Gamechanger in der Behandlung der familiären Amyloidneuropathie

Die familiäre Amyloidpolyneuropathie, auch „hereditäre Transthyretin-Amyloidose“ genannt, ist eine seltene chronische Erkrankung, die durch Mutationen im Transthyretin-(TTR-)Gen verursacht wird.
TTR wird hauptsächlich in der Leber gebildet. Die Punktmutationen führen zu Amyloidablagerungen im peripheren Nervensystem, Herz, in den Nieren oder im Verdauungstrakt und rufen eine Dysfunktion der betroffenen Organe hervor. Bis vor kurzem standen außer einer Lebertransplantation und dem TTR-Stabilisator Tafamidis keine Behandlungsoptionen zur Verfügung. In den letzten Jahren revolutionierten neue molekulartechnologische Verfahren die Therapiemöglichkeiten.

Patisiran

Mittels RNA-Interferenz werden die entsprechenden Gene stillgelegt („Gen-Silencing“), Patisiran supprimiert die TTR-Produktion in den Hepatozyten. In der Zulassungsstudie wurden insgesamt 225 Patient:innen in einem 2:1-Verhältnis randomisiert. Patisiran oder Placebo wurde alle 3 Wochen intravenös appliziert. Primärer Endpunkt war die Veränderung des Ausgangswertes des Modified Neuropathy Impairment Score (mNIS) von +7 zum Zeitpunkt 18 Monate. Der Unterschied dieses Scores lag zum genannten Zeitpunkt bei –34,0 Punkten und war hoch signifikant. Auch der Norfolk Quality of Life – Diabetic Neuropathy Score (QOL-DN), die Ganggeschwindigkeit sowie der BMI waren in der Patisiran-Gruppe signifikant verbessert als in der Placebo-Gruppe. Nebenwirkungen waren milde bis moderate Infusionsreaktionen.1 Patisiran ist seit 2018 in der EU zugelassen.

Inotersen

Bei Inotersen kommt die Antisense-Technologie zum Einsatz, wodurch die Bindung an eine komplementäre mRNA die Translation und damit die Produktion von TTR in den Hepatozyten unterdrückt. Auch Inotersen wurde 2018 in der EU zugelassen. In der Phase-III-Studie wurden 172 Patient:innen eingeschlossen, 112 bzw. 60 Personen erhielten 1 × wöchentlich subkutan Inotersen bzw. ein Placebo. Sowohl der mNIS-Score als auch der QOL-DN-Score verbesserten sich in der Inotersen-Gruppe signifikant innerhalb von 15 Monaten (–19,7 Punkte und –11,7 Punkte im Vergleich zum Ausgangswert). Allerdings kam es zu 5 Todesfällen im Inotersen-Arm, während in der Placebo-Gruppe keine Grad-5-Nebenwirkungen auftraten.2

Vutrisiran

Die neue Formulierung von Patisiran wird alle 3 Monate subkutan verabreicht und ist seit September 2022 in der EU zugelassen. In der Zulassungsstudie wurden 164 Proband:in-nen nach einem 3:1-Schema randomisiert und erhielten entweder Vutrisiran subkutan alle 3 Monate oder Patisiran intravenös alle 3 Wochen für 18 Monate. Die Placebogruppe aus der Patisiran-Zulassungsstudie diente als externe Vergleichsgruppe. Der primäre Endpunkt, nämlich die Verbesserung des mNIS-Scores um +7 Punkte, wurde zum Zeitpunkt 9 Monate erreicht. Die Reduktion des TTRs war im Vergleich zu Patisiran nicht unterlegen. Das Nebenwirkungsprofil war mild bis moderat.3

Eplontersen

Die Phase-III-Studie betreffend die Weiterentwicklung von Inotersen wurde erst kürzlich publiziert. Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse ist mit einer baldigen Zulassung zu rechnen. In der Eplontersen-Gruppe erhielten 144 Teilnehmer:innen den Wirkstoff alle 4 Wochen subkutan, während in einer kleinen Referenzgruppe 24 Proband:innen Inotersen wöchentlich ebenfalls subkutan erhielten. Auch hier diente eine externe Placebogruppe2 zum Vergleich. Mit Eplontersen konnten die Serum-TTR-Konzentration signifikant gesenkt sowie die Neuropathie-Scores und die Lebensqualität signifikant verbessert werden.4