Honorarverhandlungen sind in Bundesländern bald Geschichte

Ein moderner Leistungskatalog ist dringend nötig. Darüber sind sich Ärztekammer und Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) längst einig. Offen sind die Inhalte. Die Corona-Pandemie hat aber Verhandlungen darüber und eine Konkretisierung in den vergangenen Monaten auf Eis gelegt. Unumstritten ist, dass die Coronakrise zeigte, dass die Abhängigkeit der Ärzte in den Ordinationen von der Menge der Patienten sehr groß ist. Unbestritten ist auch, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten die kassenärztlichen Leistungskataloge in der Tradition des Föderalismus in Österreich regional oft sehr unterschiedlich entwickelten. Erst vor wenigen Wochen betonte MR Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, dass es als Lehre aus der Pandemie „eine zeitgemäße Aufstellung aller Leistungen, die in Arztpraxen tatsächlich geleistet werden können und auch sollten“, braucht.

 

 

ÖGK für Pauschalierungen

Replik der Gesundheitskasse: „Seit etwa eineinhalb Jahren kündigt die Österreichische Ärztekammer die Präsentation eines Vorschlags für einen neuen Kassenärzteleistungskatalog an. Zwei Pressekonferenzen wurden mittlerweile in den letzten Monaten angesetzt und kurzfristig wieder abgesagt. Zuletzt wurde wieder eine Präsentation ohne Termin angekündigt“, sagte ÖGK-Arbeitnehmerobmann Andreas Huss und zeigte damit, dass die Nerven schon vor den Verhandlungen blank liegen. Huss legt auch gleich Eckpunkte fest: „Das von der Ärztekammer angestrebte Einzelleistungssystem ist mittlerweile für viele Ärzte abschreckend. Es setzt falsche Anreize und macht die Kassenärzte komplett abhängig von der Patientenfrequenz.“ Die ÖGK arbeite daher daran, analog zu den Vorgaben für die Primärversorgungseinheiten ein pauschales System zu entwickeln, „das viele Vorteile sowohl für die Versicherten als auch die Ärzte hat“. Derzeit gibt es nach der Fusion der Gebietskrankenkassen immer noch neun unterschiedliche Ärzteverträge.

Mehrjähriger Prozess

Jetzt legte die Ärztekammer die Ergebnisse eines mehrjährigen Prozesses, an dem mehr als 200 Ärzte beteiligt waren, vor. Steinhart und MR Dr. Edgar Wutscher, Projektleiter und Obmann der Bundessektion Allgemeinmedizin der Österreichischen Ärztekammer, sprechen von einem „Megaprojekt“: einem „modernen, völlig überarbeiteten und den aktuellen medizinischen Anforderungen entsprechenden kassenärztlichen Leistungskatalog für alle Fächer der Medizin“. „Das ist kein Honorarkatalog“, stellte Steinhart klar. „Wir präsentieren auf rund 150 Seiten einen rundum aktualisierten Katalog, der alle medizinischen Leistungen und ärztlichen Tätigkeiten abbildet, die in den Ordinationen auch tatsächlich geleistet werden können. Welche dieser medizinisch wünschenswerten Leistungen sich dann tatsächlich in der kassenärztlichen Realität wiederfinden wird, wird Gegenstand der Verhandlungen mit der Österreichischen Gesundheitskasse werden.“

 

 

„Veraltete Leistungskataloge“

Bisher würden bestimmte Leistungen in bestimmten Bundesländern angeboten und in anderen nicht. Dazu komme, dass die ärztlichen Honorare oft ohne sachlichen Grund beträchtlich schwanken. Zudem könne der bürokratische Aufwand, zum Beispiel für die Bewilligung von bestimmten Medikamenten, Diagnosen und Therapien, je nach Bundesland sehr unterschiedlich sein. Steinhart: „Veraltete Leistungskataloge tragen auch dazu bei, dass sich immer weniger Mediziner für den Beruf des Kassenarztes entscheiden.“ Es gebe also viele gute Argumente für einen modernen und österreichweit einheitlichen Leistungskatalog als Grundlage kassenärztlicher Leistungen.

Jetzt geht’s ums Geld

Kritik wurde bei der Präsentation aber auch gleich am Verhandlungsgegenüber laut: Dass seitens der ÖGK schon ungeduldig auf die Präsentation des Leistungskataloges gewartet wurde, passt für Wutscher ins Bild: „Statt selbst Initiative zu zeigen und selbst etwas auf die Beine zu stellen, wartet man lieber ab, ob nicht jemand anders die Probleme für einen löst. Wir haben das bei der Frage der Schutzausrüstung, bei der Frage der Kollateralschäden und auch bei der Frage der Ausgleichszahlungen für niedergelassene Ärzte gesehen – stets hat sich die ÖGK in nobler Zurückhaltung geübt, sich für nicht zuständig erklärt und hat die Arbeit den anderen überlassen.“ Auf der anderen Seite habe man sich in der ÖGK-Chefetage sogar noch gefreut, dass die Menschen weniger zum Arzt gingen und man dadurch das Minus in Grenzen halten konnte. Der Grund für die gegenseitigen medialen Sticheleien zwischen Kammer und ÖGK ist klar: Es geht ums Geld. „Ein neuer Katalog mit vielen modernen State-of-the-Art-Leistungen wird selbstverständlich auch mehr kosten als bisher, dafür aber zum Beispiel bei den Krankenhäusern Kosten einsparen“, legt Steinhart die Latte hoch: „Es ist zu hoffen, dass bei der Kassenführung nicht kurzfristiges Sparen im Vordergrund steht, um die Kosten der Kassenreform zu finanzieren, sondern das Interesse und Wohl der Bürger.“ In jedem Fall müsse mehr öffentliches Geld in die Gesundheitsversorgung investiert werden.

 

 

ÖGK gibt sich gesprächsbereit

Die ÖGK hielt sich vorerst zurück, bedankte sich ausdrücklich für den Entwurf und kündigte an, ihre eigenen Vorstellungen im Sinne einer guten Vertragspartnerschaft in die Verhandlungen einzubringen. Arbeitnehmerobmann Huss legt allerdings Eckpunkte für die Gespräche fest: „Wir wollen durch eine Modernisierung der Honorierung der selbständigen Vertragspartner eine Verbesserung der Qualität der Versorgung schaffen. Vor allem die kontinuierliche Betreuung von chronisch kranken Versicherten könnte durch eine pauschale Abgeltung von Betreuungspaketen einen qualitativen Quantensprung machen und gleichzeitig krisenfest gemacht werden.“ Ein Ausbau von pauschalierten Honorierungsmodellen würde dazu beitragen, dass mehr Zeit für den Patienten zur Verfügung steht, der dies braucht, vor allem, wenn die Pauschalen etwa nach Alter und chronischer Erkrankung gestaffelt werden. Es brächte aber auch Einkommenssicherheit für Ärzte. Das moderne Honorierungssystem solle zudem Anreize für junge Ärzte setzen, eine Kassenstelle zu übernehmen. „Sehr positiv“ reagierte der Vorsitzende der Konferenz der Sozialversicherungsträger, Peter Lehner, auf die Initiative der Ärztekammer. Lehner hofft, dass die Verhandlungen mit der ÖGK zügig geführt werden.