Zeitgemäße Adipositastherapie

Die Prävalenz der Adipositas hat sich seit 1975 verdreifacht und beträgt heute weltweit 13 %. Allein die aktuellen Daten an den Salzburger Landeskliniken zeigen, dass in Salzburg sogar jede fünfte Person zwischen dem 40. und dem 70. Lebensjahr einen BMI > 30 kg/m2 aufweist. Damit einhergehend nehmen die adipositasassoziierten Folgeerkrankungen – allen voran das metabolische Syndrom und der Typ-2-Diabetes – zu, die ein überproportional erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall mit sich bringen und damit eine große Herausforderung für unser Gesundheitssystems darstellen.

Organfunktionen von Fettgewebe

Mit Zunahme der Fettdepots kommt es durch die Adipozytenhypertrophie zur Hypoxie, Autophagie und Apoptose der Fettzellen und somit zum Einwandern von Immunzellen und zur Sekretion von Entzündungsmediatoren und hormonähnlichen Substanzen (Adiponektine), die eine Fettgewebsinflammation mit Aktivierung einer Immunantwort auslösen. Das Fettgewebe ist somit ein hoch stoffwechselaktives Organ, das Einfluss auf das Immunsystem, die Leber, das Gehirn, das Herz- und Gefäßsystem nimmt und schlussendlich auch eine autokrine Wirkung aufweist. Durch diese Fehlfunktion, die bei Adipositas vorliegt, ist die Lipolyse und somit die Lipotoxizität gesteigert und die Glukoseaufnahme in die Fettzelle reduziert. Durch die systemische Inflammation kommt es zur Entstehung einer Insulinresistenz in Leber und Muskulatur, zur Ausbildung einer nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) mit der nachfolgenden Entstehung der assoziierten kardiometabolischen Erkrankungen und dem erhöhten Risiko für Tumorerkrankungen.

Therapieoptionen in Österreich

Die Adipositas ist eine chronische Erkrankung mit hoher Rezidivrate. Ihre Behandlung ist langwierig, und es bedarf eines interdisziplinären Teams, um die konservativen Therapieansätze langfristig umsetzen zu können.
Der Einsatz proteinreicher Formuladiät in der Behandlung der Adipositas ist nicht neu. Dieser Ansatz hat aber gerade durch die DiRECT-Studie wieder stark an Bedeutung gewonnen. In dieser Studie wurde in einer primär hausärztlichen Versorgung in Schottland und England der (erfolgreiche) Einsatz von Formuladiät untersucht, einerseits zur Reduktion des Körpergewichtes um bis zu 15 kg sowie zur Remissionsinduktion eines Typ-2-Diabetes (Diabetesdauer max. 6 Jahre, keine Insulintherapie). Dabei konnte eindrücklich gezeigt werden, dass nach 12 Monaten die Remissionsrate in der Interventionsgruppe 46 % vs. 4 % in der Kontrollgruppe (herkömmliche Betreuung durch die/den Hausärztin/Hausarzt) beträgt.
An den Salzburger Landeskliniken werden an der Universität für Innere Medizin I bereits seit 1999 strukturierte multimodale Gewichtsreduktionsprogramme mit initialem Einsatz von Formuladiät angeboten. 2018 erfolgte mit den AdipoMed-Programmen ein Neustart. Das AdipoMed-Programm adressiert an Personen mit Adipositas Grad II oder mehr (BMI ab 35 kg/m2) und zielt darauf ab, die konservativen Therapieansätze auszuschöpfen. In Gruppentherapien lernen die Patient:innen die Ursachen, die zur Adipositas führten, zu erkennen und Lösungen mit den jeweiligen Therapeuten zu erarbeiten.
Es gibt jedoch Situationen, welche die bariatrische Operation rechtfertigen, insbesondere dann, wenn der angestrebte BMI durch konventionelle Therapieansätze aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu erreichen sein wird bzw. wenn Begleiterkrankungen weit fortgeschritten sind und es zu Einschränkungen der Lebensqualität gekommen ist. In Leitlinien gefordert, in der Praxis allerdings oft nicht ausreichend umgesetzt, ist eine lebenslange Nachsorge dieser Patient:innen.
Der Einsatz einer medikamentösen Pharmakotherapie sollte nur in Begleitung eines Adipositasprogramms bzw. unterstützend zu einer Lebensstilintervention verschrieben werden. In Österreich stehen aktuell der Lipasehemmer Orlistat, der GLP-1-Rezep-toragonist Liraglutid und ein Kombinationspräparat aus dem Opioidantagonisten Naltrexon und dem Antidepressivum Bupropion zur Verfügung. Gerade die GLP-1-Analoga zeigen hinsichtlich Gewichtsreduktion eine ausgezeichnete Datenlage, indem sie die Magenentleerung verzögern und das Hungergefühl verringern.

Praxismemo

  1. Eine ektope Fettverteilung in die Leber legt oftmals den Grundstein zur Entwicklung eines Typ-2-Diabetes und kann diesen induzieren.
  2. Besonders Patient:innen mit neu diagnostiziertem DM2 oder einer gestörten Glukosetoleranz profitieren von einer Gewichtsreduktion.
  3. Medikamentöse Therapien und/oder eine Formuladiät sollten mit Adipositasprogrammen bzw. Lebensstilinterventionen kombiniert werden.