HIV-Infektion: Daran denken und testen!

Noch vor 25 Jahren war die Diagnose HIV ein Todesurteil und noch vor einigen Jahren war die HIV-Therapie mit zahlreichen nicht unerheblichen Nebenwirkungen behaftet. Der medizinische Fortschritt hat erreicht, dass die HIV-Infektion sehr gut und meist nebenwirkungsfrei behandelbar wurde, aber nach wie vor nicht heilbar ist.
Zahlreiche Untersuchungen haben ergeben, dass Personen, die erste HIV-Symptome zeigen, bei ihren Hausärzten oft nicht die richtige Diagnose erhalten. Bedauerlicherweise werden auch in Österreich zu viele HIV-Patienten sehr spät, oft auch erst im Vollbild AIDS diagnostiziert. Dies spiegelt auch die österreichische HIV-Krankenhaus-Kohorte wider, in der bis zu 40 % aller Patienten die HIV-Diagnose erst bei einer CD4-Anzahl von unter 350 pro μl erhielten. Auf der anderen Seite beweist unsere Praxis, mit der ausführlichen und sehr offenen Anamneseerhebung, der tabufreien Risikoabschätzung und dem gezielten Einsatz des HIV-Tests –, dass fast alle HIV-Infektionen frühzeitig diagnostiziert werden. Patienten mit einer fortgeschrittenen HIV-Infektion oder dem Vollbild AIDS stellen in unserer Praxis eine Ausnahme dar.
Häufig werden ärztlicherseits andere virale Erkrankungen für die Symptome in der akuten Phase einer HIV-Infektion verantwortlich gemacht (grippaler Infekt, infektiöse Mononukleose), oder der Patient verheimlicht mögliches Risikoverhalten aus falscher Scham vor dem betreuenden Arzt. Dadurch leben viele Menschen jahrelang mit dem Virus, ohne es zu wissen.
Die frühzeitige Diagnose der HIV-Infektion ist von größter Bedeutung. Sie ermöglicht den rechtzeitigen Behandlungsbeginn und damit den Schutz der Partner oder Sexualpartner, da bereits seit fast zehn Jahren bekannt ist, dass von einem optimal behandelten HIV-Patienten kein Infektionsrisiko mehr ausgeht. Daher ist es von eminenter Wichtigkeit, Symptome der akuten HIV-Infektion zu erkennen oder zumindest aus der Anamnese eine Verdachtsdiagnose zu stellen.

Die akute HIV-Infektion

  • 2–4 Wochen nach der Infektion entwickeln 40–90 % der Patienten eine klinische Symptomatik
  • dabei handelt es sich um eine unspezifische Mononukleose- oder grippeähnliche Erkrankung, oft mit Fieber, Exanthem, Durchfällen und Gewichtsabnahme
  • oft fühlt sich der Patient „so schwer krank wie noch nie“
  • die Symptome klingen üblicherweise auch ohne Therapie nach einigen Wochen wieder ab

Aufgrund der oft unspezifischen oder vollkommen fehlenden Symptome sind eine fundierte Anamnese und die vorurteils- und wertungsfreie Risikoeinschätzung des Sexualverhaltens oft wesentlicher als diagnostische Parameter. Liegen Verdachtsmomente für eine HIV-Infektion vor, sollte man den Einsatz des HIV-Tests nicht scheuen.

Die chronische oder latente HIV-Infektion

Diese ist im Regelfall vollkommen beschwerdefrei, der Patient fühlt sich wohl. In dieser Phase ist die Anamnese, in der natürlich das Sexualverhalten angesprochen werden soll, von hoher Bedeutung. Auch beim Auftreten anderer sexuell übertragbarer Erkrankungen, wie Lues, Gonorrhö und Chlamydien oder Herpes Zoster bei jüngeren Altersgruppen, sollte eine HIV-Infektion in Erwägung gezogen werden.
Egal, ob Frau oder Mann, egal, welche sexuelle Orientierung – es ist wichtig, bei Hinweisen in der Anamnese und/oder entsprechenden Symptomen an eine akute HIV-Infektion zu denken und einen HIV-Test vorzuschlagen!

HIV-Nachweisverfahren

In der westlichen Welt werden bereits seit Jahren HIV-Tests der 4. Generation eingesetzt, die nicht nur HIV-Antikörper, sondern auch Virusprotein (p24-Antigen) nachweisen können. Diese so genannten HIV-Combo-Tests (Antikörper und Virusprotein) haben den Vorteil, dass die AG-Komponente (p24-AG) des Tests das diagnostische Fenster reduziert. Aufgrund dieses diagnostischen Fensters wird zum sicheren Ausschluss einer HIV-Infektion ein HIV-Combo-Test frühestens sechs Wochen nach einer möglichen Exposition empfohlen. Da der kostengünstige HIV-Combo-Test aufgrund seiner etwas niedrigeren Spezifität in sehr seltenen Fällen auch falsch positiv sein kann, muss ein positives Testergebnis durch einen zweiten, spezifischeren Test bestätigt werden. Die Durchführung eines Bestätigungstests bei Vorliegen eines positiven HIV-Combo-Tests erfolgt automatisch in speziellen Labors. Um eine theoretisch mögliche Verwechslung von Blutproben auszuschließen, ist eine zweite Blutabnahme gesetzlich vorgeschrieben.
Mit dem HIV-PCR-Test können Viren direkt nachgewiesen werden. Die PCR-Testung ist technisch aufwändiger und auch teurer, allerdings umfasst das diagnostische Fenster höchstens 14 Tage. Ein Nachteil des HIV-PCR-Tests ist, dass er als Screeningtest nicht validiert und auch von den Krankenkassen nicht bezahlt wird.
Soll das Testergebnis innerhalb von wenigen Minuten vorliegen, kann man den HIV-AK-Schnelltest zum Einsatz bringen. Für diesen benötigt man nur einen Tropfen Blut; da es sich lediglich um einen Antikörpertest handelt, ist ein diagnostisches Fenster von zwölf Wochen einzuhalten. Bei reaktivem Ergebnis des HIV-AK-Schnelltests wird ein HIV-Combo-Test mit möglichem anschließenden Bestätigungstest im Labor durchgeführt. Der HIV-Schnelltest ist seit August 2008 in Österreich zugelassen und sollte aufgrund der Komplexität der Thematik nur von Spezialisten durchgeführt werden.

AIDS-Hilfen

Seit 1985 bieten die AIDS-Hilfen Österreichs den HIV-Antikörpertest anonym und kostenlos mit ausführlicher Beratung (auch bei nichtdeutscher Muttersprache) an. Die AIDS-Hilfen Österreichs beraten darüber hinaus zu allgemeinen Fragen betreffend Partnerschaft, Sexualität und sexuell übertragbare Krankheiten. Für HIV-PCR- und HIV-Schnelltest, die ebenfalls anonym durchgeführt werden, ist ein Kostenbeitrag zu bezahlen.
Details siehe www.aidshilfen.at

Kostenübernahme

Ein HIV-Test kann mit einer entsprechenden Zuweisung, aber auch in einem Labor durchgeführt werden. Die Anonymität fällt dabei allerdings weg. Der Kostenübernahme dieser Routinetests durch die Sozialversicherung (Abrechnung über e-card) steht nichts im Wege, wenn man auf der Laborzuweisung bei der Vermutungsdiagnose den Vermerk „Verdacht auf HIV-Infektion“ anbringt. Bei Selbstzahlung kann aber auch hier die Testung anonym durchgeführt werden. Die Kosten für den HIV-Antikörpertest belaufen sich dann auf ungefähr 30 Euro, für den HIV-PCR-Test auf circa 100 Euro.

Neuinfektionen

Seit den ersten AIDS-Diagnosen in Österreich vor über 30 Jahren hat sich auf dem Gebiet der HIV-Therapie, -Testung und -Prävention viel verändert. Nichtsdestotrotz werden jährlich konstant zwischen 400 und 500 HIV-Diagnosen in Österreich gestellt. Die Viruslast erreicht in dieser ersten Infektionsphase besonders hohe Werte, die mit einem dementsprechend signifikant höheren Transmissionsrisiko einhergehen. Studien zeigen, dass in etwa 50 % aller Fälle, die HIV-Übertragung auf Kontakte mit Personen im Stadium der frühen HIV-Infektion zurückzuführen ist.
Die Inzidenz wird somit maßgeblich von nicht diagnostizierten Personen mit HIV-Infektion in der Frühphase vorangetrieben.
Auch für die Betroffenen selbst ist eine frühe Diagnose von Vorteil, da sie eine dementsprechende frühe Behandlung ermöglicht und dadurch die Prognose maßgeblich verbessert wird. Internationale und nationale Behandlungsleitlinien empfehlen heute (basierend auf validen Studiendaten), eine HIV-Therapie zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beginnen (siehe Abb.).
Umso wichtiger ist es daher, nicht nur zum individuellen Wohle der eigenen Patienten, sondern auch vom gesundheitspolitischen und epidemiologischen Standpunkt betrachtet, in der Anamnese mögliches Risikoverhalten zu eruieren sowie bei Verdacht einen HIV-Test anzubieten, durchzuführen und im Bedarfsfall auch engmaschig zu wiederholen.

 

 

Fazit

Die akute HIV-Infektion zeigt oft nur unspezifische oder gar keine Symptome, die chronische ist im Regelfall vollkommen beschwerdefrei. Daher ist eine offene und wertfreie Anamnese zur Einschätzung des Infektionsrisikos von großer Bedeutung.
Besteht ein Verdacht auf das Vorliegen einer HIV-Infektion, sollte, unter Berücksichtigung des diagnostischen Fensters von sechs Wochen, ein HIV-Combo-Test durchgeführt werden. Die österreichischen Sozialversicherungen übernehmen, wenn auf der Laborzuweisung die Diagnose „Verdacht auf HIV-Infektion“ vermerkt wird, problemlos die Kosten dafür. Beim Vorliegen einer HIV-Infektion sollte der Patient an ein spezialisiertes Zentrum überwiesen werden.