Spital- und Hausärzt:innen: Wie können wir beide Systeme entlasten?

In den letzten Wochen und Monaten ging ein Aufschrei durch die Medien. Das österreichische Gesundheitssystem stecke in der Krise. „Das LKH Graz wird selbst zum Notfall“, hieß es beispielhaft in den Schlagzeilen. Insbesondere wurden dort überfüllte Krankenhausambulanzen mit stundenlangen Wartezeiten und am Limit arbeitendem Personal thematisiert. Was für die Gesamtbevölkerung wohl wie eine böse Überraschung geklungen haben muss, haben wir Ärztinnen und Ärzte im Inneren des Systems schon seit Jahren befürchtet und auch bereits davor gewarnt.
Für diverse Medien schien die Lösung gar nicht so fern: Sollen doch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, insbesondere die hausärztlich Tätigen, das Gesundheitssystem retten, indem sie die Krankenhausambulanzen entlasten und einfach die „überschüssigen“ Patientinnen und Patienten übernehmen. Klingt gut? Eher nicht.
Als junge Allgemeinmedizinerin kenne ich aufgrund meiner Tätigkeit in der hausärztlichen Praxis und der gleichzeitigen Diensttätigkeit in einem Krankenhaus beide Seiten des Systems. Grundsätzlich finde ich es gut, dass nicht alle Patient:innen – vor allem wegen Kleinigkeiten – die Notaufnahme aufsuchen sollen. Diese gehören selbstverständlich eher in den niedergelassenen Bereich. Das Krankenhaussystem ist aber einfach von den diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten her komplett anders aufgestellt als eine klassische Hausarztpraxis. Die Praxis, in der ich arbeite, hat zwar vergleichsweise viele diagnostische Tools, teilweise auch ohne Verrechnungsmöglichkeit mit der Kasse, jedoch gibt es viele Ordinationen, in denen weniger akute Diagnostikmethoden zur Verfügung stehen. Wie diese ein Krankenhaus, welches vom Akutlabor bis zur Bildgebung alles hat, entlasten sollen, ist zu hinterfragen.
Eine gezielte Schulung der Bevölkerung, damit diese besser beurteilen kann, bei welchem Beschwerdebild welche Versorgungsebene aufgesucht werden muss, ebenso eine Lenkung der Versorgungsebenen und gegebenenfalls auch Entlastung durch interprofessionelle Zusammenarbeit, wie z. B. mit Community Nurses, würde hier gute Möglichkeiten darstellen. In unserem Ort hat die Zusammenarbeit mit einer solchen Gemeindeschwester bereits einen deutlichen Profit für die Patient:innen gebracht und dazu beigetragen, dass diese eher ambulant betreut werden. Darüber hinaus müssen die Anreize für Kassenarztstellen für Jungmediziner:innen deutlich attraktiver gemacht werden. Aber auch die Arbeitsbedingungen im Krankenhaus, vor allem in großen Kliniken, sollten dringend verbessert werden, um auch dort mehr Personal zu halten und nicht an die versorgungsirrelevante, aber lukrative Wahlarzttätigkeit zu verlieren.
Wir behandeln in unserer Ordination zu Spitzenzeiten bis zu 300 Patient:innen pro Tag. Davon sind ein Großteil sehr komplexe Fälle, die deutlich mehr als die von der Kasse vorgegebene Zeit von 10 Minuten beanspruchen. Außerdem versuchen wir unsere Patient:innen so lange wie möglich vom Krankenhaus fernzuhalten, wie es eben im Rahmen unserer diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten liegt. Eine 5-%-Limitierung bei der POC-Diagnostik wie dem CRP bzw. die grundsätzliche Nichtübernahme von anderen Schnelltests (Troponin, D-Dimer) sowie die nichtbezahlte Sonografie machen uns dabei aber das Arbeiten nicht gerade leichter.
Eine Filterfunktion der Allgemeinmedizin entsprechend der Fachdefinition empfinde ich als sehr sinnvoll, jedoch kann ich mir nicht vorstellen, zusätzlich zu unseren 200–300 Kontakten am Tag noch mehr Patient:in-nen zu übernehmen, nur um die Krankenhäuser zu entlasten. Denn ich kenne in meiner Umgebung keine Allgemeinmediziner:innen, welche nicht bereits jetzt komplett ausgelastet oder sogar überlastet sind. Die Frage, wo plötzlich die vielen neuen Hausärztinnen und Hausärzte herkommen sollen, die diese „überschüssigen“ Betroffenen übernehmen sollen, stellt sich ebenfalls. Ich hoffe, die Politik hat bald sinnvolle Lösungen für diese Herausforderungen, sonst drohen in allen Bereichen des Gesundheitssystems deutliche Versorgungsprobleme.