Umgang mit Erkältungskrankheiten in Zeiten der SARS-CoV-2-Pandemie

Das klinische Bild einer SARS-CoV-2-Infektion ist vielfältig und reicht von asymptomatischen Verläufen über milde Atemwegsinfekte oder Gastroenteritiden bis hin zu schwierig zu behandelnden Pneumonien, Myokarditiden und letztlich auch einer akuten Ateminsuffizienz.

Abgrenzung zur banalen Erkältung

Insbesondere im Anfangsstadium und bei leichteren Verläufen ist die Abgrenzung zu einfachen Erkältungskrankheiten schwer bis unmöglich.
Hier gilt es zunächst, auf die Leitsymptome der SARS-CoV-2-Infektion zu achten. Diese sind:1

  • Fieber
  • trockener Husten, Atemnot
  • Geschmack- und Geruchsstörungen
  • Gliederschmerzen
  • Kopfschmerzen
  • Halsschmerzen
  • Übelkeit/Durchfall
  • Abgeschlagenheit, Fatigue

Die Symptome können, müssen aber keineswegs alle vorhanden sein. Die meisten Verläufe sind milde und ähneln einem einfachen respiratorischen Infekt. Nach einer systematischen Übersichtsarbeit von 41 Studien mit über 50.000 Teilnehmern verläuft SARS-CoV-2 bei etwa 15 % der Gesamtfälle asymptomatisch. Bei Kindern sind es sogar fast 30 %.2 Ein Infekt der oberen Atemwege mit einer deutlichen Rhinitis macht eine SARS-CoV-2-Infektion eher unwahrscheinlich, schließt diese aber nicht aus.

Wie gehen wir vor?

Sollte sich bei einem grippalen Infekt eine klare Diagnose ergeben, wie zum Beispiel Angina tonsillaris, einfache Rhinitis mit möglicherweise Beteiligung der Nasennebenhöhlen, produktiver Husten, typische Pneumonie mit CRP-(C-reaktives Protein-)Auslenkung und Linksverschiebung im Differenzialblutbild, und ist kein Kontakt mit einem SARS-CoV-2-Infizierten vorangegangen, so ist zunächst keine Abklärung auf SARS-CoV-2 indiziert. Es erfolgt lediglich eine adäquate Behandlung. Hier bekommt aber die Beurteilung des Verlaufes Bedeutung, da natürlich auch Überinfektionen möglich sind.

Sollte keine klare Diagnose gestellt werden können, steht der Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion im Raum, und wir stehen vor dem Dilemma, dass eine COVID-19-Erkrankung nicht übersehen werden sollte, andererseits aber eine sehr hohe Zahl an Test erforderlich wäre.
Nach den aktuellen Daten des deutschen Robert-Koch-Instituts treten derzeit (Daten der 44. KW) jede Woche bei 3,3 % der Gesamtbevölkerung respiratorische Infekte neu auf.3
Auf Österreich übertragen wären das etwa 300.000 Personen, die jede Woche getestet werden müssten. Von diesen suchen aber nur etwa 17 % einen Arzt auf.3 Man würde also trotz konsequenter Testung von allen Personen, die wegen eines grippalen Infektes einen Arzt aufsuchen, mit dieser Teststrategie den Großteil von SARS-CoV-2-Infektionen übersehen. Andererseits fand sich bei den Sentinel-Untersuchungen auf Viren nur bei 3 % der Proben SARS-CoV-2.3 Vorherrschend waren Rhinoviren.
Die Strategie, alle respiratorischen Infekte ohne klare Diagnose unter COVID-Verdacht zu stellen, würde also nach den derzeitigen Bestimmungen zu einer Vielzahl unnötiger Tests und prophylaktischer Quarantäneanordnungen führen.
Eine generelle Testung auf SARS-CoV-2 ohne Verdacht aufgrund typischer Leitsymptome (s. o.) und/oder vorangegangener Exposition (Kontakt mit einem Infizierten) erscheint daher wenig zielführend, wird aber von der Österreichischen Teststrategie des Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) empfohlen.4
Auf jeden Fall sollten alle Patienten mit Erkältungssymptomen angehalten werden, den Kontakt mit anderen Menschen außerhalb ihres eigenen Haushaltes für die Dauer der Erkrankung zu vermeiden. Damit würde sich die Massentestung erübrigen.
Dementsprechend sollte natürlich auch ein Patient, der wegen eines begründeten COVID-Verdachtes (typische Leitsymptome oder grippaler Infekt plus vorangegangener SARS-CoV-2-Kontakt) durch einen Abstrich abgeklärt wird, bis zum endgültigen Ergebnis des Tests in Quarantäne geschickt werden. Nach derzeitiger Verordnung ist eine entsprechende Meldung an die Behörde zu erstatten.
Arbeitsrechtlich gelten die Besonderheiten nach dem Epidemiegesetz: Die Entgeltzahlung durch die öffentliche Hand an den Dienstgeber erfolgt bei positivem Befund vom ersten Tag der Erkrankung an.

Diagnostik der SARS-CoV-2-Infektion

  • PCR aus einem nasopharyngealen Abstrich – Goldstandard, dauert aber lange
  • Antigentest – schon auf dem Markt, wird noch validiert – geht schnell, innerhalb von 15 Minuten, ist viel günstiger als PCR. Ein positiver Antigentest muss allerdings nach derzeitiger Verordnung noch durch einen PCR-Test bestätigt werden. Ein Nachteil des Antigentests ist auch die eingeschränkte Sensitivität, vor allem in der präsymptomatischen Phase der Erkrankung.
  • Antikörpertest – für die akute Testung nicht geeignet, wird erst nach 1–2 Wochen positiv, Sensitivität und Spezifität sind für klare Aussagen nicht gut genug.

„Red flags“: Massive Atemnot, Husten und Fieber – vor allem bei älteren oder chronisch kranken Patienten – sind Alarmzeichen. Diese Patienten können sich innerhalb kurzer Zeit verschlechtern und sollten rasch mit der Differenzialdiagnose SARS-CoV-2-Infektion stationär eingewiesen werden. Da die Erkrankung bei diesen Patienten auch foudroyant verlaufen kann, ist die primäre Testung und das Warten auf ein Testergebnis nicht sinnvoll.

Allgemeine Bemerkungen

Es gibt bis jetzt noch keine klaren Leitlinien im Umgang mit SARS-CoV-2, und wir erleben im Moment eher eine Überdiagnostik. Gerade Hausärzte sind ausgebildet, pragmatisch eine gute Diagnose beziehungsweise Differenzialdiagose zu erstellen. Sie leben seit jeher mit der diagnostischen Unsicherheit und haben gelernt, damit umzugehen. Die Abklärung und Testung im hausärztlichen Bereich bringt für den Patienten den Vorteil, dass nicht nur in Richtung COVID-19 abgeklärt wird, sondern mögliche andere Erkrankungen bestätigt oder ausgeschlossen werden. Das erspart eine verzögerte Diagnostik und Behandlung, damit auch Patientenleid und ist auch ökonomisch sinnvoll.
Dies muss natürlich unter klaren Schutzmaßnahmen zum Eigen-, aber auch zum Fremdschutz anderer Patienten durchgeführt werden. Die Ordination muss hierfür organisatorisch und räumlich eingestellt sein. Eigene „Infektsprechstunden“ sollten eingerichtet, wenn möglich Verdachtspatienten räumlich getrennt werden. Im besten Fall sollte der Raum für potenziell infektiöse Patienten einen separaten Ein- und Ausgang aufweisen.
Sind in einer Ordination die räumlichen Gegebenheiten ungeeignet für eine Trennung zwischen infektiösen und nichtinfektiösen Patienten, sollten infektiöse Patienten an Kollegen überwiesen oder über die Telefonnummer „1450“ weitervermittelt werden.
Als Schutzausrüstung werden eine FFP2-Maske, ein Schutzschild oder eine Brille und Handschuhe empfohlen, die Sinnhaftigkeit eines Mantels oder einer Schürze wird unterschiedlich beurteilt. Desinfektion von Instrumenten und Oberflächen, mit denen ein infektiöser Patient Kontakt hatte, sowie der eigenen Hände und Arme sind Selbstverständlichkeit.

Gerade in dieser angstbesetzten Zeit – sowohl seitens der Patienten als auch seitens der Ärzte – ist es wichtig, einen klaren pragmatischen Weg zu finden, wie wir in Zukunft mit diesem Virus beziehungsweise mit anderen Pandemien umgehen. Bei Durchführung der geschilderten Maßnahmen sind wir im Wesentlichen auf der sicheren Seite. Eine absolute Sicherheit gibt es allerdings nicht; weder für die Patienten noch für uns Ärzte.

Acknowledgement: Dieser Beitrag entstand in Kooperation mit Dr. Christoph Dachs und Dr. Reinhold Glehr.