Brennpunkt Immuntherapie − Aus Sicht der Medizin

Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Rupert Bartsch, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Klinische Abteilung für Onkologie, Medizinische Universität Wien, lieferte im Rahmen der „Jubiläumstagung – 25 Jahre AHOP“ einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet der Immuntherapie. Im Speziellen sprach der Experte über die Immuntherapie bei Patientinnen mit (fortgeschrittenem) triplenegativem Mammakarzinom; in diesem Beitrag werden jedoch nur die allgemeinen Aspekte dieses klinisch relevanten Therapieansatzes wiedergegeben.

Rolle der T-Lymphozyten

„Immuntherapie erscheint auf den ersten Blick als etwas komplett Neues“, so Bartsch. Während in den klassischen Grundeigenschaften von Tumorzellen („Hallmarks of Cancer“1) die Rolle des Immunsystems nicht erwähnt wurde, drehte sich 11 Jahre später („Hallmarks of Cancer: The Next Generation“2) alles auch um immunologische Faktoren, die in der Entstehung und am Wachstum von malignen Tumoren beteiligt sind. Eine zentrale Rolle der Immunantwort gegen Tumoren kommt den T-Lymphozyten zu. Bartsch erklärte, dass es bei der Entstehung von malignen Tumoren (Onkogenese) zur Ausbildung neuer Antigene an der Zelloberfläche kommt. Diese Neoantigene werden im Optimalfall von dendritischen Zellen erkannt und von diesen den T-Lymphozyten präsentiert. Es resultiert eine Aktivierung zytotoxischer T-Zellen. Aktivierte T-Zellen infiltrieren das Tumormicroenvironment, erkennen und destruieren Tumorzellen. Es wird ein weiteres Antigen freigesetzt, der Zyklus beginnt von vorne. „Die Aktivierung von T-Lymphozyten ist allerdings sehr komplex“, verdeutlichte Bartsch. Es gibt eine Vielzahl von Rezeptoren, die in die Regulation der T-Zell-Aktivierung bzw. deren Hemmung eingreifen: Die Interaktion von PD-1/PD-L1 hemmt die Interaktion und Effektorfunktion von T-Lymphozyten und induziert die Apoptose von tumorspezifischen T-Zellen.3 „Die Hemmung dieser PD-1/PD-L1-Interaktion scheint somit ein sinnvoller therapeutischer Ansatz zu sein“, so der Experte.

Prädiktive Faktoren

Multiple Faktoren auch jenseits von PD-L1 können einen relevanten Einfluss auf die Wirksamkeit einer Immuntherapie haben.4 Prädiktive Faktoren sind laut Bartsch in zweierlei Hinsicht wichtig: zum einen im Hinblick auf die spezifischen Nebenwirkungen, zum anderen machen die hohen Therapiekosten prädiktive Faktoren unumgänglich.

Toxizität

In der täglichen klinischen Routine muss man sich dessen bewusst sein, dass jedes Organsystem im Körper eine Autoimmunreaktion aufweisen kann, betonte der Experte. Champiat et al. definieren fünf Säulen des Immuntoxizitätsmanagements: verhindern, vorhersehen, erkennen, behandeln und monitieren.5 Generell ist es von großer Bedeutung, das gesamte Spektrum an immunmediierten Nebenwirkungen zu kennen und beim Auftreten klinischer Beschwerden daran zu denken, dass hier ein immunologisches Phänomen zugrunde liegen könnte. Bei Eintreten solcher Autoimmunnebenwirkungen gilt es rasch zu reagieren, wobei meist eine Unterbrechung der Immuntherapie und eine Verabreichung von Kortikosteroiden, gegebenenfalls auch in Kombination mit anderen Immunsuppressiva, notwendig wird.5

 

1 Hanahan D, Weinberg RA, Cell 2000; 100:57–70

2 Hanahan D, Weinberg RA, Cell 2011; 144:646–74

3 Zitvogel L, Kroemer G, Oncoimmunology 2012; 1:1223–25

4 Blank CU et al., Science 2016; 352:658–60

5 Champiat S et al., Ann Oncol 2016; 27:559–74

 

Quelle: Jubiläumstagung – 25 Jahre AHOP, Vortrag Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Rupert Bartsch „Immuntherapie“, 20. 9. 2019, Wien