Wenn der Bissen im Hals stecken bleibt

Der Mensch sollte ebenso essen können, wie ein Hund frisst, und somit ist jede Unfähigkeit zu schlingen prinzipiell als nicht physiologisch zu interpretieren.
Ungefähr jeder sechste Mensch leidet an einer Schluckstörung (Dysphagie). Diese kann in eine oropharyngeale und eine ösophageale Dysphagie unterteilt werden. Diese Unterscheidung hat eine klinische Relevanz, weil für die Abklärung andere Untersuchungsmodalitäten benötigt werden und in der Behandlung unterschiedliche Fachärzt:innen (Hals-Nasen-Ohren-Ärzt:innen/Neurolog:innen oder Gastroenterolog:innen/Allgemeinchirurg:innen) tätig sind. Die Dysphagie sollte nicht mit einer Odynophagie (Schmerzen beim Schlucken) oder einem thorakalen Schmerz (Ausschluss kardialer Ursache!) verwechselt werden.

Differenzierte Betrachtung

Bei der oropharyngealen Dysphagie besteht das Problem im Transport des Essens vom Mund in den Ösophagus, weshalb diese Schluckstörung manchmal auch „zervikale“ oder „hohe“ Dysphagie genannt wird. Neben einer mechanischen Obstruktion (z. B. einer Neoplasie im HNO-Bereich), einer neurogenen Motilitätsstörung (Schlaganfall, Parkinson, multiple Sklerose) oder einer myogenen Motilitätsstörung (Myasthenia gravis, Polymyositis) kann auch eine verminderte Speichelproduktion (z. B. Sjögren-Syndrom) eine oropharyngeale Dysphagie verursachen. Eine ösophageale Dysphagie ist eine Störung des Transportes der Nahrung innerhalb des oder aus dem Ösophagus und wird in eine mechanische Problematik (z. B. Ösophaguskarzinom, eosinophile Ösophagitis, Strikturen) und in Motilitätsstörungen (z. B. Achalasie, Sklerodermie) eingeteilt.

Gezielte Anamnese

Eine ausführliche Anamnese ist wichtig, weil Patient:innen die Symptome sehr lange kompensieren und nur weniger als die Hälfte eine Dysphagie von sich aus angeben. Die gefühlte Lokalisation des/der Patient:in (Engegefühl beim Essen im Hals oder im Thoraxbereich) hat wegen der schlechten Sensitivität zur klinisch wichtigen Unterscheidung der beiden Schluckstörungen keinen großen Stellenwert. Vor allem repetitive Aspiration und/oder Husten sprechen für eine oropharyngeale Dysphagie. Vorerkrankungen wie stattgehabter Schlaganfall, Morbus Parkinson oder multiple Sklerose gehen häufig mit einer oropharyngealen Dysphagie einher. Patient:innen mit einer ösophagealen Dysphagie berichten hingegen eher über das Gefühl des Passagestopps, Druckgefühl im Thorax nach dem Schlucken oder auch Wiederheraufwürgen (Regurgitation) von unverdauter Nahrung.

Weiterführende Abklärung

Neben der Anamnese braucht es bei jeder Dysphagie eine optische Begutachtung der betroffenen Region. Im Falle der ösophagealen Dysphagie ist eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie zum Ausschluss einer mechanischen Obstruktion (z. B. Karzinom) oder einer Entzündung der Speiseröhre notwendig. Diese muss (auch bei unauffälliger Schleimhaut) mindestens sechs Biopsien aus zwei unterschiedlichen Höhen beinhalten, um eine eosinophile Ösophagitis (EoE) auszuschließen, die heutzutage die häufigste Ursache der ösophagealen Dysphagie und der Bolusimpaktierung (Verschluss der Speiseröhre durch steckengebliebene Nahrung) darstellt. Dies gilt auch für Kinder und Jugendliche. Falls weder eine mechanische Obstruktion noch eine EoE histologisch gefunden werden konnte, sollte als nächster Schritt eine hochauflösende Ösophagusmanometrie durchgeführt werden, um eine mögliche Motilitätsstörung zu diagnostizieren. Dadurch kann im Falle einer unauffälligen Gastroskopie die diagnostische Ausbeute um 33 % erhöht werden. Der häufig verwendete Bariumschluck oder die Videokinematografie hat nur einen additiven Nutzen bei unklaren Befunden oder bei einem Verdacht auf ein Zenker-Divertikel, das endoskopisch häufig verpasst wird. Eine Blutentnahme hat bei einer Dysphagie keinen Stellenwert.

Zusammenfassend ist eine Dysphagie immer abklärungsbedürftig, und als erster Schritt sollte nach einer gründlichen Anamnese eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie mit Biopsieentnahme durchgeführt werden.

Praxismemo

  1. Die Dysphagie wird in eine oropharyngeale (häufig neurologische oder HNO-Erkrankung) und eine ösophageale Dysphagie eingeteilt.
  2. Die eosinophile Ösophagitis (EoE) ist eine deutlich zunehmende Erkrankung, die häufig viel zu spät diagnostiziert wird.
  3. Jede Dysphagie gehört mit einer Ösophago-Gastro-Duodenoskopie inklusive Biopsie abgeklärt.
  4. Bei unauffälliger Endoskopie sollte im Falle einer ösophagealen Dysphagie eine hochauflösende Ösophagusmanometrie erfolgen.
  5. Eine Blutentnahme hat bei einer Dysphagie keinen Stellenwert.