Häufig, aber nicht banal

Anämien gehören zu den häufigsten Blutbildauffälligkeiten in der Allgemeinpraxis. Nach internationalen Daten liegt die Prävalenz bei rund 6 %, das entspricht in Wien etwa 110.000 Betroffenen. Bei Frauen treten diese Auffälligkeiten dabei bis zu 7-mal häufiger auf als bei Männern.

Die 2 Seiten des Eisenmangels

Der Eisenstoffwechsel unterliegt strengen Regulationsmechanismen, weshalb in höchstem Maße ein (chronischer) Blutverlust die Ursache für Eisenmangelanämien darstellt. Dies erklärt die hohe Prävalenz bei Frauen im gebärfähigen Alter. Eine unzureichende Zufuhr oder bestehende Resorptionsstörungen spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Bei der klassischen Eisenmangelanämie ist das Funktionseisen verringert, die Erythrozyten in der Regel mikrozytär und hypochrom sowie das Speichereisen leer (Ferritin <30µg/l).

Bei der Anemia of chronic Disease hingegen scheinen bei einem verringerten Funktionseisen (Hämoglobin) die Speicher gefüllt, das Eisen ist jedoch zum einen funktionell blockiert, zum anderen ist das Ferritin aufgrund der inflammatorischen Situation als Akute-Phase-Protein erhöht. Entscheidend sind in dieser Situation neben verringertem Hämoglobin, also bestehende Anämie, eine verminderte Transferrinsättigung. Auch hier ist eine mikrozytäre, hypochrome Anämie am ehesten zu erwarten, im klinischen Alltag nicht selten jedoch normozytär. Bei der Anämie der chronischen Erkrankung ist bei mehreren möglichen zugrunde liegenden Pathologien eine umfassendere Anamnese, Laboranalyse und Interpretation des Eisenstatus mit Therapieempfehlung je nach Erkrankung komplexer.

Ausgangspunkt jeder Abklärung sollte ein Blutbild inklusive Hämoglobin und mittleren Erythrozytenvolumens sein. Bei reduziertem Funktionseisen sollten des Weiteren Retikulozyten, Ferritin, Transferrinsättigung, Nierenfunktionsparameter und CRP untersucht werden. Diese Parameter führen in der Regel rasch zur Differenzialdiagnose.

Wann wird Anämie gefährlich?

Eine isolierte Anämie kann in den meisten Fällen ambulant und strukturiert abgeklärt werden. Alarmzeichen sind jedoch akut aufgetretene Symptome der schweren Anämie und/oder Meläna beziehungsweise andere Blutungszeichen (der Verlauf des Hämoglobins ist entscheidend). Die Tiefe des Hämoglobins allein ist nicht entscheidend, da bei chronischer Entstehung Adaptionsmechanismen stattfinden und Patient:innen oft oligosymptomatisch sind. Hier ist ebenso die Zusammenschau von Befundkonstellation, klinischer Symptomatik, Begleiterkrankungen und vor allem subakutem Blutverlust entscheidend, da neben der adäquaten Therapie stets die Ursache mitberücksichtigt werden muss. Bei jungen, sonst gesunden Frauen, die über keine – abseits der für Eisenmangelanämie spezifischen – Symptome klagen und über intensive, längere und/oder kürzere Intervalle der Menstruationsblutung berichten, kann auf weitere Abklärung meist verzichtet werden, während bei Männern oder postmenopausalen Frauen eine Ursachenforschung angestrebt werden muss.

Eisenmangel behandeln – evidenzbasiert und praxisnah

Die Behandlung der Eisenmangelanämie richtet sich nach Ursache, Hämoglobinverlauf, bekannten Begleiterkrankungen und Dringlichkeit der Hämoglobinkorrektur. Eine akute Anhebung des Hämoglobinspiegels ist nur durch die Gabe von Erythrozytenkonzentrat möglich! Sofern klinisch/pathogenetisch erforderlich, weisen Sie bitte umgehend in ein spezialisiertes Zentrum zu.

Klassische Eisenmangelanämie

Prinzipiell ist und bleibt in allen nichtinflammatorischen Situationen die orale Eisensubstitution die erste Wahl, die hohe Effektivität mit geringen Nebenwirkungsprofil zeigt. Niedrige Dosen von 60–100 mg elementarem Eisen jeden 2. Tag haben sich als ähnlich effektiv erwiesen wie die tägliche Gabe, da der Hepcidin-Anstieg nach jeder Einnahme die Resorption sonst hemmt. Wichtig ist die Karenz von Essen, Kaffee, Tee und anderen Tabletten 2 Stunden vor und 1 Stunde nach der Eiseneinnahme. Die Uhrzeit spielt keine Rolle, die Tablette kann auch nachmittags oder abends, wenn die Nüchternzeit eingehalten wurde, unzerkaut mit einem Glas Wasser eingenommen werden. Entgegen der weiterhin oftmals empfohlenen Vitamin-C-Zugabe zeigt diese in Studien keine zusätzliche Verbesserung der Eisenaufnahme.

Durch die Einnahme jeden 2. Tag wird eine äußerst geringe Nebenwirkungsrate bei hoher Wirksamkeit beobachtet. Die Adhärenz ist wie bei allen anderen oralen Medikamenten der Schlüssel zum Erfolg und wird durch viele Maßnahmen, insbesondere ein patientenorientiertes Beratungsgespräch, positiv beeinflusst. Sollte es dennoch zu Unverträglichkeiten der peroralen Präparate kommen, kann Eisen(III)-Maltol eine gut verträgliche Alternative sein. Bei tiefen Hämoglobinwerten zum Start der Eisensubstitution, die oftmals entgegen den GCP-Empfehlungen der Fachgesellschaften als Kontraindikation zur oralen Eisentherapie angesehen werden, empfiehlt sich eine kurzfristige Kontrolle des Hämoglobins nach 6–8 Wochen. In Fällen der klassischen Eisenmangelanämie bei jungen, sonst gesunden Frauen lassen sich bereits im kurzfristigen Verlauf erstaunliche Effekte auf den Hämoglobinspiegel dokumentieren.

Besteht ein dokumentiertes Therapieversagen der oralen Therapie, im Sinne eines fehlenden Hämoglobinanstiegs trotz korrekter regelmäßiger Einnahme für mindestens 3 Monate, erfolgt die parenterale Eisengabe. Eine Einmalgabe von bis zu 1.000 mg Eisencarboxymaltose ermöglicht eine rasche Normalisierung des Hämoglobinwertes. Nebenwirkungen wie Übelkeit, Kopfschmerzen oder protrahierte Hypophosphatämie sind selten und meist vorübergehend. Alternativ steht Eisen(III)-Hydroxid-Saccharose zur Verfügung: gut verträglich, jedoch zeitaufwändiger, da mehrere Infusionen pro Woche erforderlich sind. Wichtig bleiben eine Nachbeobachtung nach jeder Infusion sowie die sorgfältige Dokumentation möglicher Hautreaktionen nach Paravasat. Insgesamt hat sich das Vorgehen mit einmaliger Hochdosisgabe und strukturierter Verlaufskontrolle als effektiv, sicher und praxistauglich erwiesen. Bei wiederholten Eiseninfusionen oder protrahierten Hypophosphatämien kommt Eisen(III)-Derisomaltose zum Einsatz, hier können auch Einmaldosen bis 1.000 mg sicher und effektiv verabreicht werden.

Anämie der chronischen Erkrankung

In inflammatorischen Situationen, je nach zugrunde liegender Erkrankung, kann durchaus bei Eisenmangelanämien eine intravenöse Therapie upfront erwogen werden. Da die unterschiedlichen Fachgesellschaften bzw. Richtlinien verschiedene Cut-offs heranziehen, muss hier unbedingt die zugrunde liegende Krankheit berücksichtigt werden.
Bei chronischer Herzinsuffizienz mit eingeschränkter Ventrikelfunktion und NYHA > II wird eine intravenöse Eisentherapie mit 1.000mg elementarem Eisen bei jeglichem Hämoglobinwert < 15 g/dl UND Ferritin <100µg/l oder Ferritin unter 300µg/l bei Transferrinsättigung < 20 % empfohlen. Bei onkologischen Erkrankungen wird bei Hämoglobinwerten < 11 g/dl, wenn die Transferrinsättigung unabhängig von der Höhe des Ferritins < 20 % ist oder das Ferritin <100 liegt, intravenös substituiert. Bei Patient:innen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen werden neben Hämoglobin, Ferritin und Transferrinsättigung auch Hypochromasie oder Hämoglobingehalt der Retikulozyten bestimmt, und die Substitutionsart (peroral oder intravenös) richtet sich nach dem Entzündungswert.