäische Medikamenten-Agentur (EMA) nach Wien zu holen. Lange galt Österreich unter den zahlreichen Bewerbern um die mehr als 1.000 Jobs als Favorit. Bei der Entscheidung im vergangenen Herbst fiel Österreich dann gleich im ersten Wahlgang durch. Dabei hatte man das beste Angebot gelegt, waren sich Experten beim jüngsten Gesundheitspolitischen Forum von Karl Landsteiner Gesellschaft und Ärzte Krone einig. Und sie zeichneten ein wenig rühmliches Bild der heimischen Diplomatie und Arbeit des damaligen Außen- und des Wirtschaftsministeriums. „Das echt relevante politische Lobbying hat hier nicht funktioniert. In Wahrheit hätten wir uns die Arbeit sparen können, wir hätten einfach in Brüssel Tag und Nacht rennen müssen“, sagte SVA-Vize-Obmann, KR Mag. Andreas Herzog, der intensiv in die Angebotsplanung eingebunden war. Österreich habe keine einheitliche Struktur im Lobbying gehabt, eine Politik, die an dem Ganzen nicht interessiert war, und eine Diplomatie, die nicht funktioniert hat, konstatierte die ehemalige Gesundheitsministerin Dr. Andrea Kdolsky. Ihr Fazit ließ auch den ehemaligen Außenminister und aktuellen Bundekanzler Sebastian Kurz – den niemand explizit nennen wollte – nicht gut aussehen. Kdolsky: „Ein Wahlkampf ist ein Wahlkampf, aber dennoch kann ich mich für so eine Sache einsetzen. Natürlich muss man etwas anbieten. Die Diplomatie hat hier versagt. Hier hat man nicht an einem Strang gezogen.“