„Die Ärzteschaft ist sehr verletzt“

Kränkungen und Demütigungen an der Tagesordnung

Eine anerkennende, wertschätzende Haltung den Ärzten gegenüber sollte selbstverständlich sein, würde man meinen. Dürfte aber nicht so sein, wie VP Dr. Johannes Steinhart anmerkt: „Ich habe den Eindruck, dass sich bei immer mehr Kollegen ein Gefühl des Unbehagens ausbreitet, und ich beobachte zunehmend, dass sich das zu einem Trend auszuwachsen beginnt. Viele fühlen sich von Gesundheitspolitik, Kassen und Spitalshaltern gegängelt und gemaßregelt. Sie fühlen sich in ihrem beruflichen Handeln nicht ausreichend respektiert. Oft fallen Begriffe wie ‚Kränkung‘ und ‚Demütigung‘.“
Der verbreitete Mangel an Wertschätzung sei wohl ein Wesenselement unserer modernen Leistungsgesellschaft, meint Steinhart. „Eine Ursache davon ist die sich verschärfende Tendenz, Menschen als ‚Humanressource‘ und somit vorwiegend als Kostenfaktor zu sehen. Und die Absicht, ihre Leistungen möglichst billig zu bekommen und ihr Handeln bestmöglich zu optimieren, reglementieren und kontrollieren. Das gilt auch für unser Gesundheitssystem, und natürlich blieben auch wir Ärztinnen und Ärzte vom Trend der rückläufigen Wertschätzung nicht verschont.“
Allerdings zeige sich hier auch einmal mehr die enorme Kluft zwischen den Bürgern, die ihre Ärzte wertschätzen, und ihren politischen Repräsentanten. Der Befund der abnehmenden Wertschätzung gilt definitiv nicht für die generelle Haltung von Patienten und Bürgern uns Ärzten gegenüber: Seit vielen Jahrzehnten landet die Ärzteschaft in Berufsimage-Rankings auf Platz eins.
„Von den Patienten erleben wir nach wie vor große Wertschätzung – da der Patient ja hautnah miterlebt, dass ihm geholfen wird. Es hat sich aber schon etwas verändert, da mit den zunehmend mündigen Patienten manchmal Situationen eintreten, in denen die Wertschätzung nicht mehr so ‚absolut‘ ist wie in der Vergangenheit. Aus einem vor vielen Jahren vielleicht sogar autoritärem Verständnis, hat sich eine Dialogform auf Augenhöhe entwickelt, was ich durchaus adäquat und dem Zeitgeist angepasst finde. Es gibt mehr Situationen als früher, wo Patienten zurückreden oder sich Angehörige beschweren. Insgesamt denke ich aber, dass das Arzt-Patienten-Verhältnis demokratischer geworden ist. Damit trägt der Patient aber auch Eigenverantwortung und ist nicht mehr nur der passive Teil, der die Therapie über sich ergehen lässt“, meint Steinhart.

Ärzte folgen einem anderen Wertekanon

In scharfem Kontrast dazu stehe die Art und Weise, mit der manche Repräsentanten der Gesundheitspolitik und der Krankenkassen den Ärzten begegnen. „Hier geht es nur um Bürokratie und Ökonomie. Wir Ärzte befolgen aber einen anderen Wertekanon und unterliegen damit anderen Regeln. Professor Giovanni Maio drückt das sehr gut aus: „Eigentlich ist die Ökonomie nur dazu da, dass sie die Möglichkeit zur Ausübung der Medizin schafft – und nicht, damit sie entscheidet wie Medizin abzulaufen hat.“ Die Ärzteschaft sei „sehr verletzt, weil versucht wird, ihr Normen aufzuzwingen, für die sie sich selbst nie entschieden haben. Ärzte entscheiden sich aus ganz anderen Gründen für diesen Beruf und wenn sie dann mit ökonomischen Entscheidungen, z.B. bezüglich des Einsatzes eines Medikamentes, konfrontiert sind, obwohl genau dieses Präparat nach dem Stand der Wissenschaft das Beste für den Patienten wäre, entsteht natürlich Frustration. Das Preisschild im Hintergrund darf nicht das letzte Entscheidungskriterium für eine Behandlung sein, sondern was dem Patienten gut tut.“
Auch das Thema Mystery Shopping findet Steinhart „ungeheuerlich“. Da bespitzelt man uns mit Hilfe staatlich legitimierter Herumschnüffler, als wären wir alle potenzielle Betrüger.“
Er fordert auch, dass die Ärzteschaft vermehrt in die gesundheitspolitische Planung einbezogen wird: „Die Politik wird auf unsere Expertise nicht verzichten können, verweigert uns aber nach Möglichkeit die Mitsprache und Mitentscheidung. Sie bedient sich immer häufiger der Ratschläge von nichtärztlichen „Gesundheitsexperten“, die natürlich sehr gerne die gewünschte „Evidenzbasierung“ für die Absichten der Politik zur Verfügung stellen. Zum Beispiel bekommt man dann zu hören, dass der niedergelassene Arzt ein ‚Auslaufmodell‘ sei und, die Organisation von Ärzten in Zentren ein echter Versorgungs-Hit, der so gut wie alle Probleme löst. Und zuletzt greift die Regierung sogar zum Instrument eines geplanten PHC-Gesetzes, dem es nicht um eine bessere Versorgung geht, sondern das im Kern nur ein klar erkennbares Ziel verfolgt: die Ärzteschaft zu schwächen, den Gesamtvertrag auszuhöhlen und die Ärztekammer möglichst zu umgehen.“
Primär gehe es darum, die Ärzte nach den Vorstellungen der „Gesundheitsreformer“ zu disziplinieren, zu kontrollieren und zu reglementieren – „wenn nicht überhaupt durch andere Gesundheitsberufe zu ersetzen“. Hier sei immer wieder der Begriff „Primär- oder Sekundäranbieter“ zu hören – „aber wir sind Ärzte und nicht irgendwelche Anbieter! Natürlich können andere Berufe eingebunden sein, aber es muss klar sein, dass der Arzt der Entscheider ist und die anderen die Ausführenden. Der freie Beruf muss erhalten bleiben, dann ist auch die Qualität gewährleistet.“
Generell meint er, die Politik habe sich in den letzten 15–20 Jahren praktisch nur negativ geäußert, „es hat noch nie ein Danke an die Ärzteschaft gegeben.“

Höchste Zeit für einen Paradigmenwechsel

„Es überrascht also nicht, dass viele Kollegen sich unbehaglich und frustriert fühlen. Deshalb bitte wieder mehr Respekt und Wertschätzung seitens der Politik, der Kassen und der Spitalshalter für die Leistungen, die Ärzte jeden Tag erbringen. Sonst wird es noch schwieriger als bisher, ärztlichen Nachwuchs zu finden“, so Steinhart.

 

Ärztebefragung zum Thema „Wertschätzung für die ärztliche Profession“

Die Ärzte Krone möchte in einer Umfrage unter Österreichs Ärztinnen und Ärzten evaluieren, wie es um die Wertschätzung für die ärztliche Profession bestellt ist.
Unter www.medmedia.at/umfrage-wertschaetzung/ können Sie teilnehmen.
Nehmen Sie sich bitte ein paar Minuten Zeit, um unsere Fragen zu beantworten. Die Ergebnisse der Umfrage werden anonymisiert ausgewertet und in den Fachzeitschriften des MedMedia-Verlags publiziert.
Unter den Umfrageteilnehmern werden ein iPad Air sowiezwei Thermenaufenthalte verlost!