Wechselspiel von Zyklus und Glukosestoffwechsel

Der Zusammenhang des Menstruationszyklus mit dem Glukosestoffwechsel wurde bereits im frühen 20. Jahrhundert erforscht und beschrieben.1 Frauen mit Typ-1-Diabetes haben generell ein höheres Risiko für Unregelmäßigkeiten des Menstruationszyklus. Das Risiko dürfte sich vor allem auch durch eine inadäquate glykämische Kontrolle noch weiter erhöhen und schlussendlich zu einem gehäuften Auftreten von Oligomenorrhöen und Amenorrhöen führen.2 Neben den häufiger vorkommenden Zyklusunregelmäßigkeiten wird in der Literatur bei Frauen mit Typ-1-Diabetes auch von einem späteren Auftreten der Menarche berichtet.3
Allgemein ist die Datenlage zum Zusammenhang des Menstruationszyklus mit dem Glukosestoffwechsel bei Frauen mit Typ-1-Diabetes nicht zur Gänze konsistent. Es gibt jedoch Hinweise dafür, dass einzelne Hormone den Glukosestoffwechsel zyklusabhängig maßgeblich beeinflussen können.4 Der Glukosestoffwechsel scheint sich vor allem im Rahmen der verschiedenen Zyklusphasen unterschiedlich zu verhalten.

Menstruationszyklusund Glukosestoffwechsel

In einer rezent veröffentlichten Studie wurden die hypothalamischen und metabolischen Effekte von intranasal verabreichtem Insulin in den unterschiedlichen Zyklusphasen untersucht. In dieser Studie wurden hyperinsulinämisch-euglykämische Clamps eingesetzt, und es konnte gezeigt werden, dass nach der intranasalen Verabreichung von Insulin in der Follikelphase im Vergleich zur placebokontrollierten Gruppe mehr Glukose infundiert werden musste. Interessanterweise gab es im Rahmen der Lutealphase keinen Einfluss von intranasalen verabreichtem Insulin auf die Glukoseinfusionsrate.
Diese Studie lässt somit den Schluss zu, dass die Wirkung von Insulin im Gehirn die periphere Insulinsensitivität nur im Rahmen der Follikelphase und nicht in der Lutealphase verbessert. Diese Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass die Insulinresistenz im Gehirn in der Lutealphase mit der Insulinresistenz des gesamten Körpers zusammenhängen könnte.5

Sonderfall Lutealphase

Dass es Veränderungen des Glukosestoffwechsels im Rahmen der verschiedenen Zyklusphasen gibt, wurde auch in anderen Studien demonstriert. Bei Frauen mit Typ-1-Diabetes weist die vorliegende Literatur darauf hin, dass es vor allem im Rahmen der Lutealphase zu einer Verschlechterung der glykämischen Kontrolle kommen könnte.4 So konnte in einer Beobachtungsstudie, in der 24 Frauen mit Typ-1-Diabetes mittels CGM-Daten hinsichtlich der glykämischen Veränderungen im Rahmen der verschiedenen Phasen des Menstruationszyklus beobachtet wurden, gezeigt werden, dass es vor allem bei der mittleren und späten Lutealphase verglichen mit der frühen Follikelphase zu einem signifikanten Abfall der Zeit im Zielbereich kam (TIR: frühe follikuläre Phase vs. mittlere follikuläre Phase vs. periovulatorische Phase vs. mittlere luteale Phase vs. späte luteale Phase: 61 % vs. 59 % vs. 59 % vs. 57 % vs. 55 %, p = 0,02). Die Zeit über dem Zielbereich in der späten Lutealphase war im Vergleich zu der frühen Follikelphase signifikant höher. Darüber hinaus konnte eine höhere Zeit unterhalb des Zielbereichs (TBR) in der mittleren Follikelphase verglichen mit der frühen Follikelphase gefunden werden.6
In einer weiteren Studie, bei der die Blutzuckertagebücher von Frauen mit Typ-1-Diabetes durch 168 Menstruationszyklen hindurch untersucht wurden, stellte sich heraus, dass 2/3 der Frauen im Rahmen der Lutealphase einen Anstieg der Blutzuckerkonzentrationen zu verzeichnen hatten. Dabei erhöhte sich die mittlere Prozentzahl an Blutzuckeraufzeichnungen von > 140 mg/dl von 52,2 % in der frühen Follikelphase auf 58,4 % in der frühen und späten Lutealphase (p < 0,001).7Zusätzlich zu der Erhöhung der Zeit über dem Zielbereich im Rahmen der Lutealphase6, 8 wurden in der Lutealphase bei Frauen mit Typ-1-Diabetes auch höhere mittlere postprandiale Blutzuckerwerte nach dem Frühstück und dem Mittagessen beschrieben.8

Einfluss auf die Insulinsensitivität

Trotzdem ist die Datenlage zu diesem Thema nicht gänzlich konsistent und Bedarf weiterer Erforschung.9 Wie bereits einleitend erwähnt, gibt es Hinweise, dass die zyklisch bedingten glykämischen Veränderungen mit der Insulinsensitivität zusammenhängen.5, 10 Im Detail wurde dieser Zusammenhang in einer Studie von Brownetal. untersucht, bei der Frauen mit Typ-1-Diabetes mit einer Insulinpumpe und CGM eingeschlossen wurden. Auch in dieser Studie konnte festgestellt werden, dass es in der frühen Lutealphase zu einem Anstieg der Glukosewerte kam und vor allem die kalkulierte Insulinsensitivität in der Lutealphase im Vergleich zur Follikelphase abnahm. Dies konnte interessanterweise ohne signifikante Unterschiede bei der Kalorienzufuhr, Kohlenhydratzufuhr und Insulindosis beobachtet werden.10 In einer weiteren Arbeit wurden euglykämische Clamps zur Messung der Insulinsensitivität bei Frauen mit Typ-1-Diabetes durchgeführt, und es wurde aufgezeigt, dass es zu einer signifikanten Abnahme der Glukoseinfusionsrate von der Follikelphase zur Lutealphase kam, was auch für eine Abnahme der Insulinsensitivität in der Lutealphase spricht. In Hinblick auf diese Ergebnisse sollte die zyklische Anpassung der Algorithmen in den neuen Insulinpumpensystemen diskutiert werden, da Informationen über die zyklusabhängigen Veränderungen der Insulinsensitivität die Zeit im Zielbereich verbessern könnten.11
Natürlich müssen künftig vor allem weitere Einflussfaktoren wie Stress, Essgewohnheiten oder Schlafqualität vermehrt in die Erforschung dieses Themas miteinbezogen werden.4 Ein wesentlicher Aspekt hinsichtlich der zyklischen Blutzuckerschwankungen und des wechselnden Insulinbedarfes zwischen den Zyklusphasen, der künftig intensiver untersucht werden muss, ist die sportliche Aktivität.12

Hormone und zyklische Veränderungendes Glukosestoffwechsels

Wie sich die hormonellen Veränderungen im Rahmen des Zyklus tatsächlich auf den Glukosestoffwechsel auswirken, wird noch erforscht. Der Anstieg der Progesteronkonzentrationen in der Lutealphase wird als ein ursächlicher Faktor für den Anstieg der Insulinresistenz in dieser Phase und die damit verbundene schlechtere glykämische Kontrolle diskutiert.6, 13 Beispielsweise wurde die Verabreichung von Progestin, einer synthetischen Form von Progesteron, mit einer Zunahme der Insulinresistenz und des Diabetesrisikos in Zusammenhang gebracht.14 In Mausstudien, in denen Progesteron-Rezeptor-Knock-out-(PR-KO-)Mäuse untersucht wurden, konnte aufgezeigt werden, dass die Pan-kreasinselzellen der PR-KO-Mäuse größer waren und mehr Insulin produzierten. Korrespondierend dazu wurden eine stärkere Betazell-Proliferation und eine größere Betazell-Masse beschrieben.15
Auch Östrogen scheint einen Einfluss auf die zyklischen Veränderungen des Glukosestoffwechsels bei Frauen mit Typ-1-Diabetes zu haben, der Zusammenhang ist bis heute jedoch nicht ausreichend geklärt.6 Generell hat Östrogen in früheren Studien positive Effekte auf den Glukosestoffwechsel gezeigt, indem es unter anderem die Funktion der Betazellen verbessert, die Apoptose der Betazellen verringert und die Insulinresistenz reduziert. Neben einer Verbesserung der Insulinsensitivität reduziert Östrogen auch die Glukoneogenese in der Leber.12, 16 Trotz dieser beschriebenen Effekte ist die Wirkung von Östrogen auf den Glukosestoffwechsel im Rahmen der verschiedenen Zyklusphasen nicht geklärt.17
Auch das follikelstimulierende Hormon (FSH) dürfte mit dem Glukosestoffwechsel in direktem Zusammenhang stehen – in einer Studie wurde aufgezeigt, dass es einen negativen Zusammenhang zwischen FSH-Spiegeln und der Insulinresistenz bei postmenopausalen Frauen gibt.18
Hinsichtlich weiterer beeinflussender hormoneller Faktoren wie zum Beispiel dem luteinisierenden Hormon (LH) ist die Datenlage schwach.12 Eine rezente Beobachtungsstudie konnte jedoch aufzeigen, dass LH-Konzentrationen bei Patientinnen mit dem polyzystischen Ovarsyndrom positiv mit Nüchterninsulinspiegeln korrelieren.19

Resümee

Frauen mit Typ-1-Diabetes haben ein höheres Risiko für eine spätere Menarche und Zyklusunregelmäßigkeiten. Vor allem die glykämische Kontrolle spielt hier eine wesentliche Rolle. Je schlechter diese ist, desto höher ist das Risiko für Oligo- und Amenorrhöen. Die Studiendaten zeigen, dass es vor allem im Rahmen der Lutealphase zu einer Verschlechterung der glykämischen Kontrolle kommt.