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„Der Sommer war auch für die Teams belastend“

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Herr Prim. Valipour, wie geht es Ihnen nach zweieinhalb Jahren COVID-19-Pandemie?

Es waren zwei sehr herausfordernde Jahre mit wahrlichen Höhen und Tiefen. Die Tiefen waren die Mehrbelastung und die Unsicherheit, vor allem am Anfang, als noch vieles unklar war sowohl was das Virus selbst betrifft, die mangelnden Ressourcen, die Lockdowns als auch die Belastung im Team. Die Höhen waren die medikamentösen Entwicklungen, die Impfung, die auf den Markt gekommen ist und die zu einer wesentlichen Entspannung auf den Intensivstationen beigetragen hat, und die Veränderung des Virus selbst, das mit dazu beigetragen hat, dass dieser Erkrankung zumindest ein gewisser Schrecken genommen wurde. Wobei wir nach wie vor in der Pandemie sind und sicher noch einen langen Weg vor uns haben werden.

Was erwarten Sie konkret für den Herbst?

Wir haben in Hinblick auf das Virus schon einen sehr belasteten Sommer gehabt. Die fünfte Welle, die im Herbst erwartet wurde, hat jetzt schon im Sommer ihren Ausgang genommen. Es ist auch noch nicht klar, ob sie jetzt abflacht, oder ob sie durch den Schulbeginn und die Reiserückkehrer vielleicht noch einmal beschleunigt wird. Ich erwarte mir, so wie viele andere Expertinnen und Experten auch, sicherlich keinen wesentlichen Abfall der Infektionszahlen – vielleicht einen leichten Anstieg, aber dann ein gewisses Plateau, bedingt durch einen relativ hohen Immunschutz, einerseits aufgrund der Impfungen, andererseits durch schon viele durchgemachte Infektionen. Gerade die Kombination aus Infektion und vorher durchgeführter Impfung bietet einen relativ guten Schutz, teilweise auch über mehrere Monate, sodass dadurch die Infektionszahlen vielleicht nicht ganz so hoch ausfallen, wie es vielleicht in den letzten Wintersaisonen der Fall war. Die große Unbekannte ist, ob es neue Mutationen und neue Virusvarianten gibt. Das könnte natürlich, wie so oft, die Karten neu mischen.

Wie bereiten Sie Ihre Station vor?

In der Klinik Floridsdorf bzw. im Wiener Gesundheitsverbund haben wir einen Stufenplan, der sich daran orientiert, wie viele Patient:innen mit COVID-19 aufgenommen werden. Innerhalb dieses Stufenplans wird eine gewisse Anzahl an Betten sowohl im Intensivbettenbereich als auch im Normbettenbereich für die COVID-Versorgung vorgehalten. In den meisten Fällen sind die auch gut belegt. Und dann müssen wir auch einmal nach oben eskalieren, was so viel bedeutet wie mehr Betten für COVID vorhalten, mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen einer vielleicht auch geringeren Kapazität für den Non-COVID-Bereich. Das hat sich etwas entspannt im Vergleich zum Herbst und Winter 2020/21. Hier bin ich einmal vorsichtig optimistisch, dass wir mit den in Summe niedrigeren Vorhaltekapazitäten im Spitalsbereich hoffentlich das Auslangen finden. Wir sind aber vorbereitet, wir haben einen Plan, und die Teams sind mittlerweile sehr gut gerüstet im Management dieser Patient:innen.

Sind Ausfälle beim Personal ein Thema?

Ausfälle beim Personal spiegeln in den meisten Fällen die Infektionszahlen in der Bevölkerung wider. Jeder Mensch ist nicht nur eine Angestellte oder ein Angestellter im Krankenhaus, sondern auch eine Privatperson. Wenn die Infektionszahlen hoch sind, kommt es auch entsprechend zu Krankenständen. Der Sommer war auch belastend für die Teams. Denn durch die Kombination aus weiterhin bestehender COVID-Versorgung plus geplanten Urlauben und Krankenständen war die Belastung für jene, die im Arbeitsalltag und Spitalsalltag tätig sind, sehr hoch. Andererseits war es uns wichtig, all den Mitarbeiter:innen relativ großzügig die Urlaube zu ermöglichen, die vielleicht in den letzten Jahren nicht so großzügig genommen werden konnten. Also das war eigentlich ein Zusammenhalten in der Zeit: Wenn man da ist, muss man ein bisserl mehr arbeiten, dafür kann man sich auch seinen Urlaub gönnen. Ich glaube, das haben wir ganz gut hinbekommen.

Die Omikron-Variante ist extrem ansteckend – welche Rolle spielen Mehrfachinfektionen schon jetzt in Bezug auf den Herbst?

Wir wissen, dass es innerhalb von Omikron wieder verschiedene Subvarianten gibt. Wir haben gesehen und auch gelernt, BA.5 beispielsweise kann durchaus auch eine Infektion verursachen, selbst wenn man mit BA.1 oder BA.2 angesteckt wurde – und auch unabhängig von den vorhergehenden Infektionen. Daher sehen wir auch Patient:innen, die Mehrfachinfektionen gehabt haben. Tendenziell ist es nach wie vor so, dass der Schweregrad dieser Infektionen höher ist bei Personen, die ungeimpft sind, auch wenn sie Mehrfachinfektionen hinter sich gebracht haben.

Spiegelt sich das bei Ihnen auf der Station wider?

Ja, wir sehen, dass sich mehrere Faktoren bestätigen. Zum einen das Faktum, ob jemand geimpft ist oder nicht, zum zweiten die Risikofaktoren für COVID-19, sprich immunsuppressive Erkrankungen oder immunsuppressive Medikation, chronische Atemwegserkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen und so weiter. Und der zweite wesentliche Punkt ist, wie lange die letzte Impfung her ist. Also wenn jemand, der eine chronische Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankung hat, noch dazu seinen dritten Stich länger als sechs Monate zurückliegen hat, ist nach wie vor das Risiko für einen schweren Verlauf gegeben.

In der letzten Zeit kommen immer mehr medikamentöse Therapieoptionen auf den Markt. Welche Optionen gibt es, und wie setzen Sie diese ein?

Hier muss man unterscheiden zwischen den Medikamenten, die wir im niedergelassenen Bereich bereits einsetzen können, und denen, die wir im Krankenhaus zur Verfügung haben. Im niedergelassenen Bereich stehen uns nun zwei antivirale Medikamente zur Verfügung: das bereits zugelassene Nirmatrelvir, das jetzt schon seit einem halben Jahr in Verwendung ist. Das ist ein antivirales Medikament, das idealerweise so früh wie möglich – sprich: in den ersten drei bis fünf Tagen nach Symptombeginn – verabreicht werden sollte und zu einer deutlichen Senkung des Risikos für einen schweren Verlauf oder Mortalität führt. Ähnlich gibt es nun seit erstem September Molnupiravir, das über ein so genanntes Compassionate-Use-Programm zur Verfügung steht. Das heißt, das hat ein bisschen mehr Aufwand, wenn es jetzt um die Logistik geht, kann aber jetzt auch abgerufen und verordnet und über die Apotheke abgeholt werden. Auch dieses Medikament soll idealerweise so früh wie möglich eingesetzt werden. Es hat gegenüber Nirmatrelvir den Vorteil, dass es weniger medikamentöse Wechselwirkungen und Interaktionen gibt. Auf der anderen Seite hat Nirmatrelvir wieder den Vorteil, dass es scheinbar im indirekten Vergleich ein potenteres Medikament sein dürfte.

Wie sieht es im Krankenhaus aus?

Im Krankenhaus gibt es eine Reihe von zusätzlichen Behandlungsoptionen. Zum einen Remdesivir, das antivirale Medikament, das man i. V. verabreichen kann und wo auch gezeigt wurde, dass zwar nicht beim schweren Verlauf, aber beim mild/moderaten Verlauf ähnlich wie bei den antiviralen Medikamenten ein schwerer Verlauf verhindert werden kann.Die Therapie mit monoklonalen Antikörpern hat bis zu BA.4/BA.5 Gültigkeit. Das ist jetzt ein bisschen umstritten, ob das jetzt mit diesen neuen Virusmutationen immer noch die gleiche Effektivität besitzt, da sind entsprechende Studien noch ausständig. Und es gibt natürlich die herkömmliche Therapie mit systemischem Kortison oder Immunmodulatoren im Krankenhaus.

Vielen Dank für das Gespräch!