RHEUMATOLOGIE: Gesichter des Eisenmangels – neue Erkenntnisse und Therapiemöglichkeiten

Eisenmangel ist die häufigste Mangelerkrankung der westlichen Welt und die häufigste Ursache von Anämie; 5% der mitteleuropäischen Männer und jede vierte bis fünfte Frau (15–20%) zwischen 15 und 65 Jahren leiden darunter. Eisen ist ein wichtiges Spurenelement und wird von allen Körperzellen für die Energiegewinnung benötigt. Die wichtigste Aufgabe ist jedoch die Hämoglobinbildung in den roten Blutkörperchen, die Sauerstoff zu den Zellen transportieren. Eisen spielt auch eine wichtige Rolle bei der Muskelarbeit.
Ein Eisenmangel entsteht bei einem erhöhten Bedarf (Schwangerschaft, Wachstum, Sport), bei hohem Blutverlust (GI-Blutungen, Operationen, starke Regelblutungen), bei mangelnder Aufnahme aus der Nahrung (vegetarische Ernährung, Verdauungsstörungen) oder auch bei chronischen Erkrankungen.

Saures Milieu für optimale Resorption

Eisen kann ausschließlich von extern zugeführt werden. Die Resorption von Eisen erfolgt im Zwölffingerdarm und ist vom Eisenbedarf abhängig. Besteht ein Eisenmangel, wird auf zellulärer und hormoneller Ebene dafür gesorgt, dass mehr Eisen aus der Nahrung aufgenommen wird. Normalerweise werden ca. 10% des in der Nahrung enthaltenen Eisens resorbiert und Eisenaufnahme und -verlust halten sich die Waage (1–2 mg/Tag). Kommt es zu einem erhöhten Verlust oder vermehrten Verbrauch bzw. wird zu wenig Eisen mit der Nahrung zugeführt, entsteht ein Eisenmangel.
Hämeisen ist in Fleisch, Innereien, Fisch, Meeresfrüchten und Geflügel enthalten (roh und frisch genossen ist der Eisengehalt am höchsten). Nichthämeisen findet sich in verschiedenen Gemüsen, Brot und Mehl, Hülsenfrüchten, ungeschälten Getreidesorten, Nüssen und Zerealien. Spinat enthält Eisen, aber nicht so viel wie angenommen, Bohnen und Linsen sind z.B. deutlich eisenreicher. Man muss insgesamt 10–20 mg Eisen täglich über die Nahrung zuführen, um dem Körper die benötigte Menge zur Verfügung zu stellen. Um eine optimale Resorption von Eisen aus der Nahrung zu gewährleisten, ist ein saures Milieu wichtig. Vitamin C fördert also die Eisenresorption, Protonenpumpenhemmer zerstören das saure Milieu und hemmen damit die Eisenresorption. Symptome des Eisenmangels treten häufig lange vor der Anämie auf, denn primär werden die Eisenspeicher, also das Ferritin, abgebaut (leichter bis mittelschwerer Eisenmangel – Stadium 1 und 2). Die Anämie ist erst in einem späten Stadium der Erkrankung nachzuweisen. Dann spricht man bereits von einem schweren Eisenmangel (Stadium 3). Die Symptome des leichten Eisenmangels sind oft sehr unspezifisch: Es kann zu Müdigkeit, Konzentrationsproblemen, Leistungsknick, Haarausfall, Schwindel, Kopfschmerzen, brüchigen Nägeln, eingerissenen Mundwinkeln und erhöhter Krankheitsanfälligkeit kommen. Unbehandelt schreitet die Erkrankung zumeist fort, und früher oder später kommt es zu einer Anämie.

Grenzwert ist häufig zu niedrig angegeben

Besteht also der Verdacht auf einen Eisenmangel, sollte eine genaue Abklärung erfolgen und die zur Diagnostik notwendigen Laborparameter sollten bestimmt werden. Dazu sind das Ferritin, das Transferrin, die Transferrinsättigung unbedingt notwendig; eventuell müssen auch die löslichen Transferrinrezeptoren bestimmt werden (s.u.).
Das Serumeisen allein ist zu wenig, ja manchmal sogar irreführend. Leider ist der in Österreich angegebene untere Grenzwert für Ferritin häufig deutlich zu niedrig angesetzt. So kann bereits bei einem Ferritin von < 50 μg/l, wenn Symptome vorhanden sind, ein Eisenmangel bestehen, jedenfalls aber ab Werten < 30 μg/l. Hat der Patient eine entzündliche Erkrankung, also z.B. eine entzündlich rheumatische Grunderkrankung, ist das Ferritin als Akute-Phase-Protein häufig erhöht, und es sind andere Cut-off-Werte zu verwenden. Dann sind Ferritinwerte < 100 μg/l als Eisenmangel zu interpretieren, oder es ist der lösliche Transferrinrezeptor zu bestimmen, der unabhängig von Entzündungsprozessen ist. Ist er erhöht, besteht auf jeden Fall ein Eisenmangel.

Gefährdete Personengruppen

Sportler: Unter der gesunden Bevölkerung sind Sportler, v.a. Ausdauersportler, besonders gefährdet, einen Eisenmangel zu entwickeln. Hier besteht zum einen ein erhöhter Bedarf, zum anderen aber auch ein erhöhter Verlust über den Schweiß.

Schwangere: Die Prävalenz einer Eisenmangelanämie bei schwangeren Frauen in Westeuropa beträgt 20%, post partum 10%. Postpartal ist die Anämie häufig kombiniert aus einer vorbestehenden Eisenmangelanämie und dem Blutverlust bei der Geburt. Hier muss man beachten, dass innerhalb der ersten sechs Wochen nach der Geburt das Ferritin falsch normal oder falsch hoch sein kann. Bei schwerer Eisenmangelanämie ist sowohl in der Schwangerschaft als auch postpartal eine i.v. Substitution empfohlen (Hb 9 g/dl sollte man primär eine orale Therapie vorziehen.

Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz: Bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und Eisenmangel konnte in einer Studie in NEJM von 2009 nachgewiesen werden, dass sich nach Gabe von Eisencarboxymaltose i.v. Symptome, Leistungsfähigkeit und Lebensqualität unabhängig vom Vorliegen einer Anämie signifikant verbesserten. Eisenmangel scheint auch das Risiko für das Auftreten von Herzinfarkten innerhalb von vier Jahren bei offenbar gesunden Männern und Frauen zu erhöhen (Nordestgaard et al., Clinical Chemistry 2010).

Patienten mit rheumatischen Erkrankungen: Bei chronischen rheumatischen Erkrankungen kommt es aufgrund der systemischen Entzündung zu einem funktionellen Eisenmangel und zur Anämie der chronischen Erkrankung. Es gilt also primär die Entzündung mit einer entsprechenden Basistherapie zu behandeln. Gleichzeitig kann natürlich ein absoluter Eisenmangel bestehen. Hier sollte der lösliche Transferrinrezeptor an Stelle des Ferritins zur sicheren Diagnostik dienen (s.o.). Da i.v. Eisen in der älteren Literatur immer wieder mit Schüben in Verbindung gebracht wird, ist die Substitution initial oral, bei Unverträglichkeit erst intravenös zu empfehlen. Neuere i.v. Produkte sind vermutlich deutlich weniger entzündungsfördernd, bei Patienten mit hoher Krankheitsaktivität wurde jedoch eine Verschlechterung der Gelenkserkrankung unmittelbar nach i.v. Eisengabe beobachtet.

Patienten mit Niereninsuffizienz: Eisen spielt auch bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz und bei Dialysepatienten eine wichtige Rolle. 25% der Niereninsuffizienten im Stadium 3 und 4 und 90% der Dialysepatienten entwickeln eine Anämie. Vor Erythropoetingabe wird unbedingt eine Optimierung des Eisenstatus empfohlen. So kann man rasch die Anämie korrigieren, aber auch bei Niereninsuffizienz die Nierenfunktion stabil halten. In Studien war eine i.v. Therapie einer oralen Gabe überlegen.

Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen: Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen leiden ca. zu einem Drittel an einer begleitenden Anämie. Eine orale Eisensubstitution führt bei diesen Patienten oft zu zusätzlichen gastrointestinalen Beschwerden und zur Verschlechterung der Grunderkrankung. Hier ist unbedingt eine i.v. Eisentherapie vorzuziehen.

Onkologische Patienten: In der Onkologie ist eine begleitende Anämie ein häufiges Problem. Auch hier liegen dem Problem andere Ursachen wie Chemotherapie oder Bestrahlung zugrunde. Eine parenterale Eisensubstitution bei einem Ferritin < 30 μg/l und einer Transferrinsättigung < 15% wird empfohlen. Bei einem funktionellen Eisenmangel (Ferritin  ≤ 800 μg/l, Transferrinsättigung < 20%) ist eine Kombination mit Erythropoetin sinnvoll.

Vor operativen Eingriffen: 20% der Patienten in Österreich haben bereits präoperativ vor großen elektiven Eingriffen eine Anämie. Diese Patienten brauchen während und nach der Operation signifikant mehr Blutkonserven als Patienten ohne Anämie. Sie haben auch eine deutlich erhöhte Komplikationsrate und Mortalität. Eine präoperative Anämiediagnostik und -korrektur ist also unbedingt notwendig, um einerseits die Gabe von Fremdblut und die damit verbundenen Risiken zu vermeiden und andererseits die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus zu verkürzen. Auch der Eisenmangel ohne Anämie muss vor großen Operationen unbedingt behandelt werden. Hier ist je nach Zeitrahmen eine i.v. Substitution der oralen Gabe vorzuziehen, da sie sofort wirksam ist.

Geriatrische Patienten: Eisenmangel in der Geriatrie ist ein sehr häufiges Problem. Es leiden ca. 40% der Patienten über 65 Jahren daran und eine Anämie ist auch beim älteren Patienten nie physiologisch. Die Ursachen sind multifaktoriell und meistens eine Kombination aus verschiedenen Krankheitsbildern (Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz usw.) und Mangelernährung. Der Eisenmangel hat hier einen direkten Einfluss auf Morbidität und Mortalität sowie Hospitalisierungsrate und muss unbedingt suffizient behandelt werden.

Moderne Optionen ermöglichen effektive Behandlung

Die orale Therapie ist bei Eisenmangel im Stadium 1 und 2 anzuwenden und ist oft längerfristig, da nur ca. ein Zehntel der geschluckten Eisenmenge im Dünndarm resorbiert wird. Um also die Eisenspeicher nachhaltig zu füllen, muss man die Tabletten oft viele Monate schlucken. Leider kommt es häufig zu gastrointestinalen Nebenwirkungen.
Die intravenöse Eisensubstitution ist grundsätzlich nur beim schweren Eisenmangel (Hb ≤ 10 g/dl und Ferritin < 30 μg/l) und bei Unverträglichkeit oder Wirkungslosigkeit der oralen Therapie indiziert. Dank neuer Produkte ist sie einfach und sicher anzuwenden sowie gut verträglich.
Intravenös stehen in Österreich Ferumoxytol, Eisencarboxymaltose, Eisensaccharose und Eisen-Isomaltosid zur Verfügung. Je nach Substanz und Schwere des Mangels reichen eine bis wenige Infusionen, um den Eisenmangel zu beheben. Nebenwirkungen können eine schlechte Venenverträglichkeit, Kopfschmerzen und Übelkeit sein. Bei Patienten mit bekannten Allergien oder entzündlichen Erkrankungen wird eine strenge Nutzen-Risiko-Abwägung vor einer i.v. Eisentherapie empfohlen.
Früher war die Therapie das Eisenmangels und der Eisenmangel-anämie wegen der schlecht verträglichen Therapiemethoden sehr schwierig und unbeliebt, häufig auch ineffizient. Dank moderner Therapieformen, die uns mittlerweile zur Verfügung stehen, können wir die Erkrankung heute jedoch rasch und sicher bekämpfen und damit die Lebensqualität sowie körperliche und geistige Leistungsfähigkeit unserer Patienten verbessern.