Sterbehilfe-Regelung: Meinungen gehen auseinander

Die Regierungsparteien haben sich auf eine gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe in Österreich geeinigt. Wer Beihilfe zum Suizid in Anspruch nehmen will, kann ab 2022 eine Sterbeverfügung errichten – ähnlich der Patientenverfügung. Notwendig ist die Aufklärung durch zwei Ärzte (siehe Kasten). Apotheken können ein letales Präparat abgeben. Das neue „Sterbeverfügungsgesetz“ ist notwendig geworden, da der Verfassungsgerichtshof (VfGH) das Verbot des assistierten Suizids in Österreich mit Ende 2021 aufgehoben hat – nicht allerdings das Verbot der aktiven Sterbehilfe. Wäre bis zum Jahresende nichts geschehen, so wäre die Beihilfe zum Selbstmord ab dem kommenden Jahr schlicht erlaubt gewesen.

Zwei Ärzte müssen entscheiden

Die Ärztekammer reagiert zufrieden auf den Regierungsvorschlag in Sachen Sterbehilfe. Präsident Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres meinte, die gefundene Regelung sei „zufriedenstellend“. Die Position der Ärzte sei gehört worden. Gut sei, dass eine restriktive Lösung gewählt worden sei. Wichtig sei, dass niemand gezwungen werden könne, weder Patienten noch Ärzte. Zudem sei sichergestellt, dass die Sterbehilfe nicht wie in anderen Ländern zu einem Geschäftsmodell werde, sagte Szekeres. Besonders wichtig sei auch der angekündigte Ausbau des Hospizwesens. Während Szekeres davon ausgeht, dass sich genug Mediziner für die Begutachtung finden werden, zeigte sich die Leiterin der Bioethikkommission Dr. Christiane Druml in einem Radio-Interview diesbezüglich skeptisch. Denn einer der zwei Ärzte, die eine Sterbeverfügung bestätigen sollen, muss palliativmedizinische Kompetenz haben. Nicht sehr viele Mediziner hätten eine entsprechende Ausbildung, meinte Druml.

Umfrage zeigt leichte Zustimmung

Die Ärzteschaft dürfte der Regelung gespalten gegenüberstehen. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Ärzte Krone und des Nachrichtenportals RELATUS MED. Knapp mehr als die Hälfte der Ärzte (54,8 %, n = 100) kann sich demnach vorstellen, eine Sterbeverfügung für einen Patienten zum assistierten Suizid zu unterschreiben (35,1 % „Ja“, 19,7 % „Eher ja“), aber 31,1 % sind explizit dagegen. Hintergrund dürfte auch die persönliche Einstellung zum Thema sein: 66,5 % denken, dass es zum Selbstbestimmungsrecht eines schwerkranken Patienten gehört, den Zeitpunkt seines Todes selbst bestimmen zu können. Generell sind 48,1 % für eine Sterbehilfe für eine Person, die an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder einer schweren Erkrankung leidet, die das Leben massiv beeinträchtigt. 38,5 % sind dagegen, 13,4 % haben sich noch nicht entschieden. Der Frage „Wie wichtig ist für Sie der geplante Ausbau der Palliativmedizin?“ geben die Ärzte die Schulnote 1,5. Für das Missbrauchsrisiko der Sterbehilferegelung gibt es die Note 3,1.

 

Die wichtigsten Details der Regelung
Anspruchsberechtigte: Für den assistierten Suizid muss beim Notar oder Patientenanwalt eine „Sterbeverfügung“ errichtet werden, in welcher der Entschluss festgehalten wird, das Leben zu beenden. Eine solche Verfügung kann nur eine Person errichten, die „an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit“ oder „an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leidet, deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen“.
Sterbeverfügung: Vor der Erstellung muss eine Aufklärung durch zwei Ärzte erfolgen, wobei einer der beiden eine palliativmedizinische Qualifikation aufzuweisen hat. Sie müssen bestätigen, dass der/die Betroffene entscheidungsfähig ist und einen selbstbestimmten Entschluss gefällt hat. Weiters muss dabei auf die Möglichkeit psychotherapeutischer Gespräche und suizidpräventiver Beratung hingewiesen werden. Zweifelt ein Arzt an der Entscheidungsfähigkeit der sterbewilligen Person, muss zusätzlich ein Psychiater oder Psychologe beigezogen werden.
Mitwirkung: Es ist niemand dazu verpflichtet, eine Hilfeleistung zu erbringen. Die Freiwilligkeit gilt ebenso für Ärzte hinsichtlich der Aufklärung wie für Apotheker. Letztere müssen das Präparat nicht zwingend zur Verfügung stellen, wenn sie das nicht wollen.