Aus der Forschung

„Dr. Google“ Suchmaschinen liegen oft daneben

Google und das in Russland weit verbreitete Yandex sind keine zuverlässigen Quellen für Gesundheitsinformationen. Häufig enthalten die kleinen Textschnipsel (sog. „Snippets“), die als Vorschau für Suchergebnisse angezeigt werden, fehlerhafte oder mangelhafte Angaben. Besonders problematisch sind die Informationen zu Hausmitteln oder alternativen Behandlungsmöglichkeiten. Das hat ein deutsch-russisches Forscherteam herausgefunden. Die Forscher nutzten für die Studie ein Archiv von rund 1,5 Mrd. Yandex-Suchanfragen. In 1,2 Mio. Anfragen ging es um Symptome, Krankheiten und Behandlungsmöglichkeiten. Danach überprüfte das Team, wie Yandex und Google auf die 30 häufigsten Fragen antworteten. Analysiert wurden dafür jeweils die ersten 10 Snippets. Zur Prüfung des Wahrheitsgehalts bzw. möglicher Warnhinweise erfolgte ein Abgleich mit den medizinischen Datenbanken Cochrane, PubMed und BioMed Explorer. Yandex gab in 44 % der Fälle fälschlicherweise an, dass ein Mittel gegen eine bestimmte Krankheit wirkt, obwohl dafür keine wissenschaftliche Grundlage existiert. Bei Google waren es knapp ein Drittel der Fälle. Hinweise auf potenziell giftige Substanzen fand das Team nur in 13 bzw. 10 % der Fälle.

Quelle: Pressemitteilung Martin-Luther-Universität Halle-WittenbergLiteratur: Bondarenko A et al., Misbeliefs and biases in health-related searches. Proceedings of the 30th ACM International Conference on Information and Knowledge Management 2021; 2894–9. DOI: 10.1145/3459637.3482141


Stress
Wie Musik dämpfend wirken kann

Ein Psychologenteam der Universität Wien konnte in einer aktuellen Studie den positiven Effekt des Musikhörens auf chronische körperliche Beschwerden ­dokumentieren. Dazu beantworteten ­58 Frauen, von denen die überwiegende Zahl bereits seit mehr als einem Jahr unter Symptomen wie Schmerzen, Erschöpfung oder Übelkeit litten, sechsmal täglich Fragen zum subjektiven Befinden, zum Stresspegel und zu ihrem Musikhörverhalten. All das wurde in ein elektronisches Tagebuch eingetragen. Parallel dazu erhob man mit Cortisol und Alpha-Amylase im Speichel biologische Indikatoren für Stress. Die Ergebnisse zeigen, dass Musikhören die Beschwerden tatsächlich milderte. Zwar konnten die Leiden selbst nicht gelindert werden, aber das Stressniveau sank, und die Stressreduktion sorgte in der Folge auch für eine Besserung mancher Symptome. Die Forscher fanden zudem heraus, dass insbesondere Musik, die als fröhlich empfunden wurde, einen positiven Effekt hatte. Bei Musik, die als beruhigend empfunden wurde, fand man einen Zusammenhang mit einem körperlichen Entspannungszustand.

Quelle: Universität Wien, 21. 12. 2021; Originalpublikation: Feneberg AC, Mewes R, Doerr J Nater UM, The effects of music listening on somatic symptoms and stress markers in the everyday life of women with somatic complaints and depression. Sci Rep 11, 24062 (2021)


Eisenmangel:
Kardialer Risikofaktor für alle Menschen?

Sowohl absoluter (AID) als auch funktioneller Eisenmangel (FID) sind Risikofaktoren für Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Doch wie sieht es bei gesunden Menschen aus? Dieser Frage ging ein Hamburger Forscherteam in einer aktuellen Studie nach. Ziel war es, den Zusammenhang zwischen Eisenmangel (AID, FID) und dem Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (KHK, Schlaganfälle), kardiovaskulärer und Gesamtmortalität bei Nichtvorerkrankten zu bewerten. An der 13-jährigen Beobachtungsstudie nahmen 12.164 Personen teil. AID wurde als Ferritin < 100 μg/l (< 30 μg/l schwere AID) und FID als Ferritin < 100 μg/l oder Ferritin 100–299 μg/l und Transferrinsättigung < 20 % definiert. Danach traten AID, schwere AID und FID bei 60 %, 16 % und 64 % der Personen auf. AID war mit KHK assoziiert, schwere AID mit der Gesamtmortalität. FID korrelierte hingegen mit KHK, kardiovaskulärer und Gesamtmortalität. Insgesamt waren 5 % aller Todesfälle, 12 % aller kardiovaskulären Todesfälle und 11 % der KHK auf FID zurückzuführen. Dies deutet darauf hin, dass FID ein relevanter Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Allgemeinbevölkerung ist.

Quelle: Schrage B et al., Association of iron deficiency with incident cardiovascular diseases and mortality in the general population. ESC Heart Failure 2021 Dec; 8(6). https://doi.org/10.1002/ehf2.13589


Frühkindlicher Stress beeinflusst Gehirnzellen

Belastende Erfahrungen in der frühen Kindheit, wie z. B. eine gestörte Eltern-Kind-Bindung, gelten als Hauptrisikofaktoren für die Entwicklung von psychischen Erkrankungen im Erwachsenenalter. Die zugrunde liegenden neurobiologischen Mechanismen sind jedoch bisher nicht hinreichend geklärt. Die Forschungsansätze konzentrierten sich bisher vor allem auf die Neuronen, weniger auf die Gliazellen, die zu 50 % das menschliche Gehirn ausmachen. Ein interdisziplinäres Forscherteam der Universitätsmedizin Mainz (Deutschland) hat jetzt in einem Mausmodell gezeigt, dass frühkindliche Stresserfahrungen die Funktion von bestimmten Gehirnzellen im Hippocampus, den sogenannten „NG2+“-Gliazellen (Oligodendrozyten-Vorläuferzellen), langanhaltend beeinträchtigen. Die Effekte korrelierten dabei stark mit der Konzentration des Stresshormons Kortikosteron. Allerdings waren nicht alle Tiere in gleichem Maße von den Auswirkungen durch die frühkindliche Stresserfahrung betroffen, was den Autoren zufolge die Situation in der menschlichen Bevölkerung sehr gut widerspiegelt.

Literatur: Treccani G et al., Neurobiol Stress 2021; 15:100338. DOI: 10.1016/j.ynstr.2021.100338


Transthyretin- Amyloidose – neue vielversprechende Therapie?

Transthyretin-Amyloidose (ATTR) ist eine lebensbedrohliche Krankheit, die durch eine fortschreitende Produktion von fehlgefaltetem Transthyretin-(TTR-)Protein in unterschiedlichen Geweben gekennzeichnet ist. Da die Leber der Hauptsyntheseort ist, galt bislang die Lebertransplantation als einzig effektive Therapie. Mittlerweile stehen RNA-Therapien zur Verfügung, mit denen sich über die Modulation der Genexpression die TTR-Produktion eindämmen lässt. Mit NTLA-2001 wurde nun eine In-vivo-Gen-editing-Therapie auf der Basis des CRISPR-Cas9-Systems zur Behandlung der ATTR entwickelt. Mithilfe dieser Genschere lässt sich gezielt in das mutierte Genom eingreifen und darüber die TTR-Konzentration im Serum senken. NTLA-2001 kam jetzt erstmals im Rahmen einer klinischen Phase-I-Studie bei sechs Patienten mit hereditärer ATTR mit Polyneuropathie zum Einsatz (Dosierung: 0,1 oder 0,3 mg/kg). Am Tag 28 nach einmaliger Infusion betrug die mittlere Verringerung der Serum-TTR-Proteinkonzentration gegenüber dem Ausgangswert 52 % mit der niedrigeren Dosis und 87 % mit der höheren Dosis.

Literatur: Gillmore JD et al., N Engl J Med 2021; 385:493–502; DOI: 10.1056/NEJMoa2107454


Autismus- Spektrum-Störung: neue Erkenntnisse

Bei Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) erfolgt eine therapeutische Intervention erst nach eindeutiger Diagnosestellung. Bisher gibt es keine Erkenntnisse darüber, welche Auswirkungen eine Intervention noch vor der Diagnosestellung, aber bereits bei ersten Anzeichen hat. Australische Wissenschafter gingen jetzt in ihrer randomisierten Studie der Frage nach, wie sich eine präventive Intervention auf die Entwicklung von Säuglingen mit frühen Autismus-Anzeichen auswirkt und welchen Einfluss eine Intervention zur Förderung der sozialen Kommunikation und Elternschaft im Vergleich zur üblichen Betreuung hat. Dazu wurden 104 Säuglinge (Alter: 9 bis 14 Monate) aufgenommen, die frühe Verhaltensanzeichen von ASS aufwiesen. Es zeigte sich, dass eine vorbeugende Intervention zu einem geringeren Schweregrad der ASS-Symptome in der frühen Kindheit führte. Zudem war die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Alter von 3 Jahren diagnostische Kriterien für ASS erfüllten, geringer (7 %) als bei jenen, welche die übliche Behandlung erhielten (21 %).

Literatur: Whitehouse AJO et al., JAMA Pediatr 2021; DOI: 10.1001/jamapediatrics.2021.3298


Pankreatitis: neue S3-Leitlinie

Das in den letzten Jahren rasant gewachsene Wissen über die Pankreatitis gab jetzt Anlass zur Aktualisierung der Diagnostik- und Therapieempfehlungen. Die neue Leitlinie wurde von der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) e. V. in Zusammenarbeit mit weiteren Fachgesellschaften erarbeitet und veröffentlicht. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der akuten Form. Die häufigsten Ursachen sind Gallensteine und übermäßiger Alkoholkonsum. Obwohl es sich um eine gutartige Erkrankung handelt, die in der Regel binnen weniger Wochen überstanden ist, sterben bei einem schweren Verlauf bis zu 15 % der Betroffenen an einem Organversagen. Eine frühe Diagnose und Evaluation des Schweregrades sind deshalb für die rechtzeitige Therapieeinleitung entscheidend. Daneben thematisiert die Leitlinie die chronische Pankreatitis sowie mögliche Folgeerkrankungen wie z. B. Gallengangstenosen. Erstmals behandelt die Leitlinie auch die autoimmune Pankreatitis.

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)

Die Leitlinie ist abrufbar unter:
www.dgvs.de/wissen/leitlinien/leitlinien-dgvs/chronische-pankreatitis