Diagnostik und Behandlung von peripheren neuropathischen Schmerzen

Neuropathischer Schmerz ist eine Neuropathie mit Schmerzen. Neben der Schmerzsymptomatik ist nach Hinweisen auf eine Nervenschädigung zu suchen. Gegensätzliche Symptome sind möglich, so können neben sensiblen Aus­fällen gleichzeitig auch Symptomverstärker beobachtet oder beschrieben werden. Beispielsweise ist eine Hypästhesie auf Be­rühr­ung, Missempfinden und Hitzeüberempfindlichkeit gleichzeitig möglich.

Häufige Ursachen und seltene Krankheitsbilder

Häufige Ursachen der Polyneuropathie sind Diabetes mellitus und Alkoholismus sowie als Folge einer Chemotherapie. Seltene Erkrankungen sind im Zusammenhang mit dem Sjögren-Syndrom, der Sarkoidose, einer Hypothyreose (aktuelle auch nach der postviralen Thyreoiditis de Quervain) und bei HIV oder Hepatitis C zu bedenken. Alle Engpasssyndrome wie Karpal- oder Tarsaltunnelsyndrom und Schädigungen von Nerven wie nach Nervenverletzungen durch Schnittverletzung und Narbenschmerzen nach Operationen sind typisch und häufig. Die Postzosterneuralgie ist eine weitere schmerzhafte Neuropathie. Seltene Erkrankungen wie Morbus Fabry, Amyloidose und die Erythromelalgie zählen heute zu den ­Diagnosen, an die Expert:innen immer denken, ehe „idiopathische“ Ursachen als Sammelbegriff unklarer Genese genannt werden.

Diagnostik

Bei der klinischen Untersuchung wird sowohl nach einer neurologischen Ausfallssymptomatik gesucht als auch danach, ob Schmerzen ausgelöst werden können. Dieser provozierte Schmerz kann in der klinischen Routine mit einem Tupfer oder einem kleinen Pinsel untersucht werden. Berührung löst Schmerzen aus (Allodynie). Außerdem werden spitze Nadeln – gelegentlich auch ein einfacher Zahnstocher – zur Untersuchung der mechanischen Hyperalgesie verwendet und Kälte- oder Hitzereize über temperierte Untersuchungsinstrumente appliziert. Diese Untersuchung reicht für die meisten Patient:innen aus. Bei unklaren Dia­gnosen erfolgt stufenweise eine erweiterte Diagnostik.

Sensorische Störungen der Small-Fiber-Neuropathie werden mit der thermischen quantitativen sensorischen Testung (QST) untersucht. Die Nervenleitgeschwindigkeit ist für die Untersuchung dieser kleinkalibrigen Nervenfasern ungeeignet, denn eine normale Nervenleitgeschwindigkeit schließt eine Small-Fiber-Neuropathie nicht aus. Die Nervenleitgeschwindigkeit bestätigt im Wesentlichen den bereits klinisch deutlich ausgeprägten Untersuchungsbefund, wenn die gesamten peripheren Nerven betroffen sind. Eine Small-Fiber-Neuropathie wird nach der QST mit einer kleinen (2–5 mm) Haut­biopsie untersucht und die Anzahl an kleinkali­brigen Nervenfasern histologisch bestimmt. Die Vorstellung in einer Genetik-Sprech­stunde ist angesichts der modernen Gendiagnostik immer bei ungeklärter Genese zu veranlassen.

Behandlung

Die Behandlung des neuropathischen Schmer­zes unterscheidet sich von jener herkömmlicher Schmerzen in mehrfacher Hinsicht, da die herkömmlichen Schmerz­mittel wirkungslos sind. Geeignet sind systemische und topische Nervenmedikamente und Opioide. Zur Verfügung stehen die modernen Antikonvulsiva (Gabapentin, Pregabalin), die modernen Antidepressiva (z. B. Duloxetin, nicht jedoch die SSRI) und Opioide. Entscheidend für eine erfolgreiche Therapie ist das individuelle Ansprechen. Es zählt zur besonderen Herausforderung bei der Behandlung des neuropathischen Schmer­zes, diejenigen Patient:innen herauszufinden, die auf das jeweilige Medikament gut ansprechen. Entsprechend behutsam und auch zeitintensiv muss die Suche nach dem jeweils wirkenden Medikament teilweise über mehrere Wochen durchgeführt werden.

In dieser Situation bieten topische Behandlungen der Neuropathie mit Capsaicin- oder Lidocain-Pflastern den Vorteil einer raschen Überprüfung der Wirkung. Anzumerken ist, dass der Erstattungscodex derzeit zunächst eine systemische Behandlung vor der topischen verlangt.

Praktisches Vorgehen

Bei alten und kranken Patient:innen spielen die möglichen Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten eine wesentliche Rolle bei der Auswahl. Es hat sich bewährt, die Risikofaktoren für ­Nebenwirkungen zentral wirkender Medikamente vor der Therapie genau zu erfassen. Ein weiterer Faktor ist die Dringlichkeit. Opioide können häufig schnell gesteigert werden. Antidepressiva hingegen benötigen zwei bis drei Wochen bis zur Wirksamkeit. Die Auswahl erfolgt also nach dem Nebenwirkungsprofil, der therapeutischen Breite und Dringlichkeit. Dasselbe gilt für topische Behandlungen.

Für alle Medikamente mit zentralnervösen Nebenwirkungen ist eine behutsame Dosisfindung erforderlich. Antikonvulsiva ebenso wie Antidepressiva mit sedierenden Nebenwirkungen werden in kleinen, zum Teil ­anfänglich wirkungslosen Dosierungen verordnet, um eine Adaption der Neben­wir­kungen über längere Zeit zu erreichen. Dies erfordert häufig viel Zeit und möglicherweise mehrere Behandlungsversuche, um das individuelle Ansprechen und die Verträglichkeit optimal herauszufinden. Schmerzfreiheit mit nur einem Medikament ist nicht bei allen Patient:innen möglich. Oft wird in der klinischen Praxis eine Kombinations­behandlung die beste Lösung bringen. Erfolglose Behandlungen oder langfristig nicht zu tolerierende Nebenwirkungen sollten an die Möglichkeit invasiver Schmerz­therapie denken lassen. Dazu zählt die ­Im­plantation von epiduralen Stimulationselektroden. In diesem Fall ist eine Über­weisung zu Schmerzspezialist:innen empfohlen.