Update zur antiretroviralen Therapie

Die duale antiretrovirale Therapie mit dem Integrase-Inhibitor (INI) Dolutegravir (DTG) plus dem Nukleosid-RT-Inhibitor (NRTI) Lamivudin ist im klinischen Alltag mittlerweile etabliert. Beispiele für die Anwendung sind therapienaive Patient:innen oder das Switch-Szenario im Sinne einer Deeskalation einer funktionierenden Triple-ART. Weder Vorbehalte hinsichtlich einer schwächeren Wirksamkeit mit höheren Raten an virologischem Versagen über längere Beobachtungszeiten noch eine höhere Vulnerabilität hinsichtlich Resistenzselektionen konnten bis dato belegt werden. Gleichermaßen gilt dies für People Living with HIV (PLHIV), die im Verlauf ihrer Infektion irgendwann unbemerkt im proviralen HIV-DNA-Genom resistenzassoziierte Mutationen gegen Lamivudin erworben haben. Die Datenlage zur Dualtherapie bei klinisch fortgeschrittener HIV-Infektion (CD4-Zellzahl < 200/mm³) mit zügigem Therapiebeginn und Schwangerschaft ist allerdings gering, weshalb in diesen Situationen weiterhin Zurückhaltung vorherrschen sollte. Im Falle einer Koinfektion mit HBV sollte definitiv eine Triple-ART mit Inklusion von Lamivudin oder Emtricitabin plus eine der beiden Tenofovir-Varianten (TDF/TAF) durchgeführt werden.

„Long-Acting cART“ – die Zukunft hat begonnen

Zwei Substanzen stehen derzeit in Formulierungen zur oralen sowie auch zur intramuskulären Verabreichung zur Verfügung. Es handelt sich dabei um den INI Cabotegravir (CBV) und den nichtnukleosidischen RT-Inhibitor (NNRTI) Rilpivirin (RPV). Die orale Formulierung ermöglicht dabei eine 4-wöchige Einleitungstherapie zwecks Austestung der Verträglichkeit und/oder eine Überbrückungstherapie bei Versäumen einer zeitgerechten Verabreichung der Folgeinjektion. Seit Anfang 2023 wird Vocabria + Rekambys in Österreich erstattet.Virologisches Versagen unter Long-Acting ART trat in Studien sehr selten auf, war dann aber zum Teil mit der Selektion von resistenzassoziierten Mutationen (RAM) sowohl gegen die NNRTI- als auch gegen die INI-Komponente. Risikofaktoren für virologisches Versagen umfassen bestimmte HI-Virus-Varianten (Subtyp A1/A6), den Nachweis proviraler RPV-RAM (Rilpivirine Resistance-associated Mutations) und einen BMI > 30. Bei Vorliegen von zwei dieser Kriterien sollte die Therapieindikation zumindest überdacht werden.

Zugelassen ist die Long-Acting cART derzeit nur für HIV-Patient:innen, die bereits unter einer Therapie virologisch supprimiert sind und bei denen in der Vergangenheit weder ein Therapieversagen unter einer Therapie mit Integrase- oder Nukleosid-RT-Inhibitoren noch entsprechende Resistenzmutationen aufgetreten sind. Die Wirkstoffe werden in Kombination, aber als individuelle Injektionen in je eine Seite der Gesäßmuskeln verabreicht. Nach einer Aufsättigungsphase von zwei Dosen in monatlichem Intervall sind in der Folge mit einer angepassten Dosierung Intervalle von zwei Monaten (+/– 7 Tage) vorgesehen.

Neuer Wirkmechanismus

Lenacapavir (LEN) ist der erste Vertreter der Kapsid-Inhibitoren und im pikomolaren Bereich wirksam. Die geringe hepatale Verstoffwechslung und die gute Verträglichkeit in klinischen Studien ermöglichen eine Formulierung zur subkutanen Verabreichung in halbjährlichem Intervall. Initial ist eine orale LEN Gabe nach einem festgelegten Schema zur raschen Aufsättigung vorgesehen. In der CAPELLA-Studie konnte die hohe Wirksamkeit von Lenacapavir bei stark vorbehandelten Patient:innen mit multiresistenter HIV-1-Infektion gezeigt werden. Hinsichtlich Medikamenten-Interaktion ist eine Komedikation von starken Induktoren (z. B. Rifampicin) beziehungsweise Inhibitoren (z. B. Atazanavir/Ritonavir) von CYP3A/P-Glykoprotein/UGT1A zu vermeiden. Lenacapavir ist aktuell für die Behandlung von Erwachsenen mit einer multiresistenten HIV-1-Infektion in Kombination mit anderen antiretroviralen Arzneimitteln zugelassen. Eine Phase-II-Studie mit antiretroviral naiven Patient:innen und Lenacapavir subkutan im sechsmonatigen Intervall plus einen oder zwei NRTI versus einer klassischen Triple-ART mit dem INI Bictegravir plus zwei NRTI zeigte über 54 Wochen gute Daten. Das volle therapeutische Potenzial dieser Subsanzen wird mit der Verfügbarkeit von Partnersubstanzen erreicht werden.

Wirkstoffe der Präexpositionsprophylaxe

Die Präexpositionsprophylaxe (PREP) sollte laut derzeitiger Leitlinie mit einer kontinuierlichen, einmal täglichen Gabe des oralen Kombinationspräparates Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil (TDF/FTC) erfolgen. Derzeit läuft zudem ein EMA-Verfahren zur Zulassung einer intramuskulären PREP mit Cabotegravir (CBV).LEN könnte eine PREP mit nur zwei Gaben pro Jahr ermöglichen, erste klinische Studiendaten in dieser Indikation werden für 2024 erwartet.