Insbesondere in den letzten Jahren hat sich das therapeutische Spektrum sowohl in der Akutbehandlung als auch in der Prophylaxe grundlegend erweitert.
Wie wir wissen, sind die Triptane mit Kontraindikationen auf den Markt gekommen, die es uns nicht möglich machten, Patient:innen mit kardiovaskulärem Risikoprofil In Label für die Attackentherapie mit Triptanen zu versorgen, da diese vasokonstringierende Nebenwirkungen bei Koronararterien und sonstigen Gefäßen, auch bei duralen Arterien, aufwiesen – so zumindest auch unser damaliger Wissensstand der hauptsächlichen Effekte dieser Substanzgruppe. Seit deren Verwendung seit ca. 30 Jahren ist aber bis dato kaum eine Dokumentation schwerer Nebenwirkungen aus diesem Formenkreis bekannt. Das bedeutet: Gemäß der wissenschaftlichen Datenlage sind die Effekte der Vasokonstriktion anscheinend so gering, dass sie im Prinzip eigentlich nahezu vernachlässigbar sind, auch wenn der Zulassungstext diese Verordnung In Label bei erwähnten Risikopatient:innen nicht gestattet.
Seit August 2022 gibt es in Österreich eine Zulassung für eine Weiterentwicklung der Triptane: Lasmiditan, der bislang einzige Vertreter der Ditane, ein Serotoninrezeptor-Agonist, der selektiv nur am 5-HT1F-Rezeptor-Subtyp ansetzt. Mit Lasmiditan ist es nun gelungen, einen spezifischen Player für die Attackentherapie zur Verfügung zu haben, der keine vasokonstringierende Effekte zeigt, sodass dieser für Patient:innen mit ebendiesem Risikoprofil nun zur Verfügung steht. Was hinsichtlich Verordnung noch eine Hürde darstellt, ist, dass Lasmiditan derzeit nicht erstattbar ist. Es bedarf einer chefärztlichen Sonderbewilligung, oder die Patient:innen müssen das Medikament selbst mittels Privatrezept in der Apotheke kaufen.
Eine zweite Neuerung gibt es in Form der sogenannten Gepante. Hier gibt es weltweit mehrere Vertreter. Seit April 2022 in Österreich zugelassen ist Rimegepant. Gepante setzen als sogenannte Small Molecules am CGRP-Rezeptor (Calcitonin-Gene-related-Peptide-Rezeptor) an und wirken damit selektiv blockierend an einer pathophysiologischen Schlüsselstelle in der Entstehung einer Migräneattacke. Eingesetzt werden kann Rimegepant vor allem bei Patient:innen, die auf Triptane oder herkömmliche Schmerzmittel nicht ansprechen. Bei Patient:innen mit kardiovaskulärem Risikoprofil sind sie nicht zugelassen. Seit 1. September 2025 kann Rimegepant zur Akuttherapie der Migräne bei Erwachsenen bei Unverträglichkeit, Kontraindikation oder Versagen von Triptanen durch Neurolog:innen erstverordnet werden und wird damit erstattet.
Im Gegensatz zu Lasmiditan weisen Gepante aufgrund ihres Angriffspunktes außerhalb der Blut-Hirn-Schranke praktisch keine Nebenwirkungen auf. Bei Lasmiditan zeigte sich jedoch in den Zulassungsstudien, dass Patient:innen mitunter mit Schläfrigkeit, Müdigkeit, Benommenheit und verminderter Reaktionsfähigkeit rechnen müssen. Nach Einnahme von 100 mg Lasmiditan, was derzeit die empfohlene Dosis zu Beginn einer Behandlung der Akutattacken in Österreich ist, muss es zu einer Empfehlung des Fahrverbotes und des Nichtbetreibens von Maschinen für 8 Stunden kommen. Dies stellt natürlich eine Einschränkung dar, die bezüglich Alltagstauglichkeit maßgeblich sein kann.
Amitriptylin, Flunarizin, Metoprolol, Propranolol, Topiramat und Valproinsäure sind in der Prophylaxe der Migränetherapie wirksam, Propranolol zeigt bei der chronischen Migräne eine vergleichbare Wirksamkeit wie Topiramat. Valproinsäure darf bei Frauen im gebärfähigen Alter nicht mehr eingesetzt werden. Onabotulinumtoxin ist für die chronische Migräne zugelassen.
Mit den seit 2018 in Österreich verfügbaren monoklonalen CGRP-Antikörpern ist eine erste zielgerichtete Therapie in der Migräneprophylaxe verfügbar. Seit Jänner 2023 gibt es 4 Vertreter dieser therapeutischen Meilensteine, wovon 3 subkutan (Erenumab und Galcanezumab, jeweils monatlich, sowie Fremanezumab, monatlich oder vierteljährlich) zu spritzen sind und 1 intravenös (Eptinezumab, vierteljährlich) verabreicht werden. Die Antikörper sollen bei Patient:innen mit koronarer Herzerkrankung, rezentem ischämischem Insult, Subarachnoidalblutung oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit sowie entzündlichen Darmerkrankungen, COPD, pulmonaler Hypertension und M. Raynaud mit Zurückhaltung eingesetzt werden. Sie sind bei Schwangeren nicht zugelassen, Daten bei Kindern und Jugendlichen wurden rezent für Fremanezumab publiziert und zeigten ein vergleichbares Nutzen-Risiko-Profil wie bei Erwachsenen.
Rimegepant ist sowohl für die Akuttherapie als auch für die Prophylaxe der Migräne zugelassen: 75 mg jeden 2. Tag peroral. Der Einsatz erfolgt vor allem bei den Patient:innen, die sich nicht subkutan spritzen wollen, als Kurzzeitprophylaxe oder wenn eine flexiblere „Steuerbarkeit“, z.B. bei Kinderwunsch notwendig ist, da die Halbwertszeit nur 11 Stunden beträgt.
Die DGN-Leitlinien, eine gemeinsame Empfehlung von deutschen, österreichischen und schweizerischen Expert:innen – zuletzt aktualisiert im Dezember 2022 – empfehlen, dass Patient:innen mit einer niederfrequenten Migräne eine Prophylaxe für 9–12 Monate erhalten sollen, und dann soll eine Therapiepause gemacht werden. Höherfrequente und chronische Migränepatient:innen sollen für 18–24 Monate behandelt werden. Die Kontrolle der Wirksamkeit soll nach 3 Monaten erfolgen, bei der intravenösen Form kann diese auch früher gemacht werden. Ein Wechsel auf einen anderen Antikörper soll bei fehlender Wirksamkeit durchgeführt werden, die Wirksamkeitsbeurteilung ist einerseits wie gewohnt die Reduktion der Migränetage > 50 % (episodische Form) und > 30 % (chronische Form), aber vor allem die Verbesserung der Lebensqualität.
Nichtmedikamentöse Therapien sollen immer die Basis jeder Prophylaxe sein, im Grunde sollte man eine medikamentöse Therapie so lange machen, bis die nichtmedikamentöse wirken kann. Die bekannten Methoden wie Ausdauersport, Entspannung, kognitive Verhaltenstherapie und natürlich Beachten gewisser Faktoren des Lebensstils sind ganz wesentliche Therapiesäulen.