Lipidtherapie mit Fokus auf Diabetes mellitus Typ 2

Seit der Framingham-Studie ist bekannt, dass die Inzidenz koronarer Herzerkrankungen durch die Reduktion des Gesamtcholesterins von 295 mg/dl auf 204 mg/dl um 85 % gesenkt werden konnte. Es ist aus vielen Studien bekannt, dass das Absenken des LDL-C-Spiegels um ca. 40 mg/dl eine Senkung der kardiovaskulären Ereignisse um ca. ein Fünftel verursacht. Zudem gibt es einen linearen Zusammenhang zwischen der absoluten Senkung des LDL-C-Spiegels und einem Rückgang der Inzidenz schwerwiegender vaskulärer Ereignisse. Viele Studien konnten konsistent zeigen, dass die Therapie bzw. die Absenkung des LDL-C-Spiegels das kardiovaskuläre Risiko senken – die meisten untersuchten die Statintherapie. Aber auch zu Ezetimib und zuletzt auch PCSK9-Hemmern gibt es positive Daten.

Je niedriger, umso besser

Im letzten Jahrzehnt wurden einige neue Studien publiziert, die zeigen konnten, dass eine nochmalige Reduktion von LDL-C eine weitere Reduktion des relativen Risikos für atherosklerotisch kardiovaskuläre Erkrankungen erreichen kann. So hat die CTT-Metaanalyse eine Reduktion von 66 auf 50 mg/dl erreicht und dabei eine Risikoreduktion um minus 30 %. Die IMPROVE-IT-Studie, die Ezetimib + Statin versus Statin untersuchte, erreichte eine Reduktion von LDL-C von 70 auf 54 mg/dl, damit eine Risikoreduktion von ca. 10 %. Und natürlich die großen PCSK9-Outcomes-Studien FOURIER und ODYSSEY, in denen von einem Ausgangs-LDL von jeweils 92 mg/dl auf 30 bzw. 53 mg/dl gesenkt wurde, konnten eine Risikoreduktion von ca. nochmals 15 % erreichen.

Aufgrund dieser rezenten Studien, in denen Patient:innen mit Diabetes und ohne Diabetes eingeschlossen waren, senkte die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) und die Europäische Atherosklerosegesellschaft (EAS) die LDL-Zielwerte nochmals:Grundsätzlich sollte bei allen Menschen ein LDL-C < 116 mg/dl erreicht werden. Ein LDL-Zielwert von < 100 mg/dl gilt für Personen mit moderatem Risiko mit einem SCORE-Wert von 1 % bis < 5 % bzw. für Patient:innen mit Typ-1-Diabetes und < 35 Jahre bzw. für Patient:innen mit Typ-2-Diabetes und < 50 Jahre mit einer Diabetesdauer < 10 Jahre ohne weitere Risikofaktoren. Für die große Masse der Patient:innen mit Diabetes Typ 2 gelten LDL-Zielwerte < 70 mg/dl bzw. < 55 mg/dl. Für jene mit und ohne Organschaden und mit einer Diabetesdauer > 10 Jahre bzw. ohne weitere additionale Risikofaktoren ist ein LDL < 70 mg/dl anzustreben; < 55 mg/dl sollten jene Diabetespatient:innen erreichen, bei denen zusätzlich ein Endorganschaden vorliegt oder die mehr als 3 Risikofaktoren aufweisen. Zu diesen Risikofaktoren zählen: Nierenfunktionseinschränkung, Alter, Bluthochdruck, Rauchen und Übergewicht. Für Patient:innen mit Typ-1-Diabetes seit mehr als 20 Jahren gilt ebenfalls ein LDL-Zielwert < 55 mg/dl. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mehr als 90 % aller Diabetespatient:innen in die LDL-Zielwertgruppe von < 70 mg/dl fallen und wahrscheinlich etwa die Hälfte davon einen LDL-C-Ziel < 55 mg/dl hat.

„Kaum ein Bereich in der Medizin ist mit besserer Evidenz ausgestattet.“

Status quo in Österreich

Wir schätzen, dass es in Österreich ca. 1,4 Millionen Patient:innen mit Dyslipidämie gibt. Von dieser Population scheinen 850.000 Patient:innen unter Behandlung zu stehen. Davon nehmen 600.000 eine Statintherapie ein, wobei mehr als 70 % unter einer Hochdosisstatintherapie stehen. Ungefähr 6.000 Patient:innen werden mit PCSK9-Hemmern behandelt und ein deutlich größerer Anteil mit Ezetimib bzw. Bempedoinsäure.

Multifaktorielle Risikoreduktion

Es gibt im Bereich der Risikofaktoren für atherosklerotisch kardiovaskuläre Erkrankungen im Wesentlichen 9 Risikofaktoren. Diese sind (mit dem Prozentsatz des Einflusses in Klammern) Lipide (50 %), Rauchen (36 %), psychosoziale Probleme (33 %), abdominelle Adipositas (20 %), Hypertonie (18 %), zu wenig Obst und Gemüse (14 %), Bewegungsmangel (12 %), Diabetes mellitus (10 %), Alkohol (7 %). All diese Risikofaktoren zusammenzählt ergeben 90 %. In diesem Zusammenhang muss man bedenken, dass die atherosklerotisch kardiovaskulären Erkrankungen sich über den gesamten Zeitraum hinziehen, und wenn man bedenkt, dass ab 45 Jahren jeder Fünfte an Diabetes mellitus leidet, wird es klar, dass der Einfluss von Diabetes in diesem Zeitraum deutlich höher wird. Die Risikofaktoren für atherosklerotische Erkrankungen können in modifizierbar und in nicht modifizierbar unterteilt werden. Zu den modifizierbaren zählen Rauchen, Dyslipidämie, Blutdruck, Diabetes mellitus, Übergewicht, diätetische Faktoren, Mangel an körperlicher Aktivität und Alkoholkonsum. Nicht modifizierbar sind eine kardiovaskuläre Erkrankung in der Anamnese oder der Familienanamnese, das Alter und das Geschlecht. Um das kardiovaskuläre Risiko zu senken, ist der reine Ansatz am LDL zu kurz gegriffen. Vielmehr braucht es einen multifaktoriellen Ansatz vom Nikotinstopp über die Blutdruckeinstellung, die Optimierung der Glukosesituation bei Diabetes mellitus bis zur Motivation zur körperlichen Aktivität.

Praxismemo

  1. Die Hochdosisstatine Atorvastatin und Rosuvastatin können eine LDL-C-Reduktion von ca. 50 % erreichen.
  2. Aufgrund der vielen Mythen, die es zur Lipidtherapie gibt, ist Patient:innenaufklärung besonders wichtig.
  3. 90 % aller Diabetespatient:innen haben einen LDL-Zielwert von zumindest < 70 mg/dl.

Therapieeskalation
Vom Statin bis zum PCSK9-Hemmer
Insgesamt lässt sich sagen, dass die Therapie mit Statinen sehr sicher und sehr nebenwirkungsarm ist. Unverträglichkeiten sind relativ selten, und eine Therapie ist in vielen Fällen zielführend. Bei vermuteter statininduzierter Myopathie kann mit dem Rosenson-Score evaluiert werden. Wichtig ist die Frage nach der Lokalisation, dem zeitlichen Verlauf, der Besserung durch Absetzen und dem neuerlichen Auftreten von Symptomen nach Reexposition. Zu bedenken ist diesbezüglich auch, dass es hydrophile und lipophile Statine gibt. Zu den hydrophilen Statinen zählen Rosuvastatin und Pravastatin, zu den lipophilen Statinen Atorvastatin und Simvastatin. Ein Wechsel von hydrophil auf lipophil oder umgekehrt kann bei Unverträglichkeit durchaus sinnvoll sein.
Sollten Therapien mit Statinen nicht ausreichend sein, ist speziell bei Patient:innen mit Diabetes an eine zusätzliche Therapie mit Ezetimib zu denken. Sollte dies weiterhin nicht ausreichen, kann eine Therapie mit Bempedoinsäure angefügt werden bzw. ist bei Statinunverträglichkeit auch eine Kombination möglich.
Sollten diese Therapien nicht ausreichen, um das LDL-C-Ziel von 70 mg/dl oder 55 mg/dl zu erreichen, ist eine Therapie mit einem PCSK9-Hemmer anzudenken (Alirocumab, Evolocumab, Inclisiran).