Individuellere Lösungen für Ärzteschaft

Wie geht die Umsetzung der Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen zur ÖGK voran? Was sind die nächsten Schritte?

Mag. Bernhard Wurzer: Die ÖGK ist auch für Menschen, die bereits seit 20 Jahren hier arbeiten, nicht mehr wegzudenken. Im Moment versuchen wir, eine neue, gemeinsame Kultur zu entwickeln. Für die Versicherten arbeiten wir daran, bundesweit alle Leistungen umzusetzen, also das Beste aus allen Ländern herauszuholen. Was den Personalstand angeht, sind wir derzeit stabil. Trotz der Situation, dass wir während der Pandemie viele Aufgaben übernommen haben, wie den Ankauf von Schutzbekleidung, Stundungen der Beiträge und vieles mehr. In den nächsten Jahren wollen wir daran arbeiten, Synergieeffekte zu lukrieren – vor allem bei der Kostenerstattung und ähnlichen Themen, wo sich die Bundesländer gegenseitig helfen können.

Was sind die nächsten Schritte im Hinblick auf den Ärzt:innenmangel?

Wir führen bereits Gespräche mit der Ärztekammer – auch was den bundesweiten Gesamtvertrag betrifft. Es gibt aber individuelle Bedürfnisse der einzelnen Ärzt:innen – manche möchten sich nicht mit Bürokratie oder Buchhaltung beschäftigen, sondern sich auf die Patient:innen konzentrieren. Sie möchten Ärztin bzw. Arzt sein. Das sehen wir und haben da schon erste Modelle umgesetzt. Hier wollen wir auch die nächsten Schritte einleiten, wie etwa das „Susi-Sorglos-Paket“, wo wir Ärzt:innen anbieten, dass sie „nur“ Ärztin bzw. Arzt sein können und der Rest von jemandem für sie übernommen wird. Das muss natürlich finanziert werden, aber das ist eine Erleichterung, und die Ärzt:innen können sich um ihre Patient:innen kümmern.

Gibt es den Ärzt:innenmangel überhaupt?

Das ist ein politisch verfestigter Begriff, wo es einerseits heißt, dass wir einen Mangel haben und andererseits, dass es immer mehr Wahlärzt:innen gibt. Ich glaube nicht, dass wir einen Mangel haben, sondern ein Verteilungsproblem. Durch das veränderte Arbeitszeitgesetz hat sich im Krankenhaus viel getan, und manche Ärzt:innen machen sich neben ihrem Job im Spital selbstständig. Eine andere Sache ist, dass wir bei manchen Stellen Probleme haben, diese zu besetzen. Vor allem deshalb, weil die individuellen Unterschiede bei den Stellen so groß sind und in einem Gesamtvertragssystem nicht alles berücksichtigt werden kann. Meist scheitert das an den Rahmenbedingungen, nicht an den Umsätzen: Wo liegt eine Ordination? Gibt es Schulen? Wie sieht die Infrastruktur aus? Die Frage ist also das Umfeld und die Situation jeder einzelnen Stelle. Das muss man sich individuell anschauen und individuelle Lösungen entwickeln. Da sind uns aber manchmal aufgrund der Gesamtvertragslogik die Hände gebunden, genauso wie übrigens auch der Ärztekammer. Wenn wir bei einer Stelle mit einer bestimmten Lösung helfen würden, kommen sofort andere Ärzt:innen zur Kammer und wollen das auch – selbst, wenn es in ihrem Fall gar nicht nötig ist.

Was sind aktuell die drei wichtigsten Fragen, die es aus Sicht der ÖGK zu lösen gilt, und wie werden Sie vorgehen?

Das Hauptthema ist sicherlich die Pandemie. Und durch Corona verstärkt die Digitalisierung. Da gibt es die Überlegung, „1450“ weiter auszubauen und Videokonsultationen einzuführen. Bei der ÖGK haben wir das ja bereits gemacht mit „visit-e“. Eine weitere Herausforderung ist das geänderte gesellschaftliche Verhalten. Sind Menschen krank, wollen sie gleich einen Termin – und nicht erst in drei Wochen. Das führt dazu, dass viele in die Ambulanzen gehen. Die Antwort ist also nicht, eine Ordination von 9 bis 12 Uhr offenzuhalten, sondern auf Zusammenschlüsse zu setzen, damit es Öffnungszeiten von 7 bis 19 Uhr gibt. Stichwort: Primärversorgungseinheiten – damit Patient:innen, wenn sie ein Problem haben, auch sofort drankommen.