Dolmetsch via Telefon

Österreich wird – was die Menschen in ihrem Herkommen, ihrem kulturellen Hintergrund und ihrer Sprache betrifft – zunehmend bunter. Das stellt auch für das Gesundheitswesen eine Herausforderung dar.
Während sich die Diskussionen über die Notwendigkeit und die Bezahlung von Dolmetschsystemen in den österreichischen Krankenhäusern und in der niedergelassenen Praxis seit Jahren hinzieht, ist man jetzt im Bundesland Salzuburg – als Vorreiter – einen neuen Weg gegangen.
Dr. Christoph Fürthauer, Allgemeinmedizinerreferent in der Salzburger Ärztekammer, sagte gegenüber der Ärzte Krone: „Wir haben seit März ein Pilotprojekt, das auf sechs Monate angelegt ist. Im Bedarfsfall können alle Kassenärzte Salzburgs auf einen Telefon-Dolmetsch-Service zurückgreifen. Gedacht ist das für die Betreuung von Flüchtlingen.“
Das Projekt wurde mit dem Ankommen der Masse des Flüchtlingsstroms in Salzburg ab dem Sommer 2015 geboren. Dr. Fürthauer: „Da gab es ja zeitweise große Durchgangslager – und da haben die Ärzte, welche sich in der medizinischen Versorgung dieser Menschen engagierten, auf die Verständigungsprobleme hingewiesen. Das führte zu Gesprächen zwischen der Ärztekammer und der Landesregierung.“

Es muss nicht Video sein

Seit Längerem gibt es Dolmetsch-Videosysteme, die vor allem in Praxen zum Einsatz kommen können. Doch das erwies sich in Salzburg als nicht anwendbar. Der Allgemeinmediziner mit Ordination in Pfarrwerfen: „Für ein Videosystem benötigt man eine Datenleitung mit entsprechender Bandbreite. Und dann müsste das auch noch über eine abgesicherte Leitung verschlüsselt laufen. Das war technisch nicht realisierbar. Überlegt wurde auch, das über das E-Card-System zu machen, aber das ging wegen der viel zu geringen Leistungsfähigkeit nicht.“
Gemeinsam mit dem Dolmetschdienst-Anbieter SAVD, der eben auf diesem Gebiet eigentlich Video-Service mit 750 Dolmetschern bereitstellt, gelang es, eine andere Lösung zu finden. Es muss nicht Video sein. Dr. Fürthauer: „Unser System funktioniert einfach über das Telefon. Es reicht jedes Standtelefon mit einer Freisprecheinrichtung. Dasselbe gilt für jedes Handy. Das hat den Vorteil, dass wir den Telefon-Dolmetsch-Dienst auch außerhalb unserer Ordinationen, zum Beispiel bei Hausbesuchen, verwenden können.“
Binnen 120 Sekunden kann die Verbindung aufgebaut und der Service benutzt werden. SAVD verzeichnet derzeit pro Jahr im deutschsprachigen Raum rund 150.000 Dolmetscheinsätze.

Bezahlung durch Land und Ärztekammer

Eine Grundvoraussetzung war in Salzburg, dass der Service für die niedergelassenen Kassenärzte keine Mehrkosten bedeutet. Das konnte mit dem Bundesland geregelt werden, das die Kosten von 15 Euro pro Dolmetsch-Einsatz übernahm. Der Tarif beträgt in der Regel einen Euro pro Minute.
Pro Monat 500 Euro an Backoffice-Aufwendungen begleicht die Salzburger Ärztekammer, ebenso Anbindungs- und Schulungskosten. „Gedacht war das von Anfang an für Asylwerber beziehungsweise Asylberechtigte. Alle Beteiligten wollten damit auch die Kosten im Griff behalten“, sagte Dr. Fürthauer.
Jedenfalls kann derzeit niemand sagen, dass durch einen solchen Service überbordende Aufwendungen entstehen würden. Der Salzburger Allgemeinmedizinerreferent ließ vor Kurzem die Daten über die Inanspruchnahme in den ersten Monaten ausheben: „Bis dahin waren es 27 Dolmetsch-Einsätze.“ Die Sache war und ist überschaubar geblieben.
Dafür gibt es im Bedarfsfall eine für die medizinische Versorgung fachlich und rechtlich abgesicherte Kommunikationsschiene zwischen Kassenarzt und Patient über den Dolmetsch-Service. Auf die Problematik, dass ohne eine erfolgreiche und ausreichende Kommunikation zwischen Arzt und Patient gar kein ordnungsgemäßer Behandlungsvertrag entsteht, ist in der Diskussion über solche Dienste immer wieder hingewiesen worden.
So hieß es im Abschlussbericht eines Video-Dolmetsch-Projekts vom Gesundheitsministerium, der Plattform Patientensicherheit und des Instituts für Medizin und Recht (Universität Wien): „Kann ein Patient aufgrund von Sprachbarrieren nicht oder nicht ausreichend aufgeklärt werden und wird ohne Vorliegen eines Notfalls trotzdem behandelt, macht sich der behandelnde Arzt gemäß Paragraf 110 StGB (eigenmächtige Heilbehandlung) strafbar. Abgesehen davon hat in Österreich jeder Mensch – unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht, Religion etc. – Anspruch auf gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen. Das Abweisen von Hilfesuchenden kann demnach auch nicht die Lösung des Problems sein.
Freilich, in der Praxis hat sich die Situation rund um die Flüchtlinge, die in Österreich geblieben sind, bereits normalisiert, wie Fürthauer erklärte: „Mittlerweile kommen ja viele der Asylwerber schon mit einem Dolmetsch oder einem Betreuer in die Ordination.“ Aber als Angebot für den Ernstfall sei der Service sicher gut.
Für die Salzburger Landesrätin Martina Berthold (Bildung, Chancengleichheit), die auch für Asyl und Integration zuständig ist, hat das Projekt allerdings durchwegs positive Aspekte: „Die große Zahl an Flüchtlingen stellt auch die medizinische Versorgung im Land Salzburg vor Herausforderungen. Mir ist es wichtig, dass wir eine schnelle und pragmatische Lösung für die Patientinnen und Patienten sowie auch für die Ärztinnen und Ärzte erreichen konnten.“

Ambulanzbesuche abfangen

Die Landesrätin sieht das auch gesundheitspolitisch: „Das Gesundheitssystem kann dadurch in Österreich nachhaltig verbessert werden, da der Weg zum niedergelassenen Arzt in vielen Fällen die günstigere und bessere Alternative darstellt.“
Aktuell sei die Sitaution oft ganz anders: „Es gehen zu viele nicht-deutschsprechende Menschen direkt in die Notaufnahmen der Kliniken. Dort sind nachweislich die Kosten um ein Vielfaches höher. In vielen Fällen hätte bereits der Haus- oder Facharzt als erste Ansprechperson medizinisch helfen können. Das soll mit dem neuen System verbessert werden.“
Beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger sieht man die Problematik durchaus. Mag. Bernhard Wurzer, Stellvertretender Generaldirektor: „Grundsätzlich ist es ganz entscheidend, dass Arzt und Patient einander gut verstehen. Es handelt sich bei ärztlichen Leistungen um sehr persönliche intime Angelegenheiten, deshalb greifen viele Personen mit nichtdeutscher Muttersprache auf enge Verwandte füs Dolmetschen zurück. Gleichzeitig bemühen sich die Sozialversicherungen, aber auch die Ärztekammer, die Zahl der Ärzte und Ärztinnen, die mehrsprachig sind, zu erhöhen. Laut Ärztekammer gibt es derzeit 84 Türkisch, 61 Arabisch und 26 Serbokroatisch sprechende niedergelassene Ärzte in Österreich, die einen Kassenvertrag haben.“
Finanziell werde es aber zu Dolmetschsystemen keinen Beitrag geben: „Die Initiative Video-/Telefondolmetsch ist zu begrüßen, ist jedoch ganz klar in der Finanzierungsverantwortung der jeweiligen Ordination so wie auch andere Infrastrukturkosten. Das ASVG sieht in der Honorierung vor, dass in den Honorarordnungen die Kosten der Ordinationen abgedeckt werden.“
Für Dr. Fürthauer ist jedenfalls unverständlich, dass sich die Krankenkassen nicht an solchen Systemen beteiligen: „Es ist ja völlig unvorstellbar, dass wir in der Kassenpraxis, in der wir bestenfalls 6,50 Euro für eine Nachfolgeordination bekommen, auch noch die Kosten für den Dolmetsch-Service tragen.“