„Reform muss Freude an Medizin wecken.“

Ärzte Krone: Die Regierung will die durch die Kassenzusammenlegungen und Harmonisierungen von Leistungen frei werdenden Mittel für einen Ausbau der Allgemeinmedizin verwenden. Freut Sie das?

Christoph Dachs: Das ist ein wichtiges Bekenntnis zum Ausbau der Allgemeinmedizin. Wie das Geld aber zu den Hausärzten fließen soll, ist noch nicht klar. Es gibt auch Unterschiede in der Honorierung der niedergelassenen Ärzte zwischen Allgemeinmedizinern und Fachärzten. Diese Lücken sollten aus Gründen der Wertschätzung geschlossen werden.

Wie sehen Ihre Vorstellungen hier konkret aus?

Viele Leistungen, die Allgemeinmediziner erbringen, müssen auch entsprechend honoriert werden. Wir brauchen gute und intelligente Honorierungssysteme, die sowohl Pauschalen als auch Leistungskomponenten erfüllen.
Da geht es etwa auch um die Zuwendung gegenüber Patienten und Visiten. Man sollte hier aber nicht nur über Geld und neue Vertragsärzte reden, sondern auch über generelle Verbesserungen der Situation und des Angebotes.

Woran denken Sie hier genau?

Mit einer gezielten Honorierung kann man auch Leistungen verbessern. Das zeigen uns etwa andere Länder in Europa vor, wo entsprechende Qualität auch entsprechend honoriert wird. Allerdings muss man in einem solchen Fall auch Kriterien haben, um die Qualität zu definieren. Modelle wie „pay for performance“ haben sich hier im internationalen Vergleich allerdings nicht bewährt. Das führt zu einem zu starken Fokus auf Einzelleistungen. Für eine Verbesserung der Versorgung benötigt es auch Verlagerungen von Leistungen etwa aus dem stationären Sektor. Es darf aber nicht sein, dass man einfach viele Leistungen aus dem Spital zu uns abschiebt. Wenn man die Kolleginnen und Kollegen entsprechend motiviert, gute Medizin zu betreiben, ist hier viel möglich. Es gibt ein großes Potenzial für Verlagerungen, wenn man das geschickt angeht. Dafür haben wir aber keine konkreten Vorschläge auf dem Tisch. Im anglo­-a­merikanischen und im skandinavischen Raum ist die Primärversorgung so geregelt, dass Allgemeinmediziner pro Tag weniger Patienten sehen als wir. Gleichzeitig haben sie aber mehr Zeit, um patientenzentrierter zu arbeiten. Wir müssen die Allgemeinmedizin so organisieren und leben, dass wir Patienten möglichst lange in ihrem Leben begleiten und damit ganzheitlich betreuen können.

Braucht es dazu nicht auch Änderungen in der Ausbildung?

Ja, genau. Wir müssen den Jungen die Medizin so beibringen können, wie sie im geschilderten Sinne funktionieren sollte. Dafür braucht es mehr Ausbildungsstellen, die den Geist der Allgemeinmedizin vermitteln und auch umsetzen. Es hilft nichts, einen Praxisinhaber zu haben, der dann den Jungen nur laufend etwas vorjammert, wie schlecht die Situation ist. Um das zu erreichen, brauchen wir entsprechende Förderungen und Stipendien. Die neuen Vertragsverhandlungsergebnisse in Wien sind hier schon ein wichtiger erster Schritt. Es braucht aber auch Verbesserungen in der universitären Lehrpraxis. In der postpromotionellen Ausbildung hingegen sind wir jetzt teilweise schon auf einem guten Weg.

Haben Sie hier Vorschläge?

Ich denke, dass wir schon früh im Medizinstudium eine entsprechende Ausbildung hin zur Allgemeinmedizin benötigen. Das heißt auch, dass es eigene Institute für Allgemeinmedizin benötigt, und eine verpflichtende Lehrpraxis über vier Wochen innerhalb des Studiums. Es darf nicht sein, dass jemand, der sich für die Allgemeinmedizin entscheidet, schon im Studium zum Systemerhalter degradiert wird. Wir werden noch im Sommer auch unseren Masterplan vorlegen, der sich auch mit der Frage beschäftigt, wie wir die Freude und die Motivation in der Allgemeinmedizin erhöhen und auch für die jungen Ärzte schaffen können.

Ärztekammer und Ministerium haben Gründerservice gestartet.

Das ist gut. Wir brauchen aber auch entsprechende Rahmenbedingungen. Hier gibt es verschiedene Modelle, es darf aber nicht wieder ein bürokratischer Wust werden.