Neurodermitis endlich kontrolliert

Die Behandlung von mittelschweren bis schweren Formen der atopischen Dermatitis (AD) stellt oftmals eine Herausforderung dar. Topische Kortikosteroide oder Calcineurininhibitoren reichen oft nicht aus, um eine Krankheitskontrolle zu erzielen, und der Off-Label-Einsatz von systemischen Immunsuppressiva ist mit zahl-reichen unerwünschten Nebenwirkungen verbunden. Neue Erkenntnisse in der Pathophysiologie der AD haben es ermöglicht, moderne Behandlungsoptionen zu entwickeln, die selektiv auf krankheitsverursachende Pfade abzielen und diese blockieren. Diese zielgerichteten Therapiemöglichkeiten umfassen einerseits Biologika, die mittels Antikörper einen relevanten Botenstoff blockieren, und andererseits die sogenannten Small Molecules, die über eine etwas breitere Blockade der wichtigsten Signalwege in der AD zu einer Verbesserung der Erkrankung führen können (Tab.).

Gezielte Immunmodulation durch Biologika

Dupilumab, ein monoklonaler Antikörper gegen die gemeinsame Rezeptoruntereinheit der Th2-Zytokine IL-4 und IL-13, ist für erwachsene Patient:innen mit schwerer therapierefraktärer AD – seit 2020 zusätzlich für Kinder ab 6 Jahren – zugelassen. In den Zulassungsstudien (SOLO1 und SOLO2) erreichten 52 % der Dupilumab-Patient:innen eine 75%ige Verbesserung des EASI-Wertes vs. 15 % unter Placebo.

Das Nebenwirkungsspektrum ist überschaubar, bei bis zu 40 % kann es zu einer Blepharitis/Konjunktivitis kommen, die durch Lokaltherapien oder Verlängerung der Injektionsintervalle meistens beherrschbar ist. Weitere spezifische Nebenwirkungen sind rezidivierende Herpes-simplex-Infektionen, das Neuauftreten einer sogenannten Head-and-Neck-Dermatitis und eine rosazeaartige Follikulitis.

Tralokinumab blockiert IL-13. IL-13 ist wesentlicher Bestandteil der Th2-Immunantwort und regelt auch die Filaggrin-Expression hinunter, das für die Bildung und Aufrechterhaltung der epidermalen Barriere essenziell ist. In den Phase-III-Studien ECZTRA 1 bzw. ECZTRA 2 erzielte die subkutane Verabreichung von 300 mg Tralokinumab alle 2 Wochen jeweils eine signifikante Verbesserung in Woche 16 vs. Placebo (EASI-75: 25,0 vs. 12,7 % bzw. 33,2 vs. 11,4 %). Zusätzlich kam es zu einer signifikanten Reduktion des Juckreizes um ≥ 4 Punkte (NRS) unter Tralokinumab vs. Placebo (ECZTRA 1: 20 vs. 10,3 %; ECZTRA 2: 25 vs. 9,5 %). Die häufigsten Nebenwirkungen waren leichte bis mäßige Infektionen der oberen Atemwege, Konjunktivitiden und Kopfschmerzen.Tralokinumab wurde im Juni 2021 von der European Medicines Agency (EMA) zur Therapie moderater bis schwerer atopischer Dermatitis zugelassen, wurde jedoch in Österreich bislang nicht in den Erstattungskodex aufgenommen und wird daher derzeit nicht über die Krankenkasse erstattet.

Immunmodulation durch Small Molecules

Januskinasen spielen eine große Rolle bei der Signaltransduktion von unterschiedlichen Zytokinen und sind daher zentral an verschiedenen Immunantworten beteiligt. Seit einigen Jahren finden Januskinase-Inhibitoren bereits in der Rheumatologie für die rheumatoide Arthritis Verwendung, sehr rezent wurden sie für die Behandlung der AD auch in der Dermatologie zugelassen. In einer großen Langzeitstudie bei Patient:innen mit rheumatoider Arthritis, die 50 Jahre oder älter waren und mindestens einen zusätzlichen kardiovaskulären Risikofaktor aufwiesen, wurde eine erhöhte Inzidenz von Myokardinfarkten sowie eine erhöhte Inzidenz von malignen Erkrankungen, insbesondere von Lungenkrebs und Lymphomen, unter dem Pan-JAK-Inhibitor Tofacitinib im Vergleich zu TNF-alpha-Inhibitoren beobachtet. Im Rahmen eines Risikobewertungsverfahrens durch die EMA hinsichtlich der Anwendung aller verfügbaren Januskinase-Inhibitoren wurden nun Maßnahmen zur Minimierung des Risikos schwerer Nebenwirkungen beschlossen: JAK-Inhibitoren sollten bei Risikopatient:innen nur noch eingesetzt werden, wenn keine geeigneten Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen (siehe Kasten).

Baricitinib ist ein oraler Inhibitor der Januskinasen (JAK) 1 und 2. JAK spielen eine wichtige Rolle in der Vermittlung unterschiedlicher inflammatorischer Signalwege bei einer Reihe entzündlicher Erkrankungen. Die Phase-III-Studien zu Baricitinib zeigten nach 16 Wochen eine Verbesserung des EASI um 75 % bei 48 % der Patient:innen mit 4 mg Baricitinib vs. Placebo mit 23 %. Besonders bewährte sich das Medikament in der schnellen und effektiven Juckreizbekämpfung bereits nach 4 Wochen (52 vs. 11 %). Das Nebenwirkungsspektrum umfasst häufig Herpesinfektionen, Infektionen der oberen Atemwege sowie CK- und Lipiderhöhungen. Thromboembolische Ereignisse zählen zu den besonderen, sehr seltenen Nebenwirkungen aller JAK-Inhibitoren. Vor Therapiestart sollten Infektionserkrankungen (Hepatitis, Tuberkulose) sowie eine Thromboseneigung ausgeschlossen werden. Zusätzlich werden regelmäßige Blutbild- und Blutchemiekontrollen (Elektrolyte, CK, Lipide) vor und alle 12 Wochen während der Therapie empfohlen.

Upadacitinib, ein selektiver JAK-1-Inhibitor, konnte in einer Phase-III-Studie nach 16 Wochen bei 80 % eine EASI-75-Reduktion vs. 16 % unter Placebo erzielen. Es kam auch zu einer 60%igen Juckreizreduktion (NRS-Score ≥ 4) vs. 12 % unter Placebo. Ähnlich zu Baricitinib zeigt Upadacitinib bislang ein relativ günstiges Sicherheitsprofil mit vergleichbaren Nebenwirkungen (Übelkeit, Kopfschmerzen, Infektionen der oberen Atemwege, CK-Wert-Erhöhung). Als sehr spezielle Nebenwirkung, deren Ursache derzeit noch nicht geklärt ist, treten verschiedene Akneformen in unterschiedlich starker Ausprägung auf.

Abrocitinib, ein selektiver JAK-1-Inhibitor, konnte in der JADE-COMPARE-Studie im direkten Vergleich mit Dupilumab und Placebo nach 12 Wochen ein EASI-75 bei 70,3 % (200 mg Abrocitinib) bzw. 58,7 % (100 mg Abrocitinib) der Studienteilnehmer:innen erreichen, Dupilumab bei 58,1 % – mit deutlicher Überlegenheit vs. Placebo mit 27,1 %. Zusätzlich zeigte die 200-mg-Dosierung eine Überlegenheit von Abrocitinib gegenüber Dupilumab in Bezug auf den Juckreiz ab der 2. Woche. Das Risiko für Nebenwirkungen war meist gering, es kam bei 1,3 % der Patient:innen in der 200-mg-Gruppe zu einer verminderten Thrombozytenzahl.

Der Juckreiz als Therapieziel

Nemolizumab: Für den unerträglichen Juckreiz bei AD spielt Interleukin-(IL-)31 eine essenzielle Rolle. Nemolizumab, ein monoklonaler Antikörper gegen den IL-31A-Rezeptor, hemmt gezielt den Juckreiz und führt vermutlich durch die Unterbrechung des Juckreiz-Kratz-Zirkels auch zu einer Besserung des Ekzems. Im Rahmen von 2 Phase-III-Studien konnte durch Nemolizumab 60 mg s. c. alle 4 Wochen nach Woche 68 auf der visuellen Analogskala eine Verbesserung von Juckreiz um 66 % und im Eczema Area and Severity Index ein Rückgang um 78 % erreicht werden. Das langfristige Sicherheitsprofil entsprach dem in früheren Studien, wobei keine spät einsetzenden Nebenwirkungen auftraten. Nemolizumab ist derzeit noch nicht für die Therapie der atopischen Dermatitis zugelassen.