„Management postviraler Zustände am Beispiel Post-COVID-19“

Auch wenn die Pandemie für beendet erklärt wurde, sind wir in der Allgemeinmedizin niederschwellig noch immer (oder schon wieder? – wohl je nach Variante und Impfstatus) mit SARS-Cov-2-Infektionen und vielmehr der Thematik ihrer Prävention konfrontiert.
Durch die Rückkehr eigentlich hin zur „vorpandemischen Normalität“ statt zur „nachpandemischen Rationalität“ erwarten uns ein paar spannende nächste Monate. Ich persönlich bin schon neugierig auf den Herbst und seine Überraschungen. Meinen Patient:innen habe ich daher in meiner Ordination das Maskentragen und auch die Triage in „Routine- und Infektfälle“ über die letzten Monate weiter „zugemutet“, in der Hoffnung, in ein paar Wochen deutlich weniger Energie investieren zu müssen, um alles erneut zu erklären. Nicht selten höre ich aber auch ein Danke aus den Reihen meiner Patient:innen für das Beibehalten dieser Routinen – immer öfter wegen der Angst vor einem Long COVID, nicht vor einem lebensbedrohlichen Krankheitsverlauf, denn das Seltsame ist: Irgendwie scheint jede:r irgendwen zu kennen, der wen kennt, der zumindest ein paar Wochen anhaltende Symptome oder sogar einen Post-COVID-Fall in der Familie hat(te)– auch anekdotisch erzählt von den Patient:innen, dass es zwar „eh irgendwann wieder besser wurde“, aber doch sehr lang gedauert hat („und ICH brauch das nicht, ein paar Wochen lang wegen einem blöden Schnupfen bedient zu sein“).

In meiner eigenen Ordination – in der Liste für Personen mit gesundheitlichen Problemen nach COVID-19 (Verdacht auf Long COVID, abgeklärte, laufende oder genesene Fälle prolongierter Symptomatik sowie Organschäden nach Erkrankung) – tummeln sich immerhin beinahe 40 Patient:innen, einige davon mittlerweile wieder symptomgebessert hin zu einer normalen Alltagsbelastung, aber immerhin 9 davon haben die gesamte Abklärung durchlaufen und die Diagnose Long COVID/Post COVID bestätigt bekommen. 8 davon sind unter 50 Jahre, 4 davon aus ihrem Beruf oderihrer Ausbildung aufgrund ihrer Langzeitkrankenstände und ihrer reduzierten Leistungsfähigkeit herausgefallen, eine ist am Versuch,in die Arbeitsfähigkeit zurückzukehren (im Teilzeitmodell) gescheitert, hat aber job-mäßig lange genug durchgehalten, um jetzt zumindest in Bildungskarenz gehen zu können und dann einen neuen Versuch zur Rückkehr in die Arbeitsfähigkeit zu starten und hoffentlich zu schaffen. Alle 9 waren, sind oder kommen auf Rehabilitation. Alle 9 Patient:in-nen sind nunmehr länger als 1 Jahr durch ihre Symptome beeinträchtigt. Viele der anderen Patient:innen auf der Liste hatten länger als 3 Monate Symptome, da aber sowohl die Spezialambulanz der ÖGK als auch die niedergelassenen Fachärzt:innen ausreichend lange Wartezeiten hatten, war ein Gutteil der Symptome verschwunden, bis sie zu ihrer Abklärung kamen. Der Ausschluss direkter organischer Ursachen/Schäden bei initial fehlenden Red Flags war dennoch wichtig.

Im Vergleich dazu habe ich 2 Patient:innen mit einem CFS (Chronic Fatigue Syndrome) nach anderen viralen Erkrankungen, die jedoch jetzt durch die neuen Erkenntnisse aufgrund der COVID-19-Pandemie neue Therapieansätze versuchen. Rund die Hälfte der auf der Liste stehenden Personen konnte nicht als Post COVID diagnostiziert werden, hat jedoch einen konkreten Organschaden oder eine Verschlechterung vorbestehender chronischer Erkrankungen relativ unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit bzw. nach COVID-19 erfahren. Hier kommt unsere zentrale Rolle der hausärztlichen „Chronikversorgung“ wesentlich zu tragen. Schaue ich mir diese Liste an, weiß ich von allen gesundheitlichen, psychischen wie auch sozialen Problemen, dann erinnert mich diese Liste automatisch an die Tatsache, dass jede vermiedene COVID-19 eine vermiedene Spätkomplikation im individuellen Einzelschicksal ist. Das Verhindern von SARS-CoV2-Infektionen macht in diesem wie auch im gesellschaftlichen Kontext für mich wie auch für viele andere Kolleg:innen also weiterhin Sinn. Dank gilt dem engagierten Team rund um die S1-Leitlinie, das uns nunmehr ein Update und eine Erweiterung vorlegt, die uns im Management mit dieser Problemstellung, aber auch prinzipiell bei Problemen mit postviralen Zuständen weiterhelfen kann.