Regelschmerzen in der Adoleszenz – kein Bagatellleiden

Unterdiagnostiziert und unterbehandelt

Regelschmerzen (Dysmenorrhö) treten bei Frauen im reproduktiven Alter deutlich häufiger auf, als in den Statistiken erfasst wird. Sie gilt als unterdiagnostiziert und unterbehandelt.1

Dysmenorrhö ist als zyklischer Unterbauchschmerz in Assoziation mit der ­Menstruation definiert. Etwa 20−80 % der Jugendlichen berichten über Schmerzen rund um die Regel2, starke Schmerzen treten bei 15−30 % der Mädchen auf. Über ein Drittel der Mädchen gibt den Beginn der Symptome vor dem 15. Lebensjahr an.
In der finnischen TEENMAPS Study wurden 1.103 Adoleszentinnen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren befragt. Über die Hälfte gab eine schwere bis mäßige Dysmenorrhö an, die in fast jedem Zyklus auftritt und meist 1  bis 2 Tage andauert.3 Über 80 % wenden Schmerzmittel an, die allerdings bei weniger als der Hälfte eine gute Schmerzerleichterung erzielen.

Sorgfältige Abklärung der Ursachen und Krankheitslast

Die primäre Dysmenorrhö wird von der ­sekundären Dysmenorrhö unterschieden. ­Pathophysiologisch liegt der primären ­Dysmenorrhö eine Überproduktion von Prostaglandinen, eine myometriale Hyperkontraktilität und Vasokonstriktion der Arteriolen zugrunde.4 Die sekundäre Dysmenorrhö ist definitionsgemäß durch das Vorliegen einer organischen Ursache wie Endometriose – laut Leitlinie können alle Formen von anhaltenden Unterbauchschmerzen in der Adoleszenz Symptome einer Endometriose sein5 – oder anatomischer Besonderheiten wie Müller’schen Anomalien (weitere Unterscheidungsmerkmale siehe Tabelle).

Differenzialdiagnostik – auch an Endometriose denken: Bei der primären Dysme­norrhö gilt es, andere Ursachen auszuschließen. Hierzu zählen Schwangerschaften, insbesondere Extrauterinschwangerschaften, Ovarialtumoren und Ovarialtorsion, Infektionen und obstruktive Müller’sche Anomalien.6 Diagnostisch sollte neben der Anamnese eine körperliche inkl. gynäkologische Untersuchung und Sonografie erfolgen. Sonografisch konnten beispielsweise bei 21 % der Jugendlichen mit Dysmenorrhö und bei 33 % der Mädchen mit Dyspareunie Zeichen einer Endometriose festgestellt werden.7

Risikofaktoren: Verschiedene Risikofaktoren für das Auftreten einer Dysmenorrhö sind beschrieben. Hierzu zählen eine starke oder verlängerte Menstruationsblutung, eine frühe Menarche vor dem 12. Lebensjahr, ein niedriges Körpergewicht (BMI), ­wenig körperliche Bewegung, Rauchen und Stress. Eine genetische Prädisposition stellt einen weiteren Risikofaktor dar: Wenn Verwandte ersten Grades an Dysmenorrhö ­leiden, ist das Risiko für das Mädchen 7−10-fach erhöht.8

Einschätzung der Krankheitslast: Zur besseren Einschätzung kann ein Schmerztagebuch empfohlen werden, hierfür gibt es mittlerweile auch zahlreiche gute Apps als digitale Alternative. Es sollte gefragt werden, wo die Schmerzen lokalisiert sind, was für Charakteristika sie haben, wann die Schmerzen beginnen, wie lange sie dauern und ob es Begleitsymptome gibt. Des Weiteren ist von Bedeutung, ob Schmerzen beim Wasserlassen, Stuhlgang oder Geschlechtsverkehr auftreten und ob andere Familienmitglieder ähnliche Symptome haben.9

Neben der Schmerzsymptomatik, die den Alltag und die Lebensqualität der Mädchen signifikant beeinflussen kann, ist die Auswirkung auf den Schlaf nicht zu vernachlässigen. Schlaflosigkeit und Schlafqualität sind direkt mit der Ausprägung einer Dysmenorrhö assoziiert.10 Eine schlechte Schlafqualität hat wiederum Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und auf die Fehlzeiten in der Schule.11, 12

Auch depressive Symptome können mit menstruellen Schmerzen einhergehen.13 Insofern sind eine frühzeitige Erkennung und Behandlung der betroffenen Mädchen erforderlich.

Individualisierte Therapiestrategie

Nach erfolgter Diagnostik und Ausschluss anderer Ursachen für die Dysmenorrhö sollte zunächst geklärt werden, ob Kontrazeptionsbedarf besteht.

Gestaltung des Schmerztherapie-Schemas: Wenn (noch) keine Verhütung erforderlich ist oder gewünscht wird, besteht die erste Maßnahme in einer adäquaten Schmerz­therapie: Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR) wie Ibuprofen und Naproxen sind für die Behandlung der Dysmenorrhö geeignet und wirksam.14 Die Aufklärung über die richtige Anwendung ist Teil der Therapie.

Die Schmerzmedikation sollte frühzeitig vor Erreichen des Schmerzmaximums begonnen werden. Reguläre Intervalle von 6 bis 12 Stunden sollten eingehalten werden.15 Eine Zusammenarbeit mit Kinderärztinnen und Kinderärzten kann sinnvoll sein, um ein geeignetes Schmerzmittelschema für das jeweilige Mädchen zu entwickeln.Bei etwa 50 % der Patientinnen ist mit NSAR eine gute bis sehr gute Schmerzlinderung zu erreichen.14 Auch Butylscopolamin kann bei Dysmenorrhö zur Schmerzverbesserung bei­tragen.

Hormonelle Kontrazeptiva: Bei Wunsch nach einer Kontrazeption können kombinierte hormonelle Kontrazeptiva angewandt werden. Voraussetzungen sind das Fehlen von Kontraindikationen wie ein erhöhtes Thromboembolierisiko, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Lebererkrankungen und der Ausschluss von Medikamenteninteraktionen.

Wie bei anderen zyklusabhängigen Erkrankungen ist die Off-Label Anwendung im Langzyklus zu empfehlen, da so eine gute Schmerzlinderung bis hin zur Beschwerdefreiheit erreicht werden kann.16, 17 Ziel ist das Erreichen einer Amenorrhö.

Bei Kontraindikationen gegen Östrogene kann eine reine Gestagengabe indiziert sein und so eine Schmerzlinderung erzielt werden. In einer Studie mit Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren wurde die Wirksamkeit von 2 mg Dienogest auf menstruelle Beschwerden untersucht. Es zeigte sich eine deutliche Verbesserung der Schmerzsymptomatik. Nebeneffekt war allerdings eine Abnahme der lumbaren Knochendichte, die reversibel war.18 Der Langzeiteffekt auf den Knochen ist weiterhin nicht geklärt.

Auch andere Gestagenpräparate zeigen gute Effekte. In Studien mit levonorgestrelhaltigen Intrauterinsystemen war eine deutliche Verbesserung der Dysmenorrhö auch bei Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren festzustellen.19 Dieses gilt für die Hormon­spirale mit 52 mg Levonorgestrel. Ob die niedriger dosierten Hormonspiralen die­selben Effekte haben, ist noch nicht geklärt. Auch das Implantat mit Etonogestrel kann eine gute Wirkung auf Dysmenorrhö haben20, allerdings sind die Daten für Jugend­liche hier limitiert und der Langzeiteffekt auf den Knochen ebenso ungeklärt. In einer aktuellen Studie wurde eine gute Wirksamkeit von seit kurzem verfügbarem Drospirenon (4 mg) auf Dysmenorrhö bei Adoleszentinnen gezeigt.21