Patientinnen mit frühem Mammakarzinom

Das Mammakarzinom ist bei Frauen die häufigste maligne Erkrankung. 2023 war es für rund 32 % der Neuerkrankungsfälle bei Frauen sowie rund 17% aller Krebssterbefälle verantwortlich und damit bei Frauen die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache (Statistik Austria).Die Therapie des Mammakarzinoms erfolgt nach einem multimodalen Therapiekonzept aus lokoregionären (Chirurgie, Radiotherapie) und systemischen Therapien.

Subtypisierung und risikoadaptierte systemische Therapie des eBC

Neben dem Festlegen des Tumorstadiums anhand der Herdbefunde in der Mamma sowie den Axillen entscheidet vor allem der molekulare Subtyp anhand der Biopsiebefunde über die Therapiestrategie. Basierend auf dem histologischen und immunhistochemischen Befund (siehe auch Tab. 1) wird das Mammakarzinom in 4 intrinsische Subtypen mit unterschiedlicher Prognose eingeteilt, die eine differenzierte Therapieentscheidung ermöglichen:

Luminal-A-Tumoren haben ein niedriges Grading, eine starke HR-Expression (ER/PR), sind HER2-negativ und haben einen niedrigen Proliferationsindex (Ki-67 < 25 %). Das Rezidivrisiko ist gering (definiert als < 4 LK positiv, Low-Risk im Genexpressionstest, günstiges klinisches Stadium).
Das Luminal-A-Mammakarzinom bedarf aufgrund des niedrigen Rezidivrisikos keiner Chemotherapie, wohl aber einer operativen, endokrinen und Radiotherapie.1

Patientinnen mit HR+ Mammakarzinomen sollten für 5 bis 10 Jahre eine endokrine Therapie (je nach Risiko und Verträglichkeit) erhalten. Es stehen Tamoxifen, steroidale (Exemestan) und nichtsteroidale (Anastrozol, Letrozol) Aromataseinhibitoren zur Wahl. Bei prämenopausalen Patientinnen sind zusätzlich GnRH-Analoga zur ovariellen Suppression notwendig. In der Postmenopause zeigen Aromatasehemmer einen Vorteil gegenüber Tamoxifen und werden bevorzugt eingesetzt über 5 (max. 7) Jahre angewendet. Eine adjuvante Bisphosphonattherapie ist bei ovarieller Suppression sowohl postmenopausal als auch prämenopausal empfohlen.1

Luminal-B-Tumoren haben ein höheres Grading, sind HR-positiv mit variabler ER- und PR-Expression, sind HER2-negativ oder -positiv und haben einen höheren Ki-67. Das Rezidivrisiko ist hoch (vor allem bei ≥ 4 LK positiv, High-Risk im Genexpressionstest, ungünstiges klinisches Stadium).
Diese Tumoren können von allen systemischen Therapiemodalitäten profitieren, also von Chemotherapie, von endokriner Therapie (bei hohem bzw. intermediärem Risiko zusätzlich von CDK-4/6-Inhibitor-Therapie), bei BRCA-Mutation durch PARP-Inhibitor-Therapie mit Olaparib, bei HER2-Positivität von Trastuzumab, Pertuzumab und Trastuzumab-Emtansin (T-DM1), bei Triplepositivität und Stadium II–III von Neratinib.1

HER2-positive Tumoren sind HR-positiv oder -negativ. HER2-Positivität ist per se mit einem aggressiven Verlauf und hohem Rezidivrisiko assoziiert, dies kann jedoch mit zielgerichteter Therapie geändert werden.
Dem Target entsprechend kommt eine Anti-HER2-gerichtete Therapie (Trastuzumab, Pertuzumab, T-DM1) in Kombination mit Chemotherapie zum Einsatz.1

Triplenegative Tumoren (TNBC) sind ER-, PR- sowie HER2-negativ, mit hohem Ki-67. Hier bedarf es neben operativer sowie adjuvanter Radiotherapie einer Chemotherapie (bei ≥ pT1b), bei hohem Risiko (≥ pT2 oder <pT2 und Nodalbefall) zusätzlich Pembrolizumab und als Option bei BRCA-Mutation eine PARP-Inhibitor-Therapie. Postneoadjuvant ist bei Non-pCR (Tumorrest) nach Chemotherapie Capecitabin möglich.1

Tab. 1: Prognoserelevante und prädiktive Parameter bei eBC

Neue Substanzklassen als Add-ons bei eBC

Cyclin-dependent-Kinase-(CDK-)4/6-Inhibitoren (Palbociclib, Ribociclib, Abemaciclib) in Kombination mit endokriner Therapie stellen die Standardbehandlung bei fortgeschrittenem HR+/HER2– Brustkrebs dar. Abemaciclib und Ribociclib werden jedoch auch adjuvant im frühen Erkrankungsstadium (Hochrisikosituation) in Kombination mit einer Antihormontherapie eingesetzt (Tab. 2).

Tab. 2: Praxisverändernde Studien bei eBC

Von den PARP-Inhibitoren hat nur Olaparib die Zulassung zur adjuvanten Therapie bei Patientinnen mit frühem HER2-negativem Brustkrebs und Tumorrest nach neoadjuvanter Therapie bzw. definierten Hochrisikokriterien nach Primäroperation (Tab. 2).

Immun-Checkpoint-Inhibitoren (z. B. Atezolizumab, Pembrolizumab, Durvalumab) haben die Immunogenität der Tumoren als Wirkrationale im palliativen Setting. Bei frühem TNBC hat Pembrolizumab (Schema mit neoadjuvanter + adjuvanter Gabe in Kombination mit Chemotherapie) jedoch mittlerweile den Stellenwert einer Standardtherapie (Tab. 2).

Von den neuen Antikörper-Drug-Konjugaten (ADCs; z. B. Trastuzumab-Emtansin [T-DM1], Trastuzumab-Deruxtecan) hat bis dato nur T-DM1 die Zulassung bei eBC bei Non-pCR nach anthrazyklinhältiger neoadjuvanter Therapie. Das Konzept des „Trojanischen Pferdes“, also einer antikörpergezielten Zytostatikumabgabe direkt an die Tumorzelle, verspricht ein wesentlich günstigeres Verhältnis von Wirksamkeit und Nebenwirkungen im Vergleich zu konventionellen Zytostatika mit Potenzial einer weiteren Deeskalation der Chemotherapie.

Frühes Mammakarzinom im Zeichen der Therapiedeeskalation

Brusterhaltende Chirurgie (BET) und Axilladissektion: Eine BET ist gegenüber Mastektomie eindeutig im Vorteil. Die oft noch verbreitete Auffassung sowohl bei Ärzt:innen als auch bei Patientinnen, dass eine Mastektomie höhere onkologische Sicherheit bietet, ist wissenschaftlich nicht haltbar.
Die Axilladissektion dient lediglich dem exakten Staging des Mammakarzinoms und hat keinen therapeutischen Nutzen. Eine Deeskalation des axillären Staging nach neoadjuvanter Chemotherapie ist durch Sentinel-Lymphknoten-Biopsie und Targeted Axillary Dissection (TAD) möglich.
Bei kleiner Tumorgröße und negativem präoperativem Ultraschall kann auch auf die Sentinel-Lymphknoten-Biopsie verzichtet werden. Eine rezent publizierte Metaanalyse zeigte, dass der Verzicht auf eine Axilladissektion bei klinisch nodalnegativen oder pathologisch positiven Sentinel-Lymphknoten mit keiner höheren axillären Lokalrezidivrate und keinem schlechteren Gesamtüberleben verbunden war – bei signifikant geringeren Nebenwirkungen.2

Hypofraktionierte Radiotherapie: Durch deeskalierende Maßnahmen wie Verkürzung der Gesamtbehandlungszeit oder Reduktion an zu bestrahlenden Brustvolumina wird versucht, das Ausmaß an Nebenwirkungen zu senken. Studien haben gezeigt, dass die 3-wöchige sogenannte hypofraktionierte Bestrahlung mit höherer Einzeldosis nicht nur genauso effektiv, sondern sogar besser verträglich ist als die längere Bestrahlung mit geringerer Einzeldosis.

Deeskalierung der Chemotherapie: Die Zuordnung zu Luminal A oder B bei frühem Brustkrebs ist oft nicht eindeutig möglich, bei vielen Patientinnen liegt ein intermediäres Risiko vor. Mit einem zusätzlichen molekulargenetischen Test (EndoPredict®, MammaPrint®, Oncotype® DX, Prosigna®) können Patientinnen identifiziert werden, die von einer adjuvanten Chemotherapie profitieren – postmenopausale Patientinnen mit 0–1 positiven axillären Lymphknoten (ALN) und Low-Risk im genomischen Test brauchen keine CT. Eine weitere Deeskalation/gezielte Eskalation bei intermediärem Risiko ist mit der Applikation einer kurzdauernden neoadjuvanten endokrinen Induktionstherapie über 2–4 Wochen möglich. Patientinnen mit „endokriner Response“ (Ki-67-Abfall ≤ 10%), die bei > 70 % in diesem Kollektiv zu erwarten ist, könnte damit zukünftig eventuell eine Chemotherapie onkologisch sicher erspart werden.3

Relevanz für die Hausarztpraxis

Die Rolle der Hausärzt:innen ist besonders bei der Betreuung von Patientinnen mit frühem Mammakarzinom von zentraler Bedeutung, da sie mehr als bei Patientinnen im metastasierten Setting auch kontinuierlich als Ansprechpartner:innen, Koordinator:innen und Begleiter:innen im gesamten Krankheitsverlauf über die unterschiedlichen Therapiephasen hinweg fungieren. Sie überwachen Nebenwirkungen, unterstützen beim Nebenwirkungsmanagement (z. B. Diarrhö, Fatigue), sorgen für die Kontinuität der Versorgung und koordinieren weitere notwendige Maßnahmen wie Schmerztherapie oder psychologische Unterstützung mit Fachärzt:innen.

Nicht zuletzt sind sie entscheidende Promotor:innen für die Teilnahme an Screeningprogrammen wie dem Österreichischen Brustkrebs-Früherkennungsprogramm.