Kassenlimits – die Front bröckelt

„Das System der degressiven Honorarregelungen stammt aus einer Zeit, in der wir in Österreich eine riesige Ärzteschwemme hatte. Da hat man gedacht, es wird kaum ein niedergelassener Allgemeinmediziner mehr als 1.100 Krankenscheine pro Quartal zusammenbringen“, sagte Dr. Thomas Fiedler, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in Oberösterreich.
Eine Ergänzung dazu stellen die Deckelungen für die Zahl bestimmter via Gebietskrankenkasse (GKK) verrechenbarer Leistungen dar. Dr. Lothar Fiedler, Bundesfachgruppenobmann Innere Medizin der Österreichischen Ärztekammer: „Diese Deckelungen hat man immer dann eingeführt, wenn eine neue Leistung dazugekommen ist. Mir ist aus keiner Zeit erinnerlich, dass die Krankenkasse je eine neue Leistung gefordert hätte. Aber man hat sich halt irgendwann und zumeist spät auf irgendeinen Modus geeinigt, wie oft eine bestimmte Leistung im Quartal von einem Arzt verrechenbar ist.“
Letzteres traf speziell die Kassenfachärzte, deren Honorarkataloge deutlich mehr als jene der Hausärzte auf Einzelleistungen beruhen. Und Abschläge zogen in Österreich mehrere GKK auch gleich für die Gruppenpraxen ein, obwohl gerade die ja in Zukunft mehr Patienten versorgen sollen. In Wien gibt es keine Abschlagszahlung für Gruppenpraxen.
Beispiele aus den Wiener GKK-Verträgen (Allgemeinmedizin):

  • „Ausführliche diagnostisch-therapeutische Aussprache“ – 18% der Fälle pro Quartal als Maximum. „Psychosomatisch orientiertes Diagnose- und Behandlungsgespräch“ – maximal 20% bei PSY-II-Absolventen.

Beispiele aus dem Facharztbereich (Wiener GKK-Verträge):

  • „Psychosomatisch orientiertes Diagnose- und Behandlungespräch“ – bei maximal 5% der Fälle. Augenärzte: „Untersuchung mit dem Refraktometer“ – maximal 40% der Fälle. HNO-Ärzte bekommen nur bei 70% der Patienen eine Untersuchung mit dem Otomikroskop bezahlt – skurril.

„Befundberichte zur Weiterbehandlung durch andere Ärzte“ – maximal bei 5% der Patienten. „Abklärung der weiblichen Harninkontinenz“ beim Gynäkologen – maximal bei 6% der Patientinnen. Pricktests etc. beim Hautarzt, Pulmologen – bei 5% der Patienten.
Kardiologische bzw. angiologische „Klassiker“: Langzeit-EKG beim Internisten – maximal 10% der Patienten, Zuschlag für Betreuung antikoagulierter Patienten – bei maximal 10%. Doppler-Echokardiografie/Carotis-Ultraschall – 35% beim Angiologen, 10% beim Kardiologen. In Wien gelten diese Limits bei reiner Zuweisung durch andere Ärzte nicht, in anderen Bundesländern sehr wohl!
„Das muss man einfach ändern. In Niederösterreich war ja sogar im Honorarkatalog der Begriff der Dopper-Echografie verpönt“, so L. Fiedler. Da hieß es dann „pulsabhängige Durchflusssonografie“. Die nach M-Mode und 2D-Verfahren nachkommenden Entwicklungen wurden offiziell gar nicht mehr berücksichtigt. Kleine Krankenkassen beschlossen schließlich das Holter-EKG via kassenfreien Raum zu honorieren.
So abstrus das alles klingt, es scheint sich – zumindest in Oberösterreich – ein Umdenken abzuzeichnen. T. Fiedler: „Wir haben gerade einen neuen Vertrag mit der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse abgeschlossen. Dazu muss man wissen, dass wir mit der GKK seit Beginn des Arzneimitteldialogs vor 15 Jahren ein gutes und korrektes Gesprächsverhältnis haben, seit mehr als zehn Jahren existiert bei uns das System der Balanced Score Card –‚ Ich gebe, damit ich bekomme‘.“
Mit 1. Jänner 2015 wird in Oberösterreich zum größten Teil aufgeräumt mit den herkömmlichen degressiven Honoraren.

  • Allgemeinmedizin: Volle Vergütung der Krankenscheine bis 1.100 Patienten mit 24,36 Euro (bisher nur bis 808 Krankenscheine und Quartal). 1.101 Scheine bis 1.400 Patienten: 12,50 statt 4,83 Euro, darüber dann nur noch 5,04 Euro.
  • Bei den Fachärzten wurden die Limits hinaufgesetzt: 33% Abschläge ab einem Quartalsumsatz von 55.450 Euro, 45% ab 63.508,80 Euro.

T. Fiedler: „Wichtig ist, dass bei uns jetzt 85–90% der Kassenärzte für ihre wirklich geleistete Arbeit die vollen Honorare bekommen. Die nunmehr geltenden Limits treffen nur noch wenige Ärzte.“ Und irgendwie betone man zum Beispiel auch bei Allgemeinmedizinern im Grunde Selbstverständliches: In einer Einzelpraxis sind mehr als 1.400 Patienten pro Quartal nicht mehr so zu betreuen, wie man das üblicherweise erwartet.
Natürlich gibt es auch in Oberösterreich Deckelungen bei den Einzelleistungen. Der Kurienobmann: „Das kann ein Problem darstellen. Aber wir haben jetzt einmal die großen Rahmenbedingungen verändert. Wir wollten Limits von unten her abbauen, damit möglichst alle Ärzte gerecht davon profitieren.“

 

Großflächige Deckelungen

Dr. Rudolf Hainz, Kurienobmann-Stellvertreter niedergelassene Ärzte der Ärztekammer in Wien listete gegenüber der Ärzte Krone das in den Wiener GKK-Verträgen das ganze großflächige Deckelungsspektrum auf: „Was uns als Allgemeinmediziner am meisten stört, ist zum Beispiel die Beschränkung bei der therapeutischen Aussprache auf 18% der Patienten. Bei der Krankenfürsorgeanstalt liegt sie bei 33%, bei der Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau bei 25%. Da konnten wir das schon etwas aufweichen.“
„Problematisch ist auch die ‚Mitvisite‘ – zum Beispiel bei betreuten Angehörigen in einem Haushalt.“ Hier sei zwar eine Anhebung von 20 auf 30% erfolgt, die Zahl der Fälle, wo es Abschläge gibt, steige aber, so Hainz.
Katastrophal sei auch die in Wien erfolgte „Gesamtdeckelung“ der Honorare für die Physikalische Medizin zu sehen. „Das führt dazu, dass Ärzte ihren Service nach ihrer Einstufung am Beginn nie mehr ausweiten können und behindert sie an ihrer beruflichen Weiterentwicklung“, sagte Hainz. Und bei CT und MR mit derzeitigen Wartezeiten von sechs Wochen werde man ab Oktober/November dieses Jahres wohl nur noch 2016 Termine bekommen.
„Dass die Fachärzte nur bei 5% ihrer Patienten einen Befundbericht bezahlt bekommen, ist für uns zuweisende Allgemeinmediziner unerträglich. Wir brauchen das ja“, betonte Hainz. Der „Deckel“ auf CRP-Untersuchungen beim Lungenfacharzt auf 2% der Fälle, die Deckelung bei Prick-Test etc. auf 5% etc. seien völlig unangebracht.
Dass in Wien ein Psychiater die Betreuungsposition für einen Patienten mit Psychose nur einmal im Quartal verrechnen kann, wirft einen Schlagschatten auf das System. Genauso ist das bei dem uro-onkologischen Beratungsgespräch, das Urologen bei 2% (!) ihrer Patienten verrechnen dürfen. Das Limit für den Streptokokken-A-Schnelltest bei Kinderärzten: 2%!
Der stellvertretende Kurienobmann sieht düstere Wolken auf das Wiener Gesundheitswesen heranziehen. „Im Donauspital bleibt die urologische Ambulanz aus Kapazitätsängeln in Ferienwochen am Dienstag und Donnerstag geschlossen. Die Patienten kriegen keinen Termin mehr. Das können die niedergelassenen Fachärzte nicht auffangen. Und die HNO-Ambulanz hat man dort überhaupt zugesperrt.“