Multiple Sklerose: Supportivbehandlung ebenso wichtig!

Die wichtige Säule der symptombezogenen Behandlung bei der Therapie der Multiplen Sklerose (MS) fußt auf medikamentösen und nichtmedikamentöse Maßnahmen und erfordert die gute interdisziplinäre Zusammenarbeit unterschiedlichster involvierter Berufsgruppen. Neben Neurologie und Allgemeinmedizin haben hierbei die Logopädie sowie Ergo- und Physiotherapie einen besonders großen Stellenwert – auch im Rahmen stationärer neurorehabilitativer Maßnahmen. Hinsichtlich der psychosozialen Aspekte müssen die neuropsychologische Hilfe, die Krankenpflege und auch psychosoziale Betreuungsdienste mit einbezogen werden. Auch die bedarfsgerechte Versorgung mit Hilfsmitteln und die Neuromodulation müssen zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung gestellt und Patient:innen dementsprechend beraten werden.
Mit diesen Maßnahmen sollen Einschränkungen bei Aktivitäten des täglichen Lebens so gering wie möglich gehalten werden, damit die Berufsfähigkeit, Selbständigkeit und individuelle Lebensqualität erhalten bleiben. Wichtig ist auch die Vermeidung von Sekundärkomplikationen wie Kontrakturen, die letztendlich die Pflegebedürftigkeit erhöhen und eine fachgemäße Pflege erschweren können.

Spezifische symptombezogene Behandlungen

Spastizität ist eines der häufigsten persistierenden Symptome einer MS und kann je nach Ausmaß Einschränkungen der Mobilität und Schmerzen bedeuten. Zur Behandlung stehen physiotherapeutische Maßnahmen im Vordergrund. Zusätzlich sollte eine orale antispastische Medikation (Baclofen bzw. Tizanidin) eingeleitet werden, ist dies nicht ausreichend, sollte eine Add-on-Therapie mit oromucosalem Nabiximol entsprechend der Zulassung ergänzt werden. Der Einsatz von Botulinumtoxin A ist zur Behandlung einer fokalen Spastizität zugelassen, und in seltenen Ausnahmefällen kann auch intrathekales Baclofen zum Einsatz kommen. Auch die Therapie einer Gangstörung fußt auf einem multimodalen Konzept mit neurorehabilitativen Maßnahmen zur Verbesserung der Ausdauer, Geschwindigkeit, Koordination und Vermeidung von Stürzen. Als medikamentöse Therapie steht seit 2011 Fampridin zur Verfügung. Ein Therapieversuch über 2–4 Wochen wird bei MS-Patient:innen mit eingeschränkter, aber erhaltener Gehfähigkeit (die Einordnung erfolgt mit Hilfe der MS-spezifischen Behinderungsskala, der Expanded Disability Status Scale) empfohlen. Der Behandlungserfolg mit einer Erhöhung der Ganggeschwindigkeit nach einem standardisierten Test (z. B. „Timed 25-Foot Walk“, entspricht 7,62 Meter) muss nach den genannten 2–4 Wochen zur dauerhaften Weiterverordnung von Fampridin evaluiert werden.
Fatigue, die erhöhte Müdigkeit und Erschöpfbarkeit, beruht auf somatischen, kognitiven, mentalen und psychosozialen Faktoren und kann bereits unabhängig von einer körperlichen Einschränkung zu einer Beeinträchtigung bei alltäglichen Aufgaben und bei beruflicher Leistungsfähigkeit führen. Es stehen primär nichtmedikamentöse Maßnahmen im Vordergrund. Aerobes Ausdauertraining ist wirksam, und Patient:innen sollten dementsprechend beraten und aufgeklärt werden. Zudem können kognitive Verhaltenstherapie, Achtsamkeitstraining und Energiemanagmentprogramme ergänzend durchgeführt werden. Die Evidenz zu medikamentösen Therapien ist sehr begrenzt. Hierbei handelt es sich um individuelle Einzelfallentscheidungen. Therapieversuche mit Amantadin oder Modafinil können erwogen werden. Hierbei sollte streng auf mögliche Kontraindikationen/Risiken geachtet werden, und Patient:innen sollten entsprechend aufgeklärt werden.
Gerade neurogene Blasenentleerungs- und Sexualfunktionsstörungen werden von Patient:innen nicht von sich aus offen angesprochen und erfordern ein vertrauensvolles Verhältnis von Ärzt:innen und Patient:innen. Insbesondere Blasenfunktionsstörungen haben große psychosoziale Auswirkungen mit sozialem Rückzug und können unbehandelt zu Folgeschäden – wie unter anderem zu einer dauerhaft überdehnten Blase oder zu rezidivierenden Harnwegsinfekten – führen. Bei Beschwerden sollte immer eine Restharnmessung durchgeführt werden sowie ein Miktionsprotokoll erfolgen, und Patient:innen sollten schließlich fachspezifisch (neuro-)urologisch untersucht sowie behandelt werden.


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