Das breite Spektrum der Divertikelerkrankung des Kolons

Definition und Epidemiologie

Bei der Divertikulose des Kolons handelt es sich Bei der Divertikulose des Kolons handelt es sich
im Wesentlichen um sogenannte „Pseudodivertikel“ (auch als „falsche Divertikel“ bezeichnet):
Dabei stülpen sich lediglich Mukosa und Submukosa durch Lücken der Muscularis sackartig nach außen (im Gegensatz dazu liegt bei „echten Divertikeln“ eine Ausstülpung aller Wandschichten vor.)

Divertikel des Kolons sind in europäischen Populationen sehr häufig. Ihre Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter deutlich an: Sie beträgt bei 40-Jährigen noch unter 20 % und steigt bis zum 60. Lebensjahr auf 60 % an. Am häufigsten ist das Colon sigmoideum betroffen: Etwa 95 % aller Patienten mit Divertikulose weisen einen Befall des Sigmas auf. Häufig ist das gesamte Kolon in unterschiedlicher Dichte betroffen; ein isolierter Befall eines Segmentes proximal des Sigmas wird nur bei etwa 5 % beobachtet. Im Unterschied zu Kaukasiern findet sich bei Afrikanern und Asiaten häufiger eine Divertikulose der rechten Kolonhälfte. Während der vergangenen Jahrzehnte wurde über eine deutliche Zunahme der Divertikuloseprävalenz in der westlichen Hemisphäre berichtet. Ähnliches gilt auch für Einwohner asiatischer Länder, die einen westlichen Lebensstil angenommen haben.

Risikofaktoren und Pathogenese

Groß angelegte epidemiologische Studien zeigen eine Assoziation der Kolondivertikulose
mit zahlreichen Lebensstilfaktoren: So wurde bei Personen mit einem hohen Konsum an rotem Fleisch und ballaststoffarmer Diät, mit geringer körperlicher Aktivität, hohem BMI und Nikotinkonsum eine signifikant erhöhte Prävalenz beschrieben. Kolondivertikel entstehen an vorbestehenden Schwachstellen der Ringmuskulatur der Kolonwand – insbesondere an jenen Stellen, an welchen Blutgefäße durch diese Muskelschicht durchtreten. Eine abnorme Motilität des Kolons und andere Faktoren, die zu einer Erhöhung des intraluminalen Druckes im Kolon führen, spielen daher in der Pathogenese der Divertikulose eine zentrale Rolle. Es wurde beschrieben, dass bei Patienten mit Divertikulose vermehrte segmentale Kontraktionen auftreten, die zu einer intraluminalen Druckerhöhung führen und auf diese Weise die Herniation innerer Wandschichten durch die Muscularis an präformierten Schwachstellen begünstigen. Aus der Tatsache, dass entsprechend dem Laplace-Gesetz der Druck indirekt proportional zum Radius des Darmes und das Colon sigmoideum der Kolonabschnitt mit dem relativ geringsten Durchmesser ist, wird verständlich, warum das Sigma die Prädilektionsstelle für das Auftreten von Divertikeln darstellt.

Klinische Manifestationen von Kolondivertikeln

Das Spektrum klinischer Manifestationen einer Divertikulose des Kolons ist sehr
breit und reicht von der asymptomatischen Divertikulose über die symptomatische
unkomplizierte Divertikelerkrankung, die divertikelassoziierte segmentale Kolitis bis
zur akuten Divertikulitis und möglichen Komplikationen wie Divertikelblutung,
Abszessbildung, Perforation, Fistelbildung oder Ileus.

Asymptomatische Divertikulose

Die meisten Personen mit Divertikulose entwickeln nie in ihrem Leben relevante
Symptome, und die Diagnose stellt einen Zufallsbefund etwa im Rahmen einer Vorsorgekoloskopie dar. Bei diesen Patienten besteht keine Indikation zu einer prophylaktischen
Therapie. Es wird lediglich eine ballaststoffreiche Diät sowie eine ausreichende tägliche Flüssigkeitszufuhr empfohlen, da vermutet wird, dass durch diese Maßnahmen einerseits das Auftreten einer Obstipation und einer daraus resultierenden intraluminalen Druckerhöhung vermieden und andererseits über eine Veränderung des Mikrobioms das Risiko des Auftretens einer Inflammation und in der weiteren Folge einer symptomatischen Divertikelerkrankung
reduziert werden kann.

Symptomatische unkomplizierte Divertikelerkrankung

Bei der symptomatischen unkomplizierten Divertikelerkrankung besteht zwar keine makroskopisch sichtbare oder laborchemisch fassbare Entzündung, jedoch leiden die Patienten unter abdominellen Schmerzen, die von dem von der Divertikulose befallenen Kolonsegment – meist dem Sigma – ihren Ausgangspunkt nehmen. Es gibt, sowohl was die Klinik als auch was die Pathogenese betrifft, eine Überschneidung zwischen symptomatischer unkomplizierter Divertikelerkrankung und Colon irritabile: Ähnlich wie beim Colon irritabile scheint eine viszerale Hypersensitivität vorzuliegen – in dem Sinne, dass Dehnungsreize zu einer gesteigerten Schmerzwahrnehmung führen. Zusätzlich wird vermutet, dass eine geringgradige – möglicherweise bakteriell getriggerte und nur histologisch nachweisbare – Inflammation eine Rolle bei der Pathogenese spielt. Durch eine Metaanalyse konnte bestätigt werden, dass durch eine längerfristige Gabe des (praktisch nicht resorbierbaren) Antibiotikums Rifaximin (jeweils eine Woche Therapie gefolgt von drei Wochen Pause) in Kombination mit Ballaststoffen eine signifikante klinische Besserung erzielt werden kann. Die Wirksamkeit von Mesalamine wird kontroversiell beurteilt.

Divertikelassoziierte segmentale Kolitis

Die divertikelassoziierte segmentale Kolitis wird seit einiger Zeit als eigene Entität betrachtet, bei welcher eine makroskopisch sichtbare Entzündung der Schleimhaut zwischen den Divertikeln besteht, ohne dass eine relevante Inflammation der Divertikelöffnungen vorliegt. Es handelt sich um ein relativ seltenes Krankheitsbild mit einer Prävalenz von 0,3 bis 1,5 %, bezogen auf die Gesamtheit aller Patienten mit Divertikulose. Die Pathogenese ist noch weitgehend ungeklärt; diskutiert werden unter anderem fäkale Stase, lokale Ischämie sowie Veränderungen des Mikrobioms. Typische Symptome sind chronische Diarrhö, meist im linken Unterbauch lokalisierte Bauchschmerzen sowie Hämatochezie. Die Diagnose wird meist endoskopisch gestellt; je nach makroskopischem Befund und Histologie werden 4 Subtypen unterschieden. Als First-Line-Therapie werden von den meisten Autoren Antibiotika empfohlen. Bei fehlendem Ansprechen können Mesalamine und Kortikosteroide verabreicht werden.

Akute Divertikulitis – Klinik und Therapie

Einer akuten Divertikulitis liegt immer zumindest eine Mikroperforation der Divertikelwand zugrunde. Früher wurde vermutet, dass die Perforation durch eine Erhöhung des intradivertikulären Druckes – durch eine Obstruktion des Divertikeleinganges durch Fäkolithen – verursacht wird. Heute hingegen wird die Hypothese favorisiert, dass die Mikroperforationen durch Erosionen, die als Folge einer Erhöhung des intraluminalen Druckes entstehen, oder durch Partikel von Nahrungsmitteln ausgelöst werden.

Das klassische Symptom einer akuten Divertikulitis sind Schmerzen im linken Unterbauch, die bei schwerem Verlauf mit Fieber und entsprechender Allgemeinsymptomatik kombiniert sind. Im Labor sind Entzündungsparameter (wie Leukozyten  und CRP) meist deutlich erhöht. Die Diagnose wird klinisch vermutet und anschließend durch bildgebende Verfahren (Sonografie oder CT) bestätigt. Bei klinischem Verdacht auf akute Divertikulitis ist eine Koloskopie kontraindiziert, da die Gefahr bestünde, durch die endoskopischen Manipulationen und die gleichzeitige Luftinsufflation eine bestehende gedeckte Perforation in eine offene umzuwandeln. Eine unkomplizierte akute Divertikulitis kann meist ambulant behandelt werden; bei schwerer Symptomatik beziehungsweise bei Vorliegen von Komplikationen ist eine stationäre Aufnahme nötig.

Im Rahmen der Therapie einer unkomplizierten Divertikulitis werden im Allgemeinen Breitspektrumantibiotika über 7 bis 10 Tage verabreicht, obwohl die Wirksamkeit dieser Maßnahme durch klinische Studien nie wirklich bewiesen werden konnte und daher umstritten ist. Von den meisten Autoren wird in dieser Phase eine ballaststoffarme Diät empfohlen.

Rezidivrisiko
. Nach Abheilung einer unkomplizierten akuten Divertikulitis beträgt das Risiko des Auftretens eines neuerlichen Schubes etwa 30 %. Nach wie vielen Schüben einer unkomplizierten akuten Divertikulitis ein operatives Vorgehen gewählt wird, sollte je nach Patient individuell entschieden werden. Zur Prophylaxe weiterer Schübe werden eine ballaststoffreiche Ernährung sowie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr empfohlen.

Bei offener Perforation ist eine sofortige chirurgische Intervention nötig. Kleine Abszesse sprechen oft gut auf antibiotische Therapie an, während bei größeren Abszessen meist eine zusätzliche perkutane Drainage indiziert ist. Nach komplizierter akuter Divertikulitis sollte – auch wenn diese konservativ gemanagt werden konnte – mit dem Patienten eine chirurgische Sanierung diskutiert werden, da in dieser Situation das Risiko des neuerlichen Auftretens schwerer Schübe erhöht ist.

Literatur beim Verfasser