Influenza-Impfung: „Es ist für jeden etwas dabei“

Ärzte Krone: Die Influenza-Impfung ist immer wieder der Kritik ausgesetzt, dass sie nicht wirke. Welche Kriterien bedingen ihre Wirksamkeit?

Monika Redlberger-Fritz: Ein entscheidender Faktor ist, ob die Virusstämme in den Impfstoffen mit den zirkulierenden Viren übereinstimmen. Das Influenza-­Virus ist ein RNA-Virus mit einer sehr ­hohen Mutationsrate, und man kann nicht immer genau vorhersagen, in welche Richtung sich die Antigendrift bewegen wird. Jedes Jahr im Februar veröffentlicht die WHO die Empfehlungen zur Impfstoff-Zusammensetzung für die kommende Influenza-Saison der Nordhalbkugel. Für die Influenza-A-Viren wird jeweils ein H1N1- und ein H3N2-Virus-Typ festgelegt. Bei der Influenza B gibt es zwei genetische Linien, Yamagata und Victoria. Sehr lange wurde nur eine Influenza-B-Linie empfohlen. Seit dem Vorjahr sind in Österreich neben den trivalenten Impfstoffen nun auch die tetravalenten Impfstoffe am Markt, die beide genetischen Influenza-B-Linien abdecken.

Wie oft stimmt die WHO-Empfehlung zu den Virustypen mit der Realität überein?

Eigentlich sehr häufig. Es ist aber nicht immer relevant, ob alle Empfehlungen richtig sind, denn selbst wenn ein Stamm falsch vorhergesagt wurde, hat das wenig Konsequenz, wenn dieser nicht stark präsent ist. Wichtig ist, dass das dominante Virus richtig vorhergesagt wurde. In der Saison 2017/2018, zum Beispiel, wurden 29 % der Erkrankungsfälle durch H1N1, 6 % durch H3N2 und 65 % von Influenza-B-Viren ausgelöst, davon gehörten über 99 % zur Yamagata-Linie. Yamagata war in der Empfehlung für trivalente Impfstoffe für 2017/2018 jedoch nicht enthalten. Ich erwarte, dass die österreichischen Empfehlungen zur Grippeimpfung zukünftig verstärkt in Richtung der Vierfach-Impfstoffe gehen werden.

 

Es gibt eine Vielzahl an Influenza-Impf­stoffen am Markt, wie unterscheiden sich diese?

Jede Impfstoffgruppe hat ihre Vor- und Nachteile. Es ist gut, dass verschiedene am Markt sind, denn so können wir für jeden Patienten den jeweils am besten geeigneten auswählen. Der tetra­valente attenuierte Lebendimpfstoff, zum Beispiel, ist nur für Kinder von zwei bis 18 Jahren zugelassen und wird intranasal verabreicht. Er hat zwei große Vorteile. Zum einen die wesentlich bessere Com­pliance bei Kindern, denn ein Nasenspray ist schnell verabreicht und tut nicht weh, und zum anderen ein besseres immunologisches Priming bei Erstimpfung. Durch den Kontakt mit dem lebenden Influenza-­Virus wird sowohl der B-Zell-Schenkel als auch der T-Zell-Schenkel des Immun­systems angesprochen und eine bessere Grundimmunität gebildet als bei Totimpfstoffen. Auch wird durch den Lebendimpfstoff eine wesentlich bessere Kreuzprotektivität erzielt, was von Vorteil ist, sollten die WHO-Empfehlungen nicht mit den zirkulierenden Viren übereinstimmen. In den USA ist der Lebendimpfstoff bis ­45 Jahre zugelassen, für die europäische Arzneimittelbehörde sind derzeit Studien am Laufen, die zu einer Anhebung des Zulassungsalters führen sollen.

Und bei den Totimpfstoffen?

Hier gibt es mehrere Varianten. Mit den Subunit-Impfstoffen werden nur hochgereinigte Oberflächenproteine geimpft, dadurch haben sie eine sehr geringe Nebenwirkungsrate. Wenn jemand empfindlich auf Impfungen reagiert, dann sind das die zu bevorzugenden Impfstoffe. Im Gegensatz dazu haben die sogenannten Split-Virion- oder Spalt­impfstoffe den Vorteil, dass das gesamte Influenza-Protein im Impfstoff enthalten ist und nicht nur die Oberflächenproteine. Damit ergibt sich der Vorteil einer etwas breiteren Antikörperantwort und einer stärkeren Kreuzprotektion, aber der Nachteil von eventuell mehr lokalen Nebenwirkungen. Zusätzlich gibt es noch die Möglichkeit, einen adjuvierten Impfstoff anzuwenden. Das Adjuvans, meist MF 59, führt als Wirkverstärker zu einer verbesserten Antigenaufnahme und -präsentation. Diese Impfstoffe haben den Vorteil, dass sie in der Altersgruppe der Über-65-Jährigen viel höhere Antikörperspiegel im Vergleich zu den nichtadjuvierten Vakzinen produzieren.

Schützen nun all diese Impfstoffe gleich gut vor Influenza?

Man vermutet, dass es unterschiedliche Wirksamkeiten in der Vaccine Effectiveness gibt, also darin, wie oft eine Influenza trotz Impfung ausbricht. Tatsache ist, dass es darüber noch keine aussagekräftige Studie gibt. Darum wurde jetzt das DRIVE-Projekt gestartet, das für „development of robust influenza vaccine effectiveness“ steht. In dieser Studie werden in vielen europäischen Zentren und auch in Österreich Daten darüber gesammelt, ob Influenzapatienten geimpft waren oder nicht, und wenn ja, welchen Impfstoff sie erhalten haben. Aufgrund der großen Studienpopulation kann man die Vaccine Effectiveness dann bis auf die einzelne Impfstoffmarke herunterbrechen. Das Projekt läuft 2018 an, wird für insgesamt fünf Jahre durchgeführt und lässt damit auch den Vergleich verschiedener Influenza-Saisonen zu.

 

Woher kommen die österreichischen Daten für das DRIVE-Projekt?

Im Rahmen unseres Sentinella-Systems erfassen wir stichprobenartig Influenza-Virus-Infektionen. ­50 bis 100 freiwillig kooperierende Ärzte in ganz Österreich senden Nasen-Rachen-Sekret-Proben an unser Zentrum, die wir analysieren. Zusätzlich erhalten wir die Information, ob die Patienten geimpft waren. Mit diesem Netzwerk decken wir ein Prozent der österreichischen Bevölkerung ab und können damit die Ergebnisse auf die Gesamtpopulation hochrechnen. Die Daten des Sentinella-Systems werden auch für die DRIVE-Studie genutzt.

Wie viele Menschen lassen sich aktuell gegen Influenza impfen?

Die jährliche Durchimpfungsrate ist mit 5 bis 8 Prozent furchtbar schlecht. Wir sind damit im europäischen Schlussfeld, meistens an der vorletzten Stelle. Wir haben 400 bis 4.000 influenzaassoziierte Todesfälle pro Jahr, in Abhängigkeit von der Stärke der Saison. Die meisten davon in der Gruppe der Über-65-Jährigen. Jedes Jahr kommt es ­außerdem zu nosokomialen Infektionen durch das Gesundheitspersonal. Besonders tragisch ist es, wenn das auf einer onkologischen Station passiert, da diese Patienten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit an der Influenza versterben.

Darum ist es ganz besonders wichtig, dass sich das Gesundheitspersonal impfen lässt!

 

Online-Empfehlungen

www.influenza.at
www.drive-eu.org