Schwindel im Alter: eine häufige Diagnose

Presbyvertigo – Schwindel im Alter – ist ein häufiges Prob­lem: Innerhalb eines Jahres konsultieren 50 % der Über- 80-Jährigen, 30 % der Über-70-Jährigen und immerhin 20 % aller Über-60-Jährigen einen Arzt mit dem Problem Schwindel.
Die Anamnese ist und bleibt bei Schwindelbeschwerden die wich­tigste Stütze. In mehr als zwei Drittel der Fälle kann eine Diagnose schon aus dem Gespräch mit den Patienten entstehen, die sich durch eine körperliche Untersuchung bestätigt. Neben Chronolo­gie und Trigger der Beschwerden sollte auch die Qualität des Schwindels ermittelt werden. Des Weiteren empfiehlt es sich, konkret nach einzelnen Attacken, Bewusstlosigkeit sowie Stürzen in Folge von Schwindel zu fragen. Auch die Dauer einer Schwin­delattacke ist bei der Diagnosefindung richtungsweisend: Wäh­rend ein Lagerungsschwindel nur kurz andauert, ist bei einem akuten Gleichgewichtsausfall mit einem permanenten Schwindel­gefühl für Wochen zu rechnen.
Zuletzt ist es auch notwendig, nach zusätzlichen (Vor)Erkrankun­gen und nach Medikamenten zu fragen. Dabei spielen neurologi­sche und kardiovaskuläre Erkrankungen eine große Rolle, auch ein Zusammenhang zwischen Migräne und Schwindel ist gegeben.

Häufige Schwindelformen im Alter

Die häufigste Diagnose beim akuten Schwindel im Alter ist der gutartige Lagerungsschwindel (BPLS). Jede dritte Person über 70 Jahre litt bereits einmal daran. Patienten berichten über einen bewegungsabhängigen, drehenden Schwindel, der nur kurz an­dauert. Diagnostik sowie Therapie erfolgen in diesem Fall durch Lagerungsübungen. Regelmäßige Bewegung kann die Häufigkeit des Auftretens reduzieren.
Bei akuten Schwindelbeschwerden muss immer auch an ein zen­trales Geschehen wie Ischämie oder Infarkt im vertebrobasilären Stromgebiet gedacht werden. Selten sind hierbei ausschließlich Schwindelsymptome zu erkennen, meistens zeigt sich ein ausge­prägteres klinisches Bild mit Kleinhirnzeichen und Beeinträchti­gung anderer Hirnnerven. Differenzialdiagnostisch ist die Erst­manifestation eines akuten Gleichgewichtsausfalles oder eines Morbus Menière im hohen Alter eher seltener.
Ein vestibuläres Problem des Alters ist die sogenannte „bilatera­le Vestibulopathie“, eine Unterfunktion des Gleichgewichtsor­ganes, welche mit dem Kopfimpulstest gut nachgewiesen werden kann. Auch ototoxische Medikamente (Aminoglykosidantibioti­ka) können diese Erkrankung auslösen.
Degenerative Erkrankungen wie die Polyneuropathie (PNP) äu­ßern sich in Schwankschwindel und starker Gangunsicherheit, vor allem in der Dunkelheit. Die PNP kann zu einer Verdoppe­lung des Sturzrisikos führen.
Beeinträchtigungen der Wirbelsäule, im speziellen der HWS, werden häufig als kurze Schwindelattacken bei raschen Bewegun­gen wahrgenommen. Begleitet sind diese Beschwerden von leichten Schmerzen.
Von einem „persistierenden postural-perzeptiven Schwindel“ (PPPD) spricht man, wenn keine organischen Schwindelsympto­me vorliegen und Trigger wie visuelle Reize und alltägliche Akti­vitäten die Symptome verstärken. Der PPPD tritt häufig nach ei­ner akuten Schwindelerkrankung auf, wie z. B. einem BPLS.
Internistische Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems oder des Elektrolythaushaltes (Hyponatriämie) können ebenso zu Schwindelattacken führen, manchmal auch mit Ohnmacht.

Therapieoptionen

Im besten Fall richtet sich die Therapie nach der Ursache. Da Presbyvertigo eine multifaktorielle Entität darstellt, sind hier die therapeutischen Maßnahmen ebenso vielfältig. Eine wichtige Säule stellt die regelmäßige Physiotherapie dar, die vor allem der Gangstabilität und Sturzprävention dient.
Medikamentöse Interventionen bei chronischem Vertigo sind in­dividuell zu erwägen – das eine Medikament für Schwindel gibt es nicht. Dauertherapien mit sedierenden Antivertiginosa sind nicht indiziert, sie können sogar das Risiko von Unfällen erhöhen. Niedrigdosiertes Dimenhydrinat + Cinnarizin als Kombinations­präparat stellt bei chronisch vestibulärem Schwindel eine Thera­pieoption dar und kann zur Linderung der Symptome führen. In mehreren Untersuchungen wurde das Präparat im Vergleich zu anderen Medikamenten gegen chronische Schwindelbeschwerden als zumindest gleichwertig oder sogar wirksamer beschrieben. Vi­tamin D soll eine prophylaktische Wirkung auf den BPLS haben, auf ausreichende Spiegel ist deshalb zu achten. Antihistaminika (Betahistin) werden bei verschiedenen Innenohrerkrankungen und auch bei chronisch vestibulärem Schwindel als wirksam an­geführt, die Dosierungen in der Literatur sind allerdings nicht einheitlich und reichen von 3-mal tgl. 8 bis 48 mg. Sanfte Wirk­stoffe wie Johanniskraut und Ginkgo können zur Besserung der Beschwerden beitragen, allerdings muss auch hier auf die Kreuz­reaktionen mit anderen Präparaten geachtet werden. Weiters wer­den homöopathische Mittel gerne von Patienten angewendet.
Auch eine antidepressive Therapie kann hilfreich sein, vor allem, um dauerhafte Angstschwindelzustände in den Griff zu bekommen.

Wissenswertes für die Praxis

  • In mehr als zwei Drittel der Fälle kann eine Diagnose schon aus dem Gespräch mit den Patienten entstehen.
  • Die häufigste Diagnose beim akuten Schwindel im Alter ist der gutartige Lagerungsschwindel (BPLS).
  • Die Therapie richtet sich nach der Ursache und zielt in erster Linie auf Gangstabilität und Lebensqualität ab.