Herausforderungen der oralen und intravenösen Eisensubstitution

Welche Herausforderungen ergeben sich bei der oralen Eisensubstitution?

Dr.in Anke Gasche: Wir haben drei wesentliche Herausforderungen. Die erste ist ein funktionierender Gastrointestinaltrakt, das heißt, es darf keine bariatrische Operation stattgefunden haben, keine chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, keine unbehandelte oder unerkannte Zöliakie oder keine atrophe Gastritis bzw. keine Therapie mit Protonenpumpen-Inhibitoren geben. Die zweite Herausforderung ist die schlechte Bioverfügbarkeit der oralen Eisenpräparate. Heutzutage werden oft Slow-Release-Medikamente verschrieben, die den Nachteil haben, dass sie erst zu spät aufgelöst und daher nicht mehr im Duodenum aufgenommen werden. Nach dem Motto: „Was im Magen nicht freigesetzt wird, kann im Duodenum nicht aufgenommen werden“. Dadurch bleibt viel Eisen im Darmlumen, was wiederum Auswirkungen auf die Verdauung und das Mikrobiom hat. Die dritte Herausforderung ist der Einfluss auf das Mikrobiom. Eisen ist einer der bakteriellen Hauptwachstumsfaktoren. Durch die orale Eisensubstitution kann es zu einer bakteriellen Überwucherung des Dünndarms oder zu einer Dysbiose des Dickdarms kommen – mit Beschwerden wie Blähbauch, Verstopfung, Übelkeit, Durchfälle oder Bauchschmerzen.

Wie beurteilen Sie die Adhärenz bei der oralen Eisensubstitution?

Die Adhärenz ist alles andere als zufriedenstellend. Die Patientinnen und Patienten haben, bedingt durch das Vorliegen eines Eisenmangels, häufig einen hohen Leidensdruck und müssten oftmals monatelang Eisentabletten zu sich nehmen. Durch die Gabe von Slow-Release-Präparaten und die damit verbundene geringe Bioverfügbarkeit können gastrointestinale Beschwerden auftreten. Es kommt unter oraler Eisensubstitution zwar zu einem Hämoglobinanstieg, jedoch steigt das Ferritin durch die orale Eisensubstitution selten über 30 oder 40 ng/ml. Das heißt, ein Eisenmangel bleibt oftmals weiterhin bestehen, besonders bei Patientinnen und Patienten mit andauerndem Blutverlust, zum Beispiel bei Hypermenorrhö oder Metrorrhagie. Eine positive Entwicklung der letzten Jahre sind Präparate mit passabler Bioverfügbarkeit, die aufgrund der niedrigen Dosierung besser toleriert werden.

Wie könnte man die Adhärenz noch steigern?

Wichtig ist die Wahl des Präparates. Bei Loha for Life haben wir viele Patientinnen, die wegen ihrer starken Menstruationsblutung und dem damit verbundenen Eisenmangel zu uns kommen. Um den ständigen Eisenverlust auszugleichen, wäre in diesen Fällen eine dauerhafte orale Eisensubstitution notwendig. Das ist für Patientinnen frustrierend, zumal der Leidensdruck oftmals sehr hoch ist. Die Betroffenen möchten wieder leistungsfähig sein. Die Bioverfügbarkeit und damit die Adhärenz kann man versuchen zu steigern, indem die Tabletten nüchtern zusammen mit Vitamin C, also zum Beispiel mit einem Glas Orangensaft, eingenommen werden. Auch eine Einnahme jeden zweiten Tag verbessert die Eisenaufnahme. Zudem sollte nicht mehr als 50 mg rezeptiert werden, die Dosis bei den Slow-Release-Medikamenten ist aber in der Regel höher. Ein Wechsel von einem zum anderen Präparat ist auch eine Option, auf Slow-Release-Präparate sollte aber gänzlich verzichtet werden. Und bei Auftreten von Bauchschmerzen bitte keine Kombination eines Slow-Release-Präparates mit einem PPI geben.

In welchen Situationen bzw. bei welchen Patientinnen und Patienten ist die intravenöse der oralen Therapie vorzuziehen?

Der Umstieg auf die intravenöse Eisentherapie sollte bei einer negativen Eisenbilanz also immer dann erfolgen, wenn der Eisenverlust stärker ist als das, was man oral wieder zu sich nimmt. Die intravenöse Therapie betrifft bei Loha for Life vor allem Patient:innen mit starker Menstruationsblutung, mit Erkrankungen des Verdauungstraktes, z. B. bei Vorliegen einer atrophen Gastritis, nach bariatrischen Operationen oder mit chronisch entzündlichen Erkrankungen, wenn das CRP chronisch erhöht ist, oder kardiale Patientinnen und Patienten mit Niereninsuffizienz und eventuell Erythropoetingabe; und natürlich, wenn Tabletten nicht vertragen werden.

Worauf empfehlen Sie zu achten, wenn die ­intravenöse Eisentherapie in der niedergelassenen Ordination durchgeführt wird?

Dazu gab es vor vielen Jahren einen Rote-Hand-Brief beziehungsweise einen Eisen-Warnbrief. Wichtig ist, die Indikation richtig zu prüfen und Allergien anamnestisch auszuschließen. Der Patient oder die Patientin sollte nachbeobachtet werden und die Ordination erst verlassen, wenn keine Beschwerden oder Unverträglichkeitsreaktionen auftreten. Die am Markt befindlichen intravenösen Eisenpräparate unterscheiden sich in ihrer Galenik und sind temperaturinstabil. Da die Gefahr besteht, dass Eisen ausfällt und dadurch Nebenwirkungen auftreten können, ist die Infusion immer frisch herzurichten. Die Infusion ist immer in NaCl aufzulösen, im richtigen Volumen, sie darf nicht zu viel verdünnt werden und nicht mit anderen Stoffen wie Vitamin B12 oder Vitamin C vermischt werden. Man muss sich mit den Medikamenten auskennen, und sie dürfen weder zu schnell noch zu langsam gegeben werden.

Bei welchen klinischen Anzeichen sollte man hellhörig werden und an einen Eisenmangel denken?

Eisen kommt in jeder Zelle vor, wird aber besonders in metabolisch aktiven Organen wie Gehirn, Muskulatur und Herz benötigt. Eines der klassischen Symptome ­eines Eisenmangels ist chronische Abgeschlagenheit, Fatigue, die oft den größten Leidensdruck verursacht. Daneben kann eine leichte Form der Depression auftreten, ebenso wie Kopfschmerz, Schwindel, Muskelschwäche, das Restless-Legs-Syndrom, das auch sehr häufig ist, und sobald eine Anämie vorliegt, klagen Patient:innen über Kurzatmigkeit und Tachykardie. Einen Leistungseinbruch beklagen vor allem Sportlerinnen und Sportler. Viele Betroffene kommen aufgrund des Haarausfalls, der brüchigen Nägel, der blassen Haut oder der Mundwinkelrhagaden zu uns. Da das Gehirn viel Eisen benötigt, äußert sich ein Mangel mit Konzentrationsschwierigkeiten und einer eingeschränkten Merkfähigkeit, aber alles im Hauptbereich Fatigue. Es ist wichtig, auf die Beschwerden und den Leidensdruck der Betroffenen zu hören und hellhörig zu werden, wenn die Patientinnen und Patienten über Müdigkeit klagen, denn auch ein Ferritin um die 30 ng/ml ohne Vorliegen einer Anämie kann bereits Eisenmangel-Symptome verursachen und sollte substituiert werden.

Welche Laborwerte sollten bei der diagnostischen Abklärung bestimmt werden, und was ist dabei zu beachten?

Wir bei Loha for Life haben eine standardisierte Diagnostik, das heißt, wir bestimmen das komplette Blutbild mit Eisenwerten, also Ferritin, Transferrin, Transferrin-Sättigung, Leber- und Nierenwerte, Hämolyseparameter sowie Phosphat. Gleichzeitig klären wir serologisch das Vorliegen einer Zöliakie, atrophen Gastritis mit Gastrin-Bestimmung und einer Schilddrüsenfunktionsstörung ab. So können wir praktisch alles, was in Richtung Eisenaufnahmestörung geht, mit einer einzigen Blutabnahme testen. Screening auf okkultes Blut machen wir nur bei ausgewählten Patient:innen.

Vielen Dank für das Gespräch!