Ein Winter mit Engpässen droht

Angesichts des kommenden Winters appelliert die Ärztekammer für Wien an die Politik, die Verfügbarkeit elementar wichtiger Medikamente wie Antibiotika und Schmerzmittel sicherzustellen.
Im vergangenen Winter waren bekanntlich Medikamente, darunter etwa Antibiotika­säfte für Kinder, nur stark eingeschränkt verfügbar. Das dürfe sich auf keinen Fall wiederholen, sagt Kinderarzt Dr. George ­Zabaneh, Obmann der Sektion der zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Ärzt:in­nen der Ärztekammer für Wien. Jetzt habe man noch Zeit, um etwaige Lücken zu füllen – „in ein bis zwei Monaten nicht mehr“, mahnt Zabaneh.

„Es wird Engpässe geben.“

Doch tatsächlich stehen die Zeichen auf eine Wieder­holung der Probleme. Der Infektionswinter dürfte angesichts bereits hoher Fallzahlen auf der Südhalbkugel, wo gerade ein entsprechender Winter zu Ende geht, auch in unseren Breiten für hohe Krankheitszahlen sorgen, vor allem aber erneut für Lieferengpässe. „Der Minister hat im Vorjahr verkündet, dass es nie wieder Engpässe geben wird. Mit der Ankündigung allein wird es aber nicht ­getan sein. Und ich muss alle enttäuschen: Ja, es wird wieder Engpässe geben“, sagt Peter Lehner, aktuell Obmannstellvertreter im Dachverband der Sozialversicher­ungen. Nachsatz: „Nicht alles, was ein Engpass ist, ist eine Katastrophe. Oft gibt es alternative Produkte. Wir haben auch mit der Ausweitung der magistralen Zubereitung Lösungen gesetzt, um den Engpässen entgegenzuwirken. Wir sind auch mit dem Großhandelsverband PHAGO in Kontakt und führen konstruktive Gespräche, um Lösungen zu finden.“

Großhandel warnt

Doch genau von dort kommen weitere Warn­ungen. Dr.in Monika Vögele, Generalsekretärin des heimischen Großhandelsverbandes PHAGO, ortet wenig Hoffnung auf einen ruhigen Winter: „Wir sehen als Großhandel bereits bei mehr als 1.000 Medikamenten Lieferschwierigkeiten. Aus heutiger Sicht können wir damit auch eine Medikamentenknappheit nicht ausschließen“, sagt sie auf Anfrage. Ähnlich klingt es aus dem Pharmaverband PHARMIG: „Wir können weder vorhersagen, ob wieder Lieferschwierigkeiten geben wird, noch ob es diese ausbleiben werden. Das hängt unter anderem vom Infektionsgeschehen und der damit verbundenen Nachfrage ab. Wir hoffen jedenfalls, dass sich so eine Situation wie letzten Winter nicht wiederholt.“ In der Apothekerkammer verweist man auf das BASG: „Schon bisher waren Engpässe nur schwer prognostizierbar, umso schwerer für die Apothekerschaft, die in der Kette der involvierten Institutionen und Berufsgruppen weit hinten, unmittelbar vor den Patient:innen, rangiert.“

Industrie sucht Lösungen

Der Großhandel nehme seinen Versorgungsauftrag sehr ernst, betont Vögele: „Unser Versorgungsauftrag hat allerdings dort seine Grenze, wo er für uns aufgrund der Vergütungssituation nicht mehr zumutbar ist.“ Die Hersteller hätten bereits vergangenen Winter, als die Nachfrage nach Antibiotika weit höher als das Angebot war, auf die Situation reagiert, argumentiert die PHARMIG: „Sie haben ihre Produktionsmengen erhöht beziehungsweise auch auf das sogenannte ‚dual sourcing‘ umgestellt, sprich einzelne Arzneimittelkomponenten von mehreren Lieferanten bezogen, um die Abhängigkeit zu verringern – jedenfalls dort, wo dies möglich ist. Ebenso haben sie Sicherheitsbestände erhöht, zusätzliches Fachpersonal in der Produktion eingestellt und zusätzliche Arbeitsschichten eingeführt.“ Man dürfe allerdings nicht vergessen, dass die Medikamentenproduktion lange Vorläufe benötigt. „Derartige Maßnahmen können daher nur bedingt helfen, kurzfristig in die Höhe schnellende Nachfragen zu decken.“

Minister beruhigt

Gesundheitsminister Johannes Rauch (­Grüne) versucht hingegen, im Ärzte-Krone-Interview zu beruhigen: Die österreichischen Hausaufgaben seien erledigt, nun ­gelte es, auf europäischer Ebene einen gesetzlichen Rahmen herzustellen. „Um die Arzneimittelversorgung gerade im kommenden Winter sicherzustellen, arbeiten wir ­gerade an einer Verpflichtung der pharmazeutischen Industrie, mehr Mengen gewisser Arzneimittel einzulagern. Es soll ein Paket gemeinsam mit allen Partnern sein, weil wir alle Stakeholder an Bord brauchen. Es wird auch eine Erweiterung der Möglichkeiten für die magistrale Zubereitung in Apotheken kommen.“ Warnungen der Pharma­industrie vor neuerlichen Medikamentenengpässen kritisiert er als „Theaterdonner“, hinter dem auch Eigeninteressen stünden.

Warnung vor „Hamsterkäufen“

Die SPÖ warf Rauch hingegen vor, die Medikamentenversorgung in Österreich im kommenden Jahr zu gefährden. Rauch und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) müssten rasch Gespräche mit dem Verband der heimi­schen Arzneimittelvollgroßhändler führen, die aufgrund steigender Preise einige wichtige Medikamente zu den aktuellen Abnahmekonditionen nicht mehr ausliefern könnten, teilte der SPÖ-Nationalratsabgeordnete und Mitglied im Gesundheitsausschuss Rudolf Silvan in einer Aussendung mit. SV-Vizeobmann Lehner warnt indes alle Gesundheitsberufe: „Ich rufe alle auf, jetzt keine Be­vorratungskäufe zu machen – das macht die Versorgung nämlich komplizierter.“