Leistenschmerz: ein unterschätztes Leiden

Der chronische Leistenschmerz betrifft Tausende Patient:innen in Österreich und bedeutet oft einen langen Leidensweg. Eine strukturierte und kompetente Abklärung sollte von spezialisierten Chirurg:innen spätestens dann vorgenommen werden, wenn andere (orthopädische, gynäkologische, urologische) Ursachen ausgeschlossen wurden.

Sportlerleiste – Leistenschmerz bei sportlich aktiven Menschen

Die Abklärung des Leistenschmerzes bei sportlich aktiven Patient:innen sollte in jedem Fall den Ausschluss orthopädischer und traumatologischer Ursachen beinhalten. Bei jungen Männern ist zudem an das Vorhandensein von Hydrozelen, bei Frauen an eine chronische Adnexitis oder Endometriose zu denken. Sobald Patient:innen mit dem Label „Sportlerleiste“ gebrandet sind, laufen sie Gefahr, differenzialdiagnostisch vernachlässigt zu werden. Es kann aber auch vorkommen, dass rundum abgeklärte Patient:innen mit Sportlerleiste schlussendlich mittels laparoskopischer Exploration untersucht werden, wobei manchmal Leisten- und Schenkelhernien zum Vorschein kommen. In solchen Fällen ist auf eine umfassende und zweckmäßige Aufklärung zu achten, und es sollte gemeinsam mit Patient:innen definiert werden, welcher Eingriff im Rahmen der Laparoskopie durchgeführt werden darf und ab wann ein Zweiteingriff geplant werden muss.

Leistenschmerz durch Leisten- und Schenkelbrüche

Leistenbrüche und ihre Sonderform Schenkelbrüche (dabei tritt der Bruchsack tiefer an der Innenseite des Oberschenkels im Verlauf mit den Femoralgefäßen aus) sind entweder angeboren oder auf Basis einer Bindegewebsschwäche erworben. Tritt der Bruch bei Männern zusammen mit dem Samenstrang durch die Bauchwand, dann spricht man von lateralen oder indirekten Hernien. Ist der Defekt, durch die der Bruchsack zieht, die sogenannte Bruchpforte, abgesetzt vom Durchtritt des Samenstranges, spricht man von einer medialen oder direkten Hernie. Vereinfachend gesagt, wird es zu vermehrten Schmerzen kommen, wenn es ein Missverhältnis zwischen Bruchpfortendurchmesser und Größe des Bruchsackes (in dem sich Fettgewebe oder auch Dünn- bzw. Dickdarm finden können) gibt. Das heißt, die Lücke ist zu klein oder der Bruchsack, der sich durchquetscht, zu groß.
Der Schmerz wird durch alle Aktivitäten oder Umstände verstärkt, die den Druck in der Bauchhöhle erhöhen und zu einem verstärkten Tonus der Bauchmuskulatur führen – körperliche Aktivität bei Arbeit, Sport, sexuelle Aktivität, in der Schwangerschaft oder bei Gewichtszunahme. Schmerzen oder nur ein diffuses Druckgefühl sind deshalb manchmal der erste Hinweis auf eine Leistenhernie, bevor eine Schwellung sichtbar wird. Schenkelhernien, die Frauen öfter betreffen, sind schwieriger zu diagnostizieren, und hier ist der Schmerz häufig das erste Symptom.

„Die Abklärung und Therapie des Leistenschmerzes durch auf Hernien- und Leisten-Chirurgie spezialisierte Ärzt:innen kann oftmals junge Patient:innen mit Leistenproblemen vor einem jahrelangen Spießrutenlauf bewahren.“

Leistenschmerz nach Hernienoperationen

Schmerzbedingte Bewegungseinschränkung, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie), reaktive Depressionen und Nebenwirkungen hochdosierter analgetischer Dauertherapie kennzeichnen dieses Leiden. Wie bereits angeführt, sind meistens Nervenverletzungen durch direkte Traumata (Tacks oder Nähte) ursächlich, seltener Einengung durch Adhäsionen oder lokale Vernarbung. Patient:innen mit Leistenschmerzen nach Leistenbruchoperationen sollten wiederum spezialisierten Hernienchirurg:innen vorgestellt werden. Diese werden eine genaue Abklärung mit einem Ultraschall der Leiste und mit der Zuweisung zur Messung der Nervenleitgeschwindigkeit beziehungsweise zur Erhebung eines neurologischen Status veranlassen. Das therapeutische Armamentarium reicht von physiotherapeutischer Behandlung über wiederholte gezielte Infiltration mit Nervenblockade bis hin zu operativen Verfahren. Diese umfassen vor allem die komplizierte Entfernung von Tacks und Nähten sowie gegebenenfalls des Kunststoffnetzes. Da alle diese Materialien vom Körper rasch und gut integriert werden, sind diese Explantationen mit einem hohen Komplikationsrisiko behaftet. In seltenen Fällen wird an Zentren auch eine sogenannte „triple neurectomy“ durchgeführt – das ist die rückenmarksnahe Durchtrennung der die Leiste versorgenden Nervenäste der Nervi ilioinguinalis, iliohypogastricus und genitofemoralis. Dieser in Schlüssellochtechnik durchgeführte Eingriff ist die Ultima Ratio. Die Methode weist mit einer Rate von 40–70 % schmerzfreier Patient:innen postoperativ gute Ergebnisse in der dauerhaften Ausschaltung des chronischen Leistenschmerzes nach Operationen auf, wobei aber auch hier die absolute Schmerzfreiheit nicht garantiert werden kann. Die Kombination mehrerer Therapieansätze unter Ausschöpfung aller konservativen Möglichkeiten ist in der Behandlung des postoperativen Leistenschmerzes angezeigt.

Praxismemo

  1. Der Leistenschmerz nach Hernien-OP ist durch ein neurogenes Schmerzbild mit Brennen, Stechen und Parästhesien gekennzeichnet.
  2. Sportlerleisten, Leisten- und Schenkelbrüche sowie Beschwerden nach Hernien-OP sollten chirurgisch begutachtet werden.
  3. Leisten- und Schenkelhernien betreffen ingesamt etwa jeden vierten Mann im Laufe seines Lebens.
  4. Schmerzen oder nur ein diffuses Druckgefühl sind manchmal der erste Hinweis auf eine Leistenhernie, bevor eine Schwellung sichtbar wird.
  5. Ultima Ratio der Therpie des postoperativen Leistenschmerzes ist die „triple neurectomy“, bei der Nervenäste durchtrennt werden.